Verbraucher- und Datenschützer verschärfen Kritik an neuen TK-Regeln

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung warnt vor "Missbrauchsverdachtsregistern" und der Auslagerung sensibler Kommunikationsdaten ins Ausland durch die Novelle des Telekommuniokationsgesetzes, auch Verbraucherschützer fordern Nachbesserungen.

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Verbraucherschützer und Bürgerrechtler fordern umfangreiche Nachbesserungen am Regierungsentwurf zur Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG). "Zur Stärkung der Privatsphäre und des Nutzervertrauens" sei darauf zu drängen, dass Telekommunikationsdienste so wenig persönliche Kundendaten wie möglich sammeln und Nutzer über den Umgang mit ihren Daten wirklich frei entscheiden können, schreibt der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung in einer jetzt veröffentlichten Stellungnahme (PDF-Datei). Den Gesetzgeber fordert die Vereinigung ferner auf, für mehr Transparenz bei der Aufzeichnung und Speicherung persönlicher Daten bei Kommunikationsdiensten zu sorgen.

Der Regierungsvorstoß ermögliche derzeit eine verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung zur Beseitigung von Störungen in Paragraph 100, moniert der Zusammenschluss von Internetnutzern und Datenschützern. Zur Anlage entsprechender "Missbrauchsverdachtsregister", in die jeder "Anhaltspunkt" für rechtswidriges Verhalten am Telefon oder im Netz eingetragen werden könne, dürfe es nicht kommen. Vielmehr müsse wieder ein Recht der Kunden eingeführt werden, die unverzügliche Löschung von Verbindungsdaten verlangen zu können.

Übel aufgestoßen ist den Bürgerrechtlern, dass die Bundesregierung Paragraph 92 TKG streichen will. Dieser besagt, dass Diensteanbieter personenbezogene Daten an ausländische private Stellen nur übermitteln dürfen, soweit dies für die Erbringung der Leistung, den Rechnungsversand oder die Missbrauchsbekämpfung nötig ist. Der Arbeitskreis fürchtet, dass Firmen damit sensible Kommunikationsdaten ins Ausland verlagern könnten, wo sie dem Zugriff dortiger Behörden und Geheimdienste sowie der Wirtschaftsspionage ausgesetzt seien und nicht mehr dem hohen deutschen Schutzniveau unterlägen. Nach den Datenskandalen etwa bei der Deutschen Telekom wäre dies genau das falsche Signal.

Weiter macht der Arbeitskreis sich dafür stark, dass die Identität des Nutzers einer IP-Adresse oder Telefonnummer künftig nur noch mit richterlichem Beschluss, nur zur Verfolgung schwerer Straftaten oder zur Abwehr schwerer Gefahren offengelegt werden darf. Laut dem Papier sollen Internet-Zugangsanbieter zudem ihren Kunden bei jedem neuen Verbindungsaufbau beziehungsweise spätestens nach 24 Stunden eine neue IP-Adresse zuweisen, falls ein Nutzer keine anderweitigen Wünsche geäußert habe. Andernfalls drohe mit Einführung des neuen Netzprotokolls IPv6 die individuelle Verfolgbarkeit jedes Online-Schrittes durch Online-Anbieter, staatliche Dienste oder private Rechteinhaber über lange Zeiträume hinweg. Nicht zuletzt fordern die Datenschützer die Aufhebung der Identifizierungspflicht für Prepaid-Mobiltelefonkarten und einen besseren Schutz vor Beschnüffelung durch Spyware, Cookies oder Web-Bugs.

Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) sieht im Gegensatz zur Regierung Umsetzungsbedarf bei der EU-Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation. Sie verlange unter anderem ein informierte Einwilligung der Nutzer, bevor Dritte Informationen auf Endgeräten der Nutzer etwa durch Cookies speichern und abrufen dürften. Möglich wäre dies nach Ansicht der Verbraucherschützer etwa in Form gesetzlicher Regelungen für die Voreinstellungen der Dienstleistungen und Systemlösungen sowie "tatsächlich funktionierender und transparenter" Optionen zur Verwaltung der Browserdateien, schreibt der Verband in seiner Stellungnahme.

Im Bereich Netzneutralität springt der Entwurf, den der vzbv zunächst überwiegend begrüßte, laut der Eingabe ebenfalls zu kurz. Um eine umfassende Diskriminierungsfreiheit im Netz sicherzustellen, sind ihm zufolge erweiterte Informationsverpflichtungen allein "vollkommen unzureichend". Unerlässlich seien vielmehr verpflichtende Maßnahmen für ein "übertragungstechnisch neutrales Internet", damit alle Kommunikations- und Datendienste "ohne Barrieren transportiert und unabhängig von ihrem Inhalt gleich behandelt werden können". Als unzureichend bezeichnete vzbv-Vorstand Gerd Billen den Kompromissansatz der Regierung, um Telefonabzocke und überhöhte Warteschleifengebühren zu bekämpfen. (jk)