Tschechisches Verfassungsgericht kippt Vorratsdatenspeicherung
Der Oberste Gerichtshof Tschechiens hat das nationale Gesetz zur zwölfmonatigen Protokollierung von Nutzerspuren für verfassungswidrig erklärt. Es verstoße gegen Grundrechte auf Privatheit, etwa das informationelle Selbstbestimmungsrecht.
Das tschechische Verfassungsgericht hat die Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung im nationalen Gesetz zur elektronischen Kommunikation aufgehoben. Die Regelungen zur verdachtsunabhängigen zwölfmonatigen Protokollierung von Nutzerspuren seien verfassungswidrig, erklärten die Richter in Brünn einstimmig in ihrem am heutigen Donnerstag verkündeten Urteil (PDF-Datei). Sie verstießen gegen Grundrechte auf Privatheit wie das informationelle Selbstbestimmungsrecht, wobei der Beschluss auch das Volkszählungsurteil des deutschen Verfassungsgerichts zitiert. Zudem werde die Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht gewahrt.
Gegen die Auflage geklagt hatten 51 tschechische Abgeordnete unter der Führung von Liberalen. Sie hatten vorgebracht, dass die Speicherung der Verbindungs- und Standortdaten einen zu tiefen Eingriff in die Privatsphäre der Bürger darstelle, der durch den Nutzen der Maßnahme nicht aufgewogen würde. Zudem sei die Missbrauchsgefahr der gesammelten Datenberge zu groß. Die Beschwerdeführer beantragten auch, dass das Verfassungsgericht die umstrittenen EU-Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung der Vereinbarkeit mit der Europäischen Menschenrechtscharta vorlegen solle. Dies hielten die Richter jedoch nicht für nötig. Sie monierten aber, dass die entsprechende Richtlinie zu vage formuliert sei und etwa Speicherfristen zwischen 6 und 24 Monaten zulasse. Damit sei keine Rechtsharmonisierung in der EU zu erreichen.
Hierzulande kippte Karlsruhe die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung vor gut einem Jahr wegen Unvereinbarkeit mit dem Telekommunikationsgeheimnis. Für eine potenzielle Neufassung legten die Richter die Hürden hoch. Zuvor hatte schon der rumänischen Verfassungsgerichtshofs das dortige Gesetz zur sechsmonatigen Protokollierung von Nutzerspuren als verfassungswidrig verworfen. Auch wenn das Gesetz nicht Kommunikationsinhalte betreffe, vereitelten und hemmten die zu speichernden Daten wahrscheinlich die freie Ausübung der Rechte auf Fernmelde- und Meinungsfreiheit, konstatierten die dortigen Richter. Die EU-Kommission führt derzeit eine Evaluierung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung durch. Das Urteil aus Tschechien erhöht den Druck auf Brüssel, Vorschläge für Änderungen an den Vorgaben vorzulegen. (jk)