Weitere dänische Provider sperren Zugang zu AllofMP3

Anders als angekündigt folgen weitere ISPs einer gegen Tele2 erlassenen Sperrverfügung und schließen damit rund Dreiviertel der dänischen Internetnutzer vom Shopping in dem umstrittenen Musikladen aus.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 178 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.

Die großen dänischen Internet-Provider werden einer gegen Tele2 erlassenen einstweiligen Verfügung freiwillig folgen und ihren Kunden den Zugang zum umstrittenen russischen Online-Musikladen AllofMP3.com verwehren. Nachdem Tele2 auf die angekündigte Berufung gegen das vom Phonowirtschaftsverband IFPI erwirkte Urteil verzichtet hatte, vollziehen nun auch andere Branchengrößen eine überraschende 180-Grad-Wendung. Zensurvorwürfe sind aus der dänischen ISP-Szene zumindest nicht mehr zu hören.

Der dänische Arm der IFPI hatte die anderen Provider aufgefordert, dem Urteil Folge zu leisten, anderenfalls wollten sie eine ähnliche Verfügung erwirken. Die Branche hat sich daraufhin mit dem Verband Telekommunikationsindustrien zähneknirschend auf den gemeinsamen Gehorsam verständigt. Die großen Provider TDC und Cybercity haben die Blockade auf DNS-Ebene nach Verbandsangaben bereits in Kraft gesetzt, andere warten noch auf eine Aufforderung durch die IFPI. Wenn alle wesentlichen Anbieter ihre DNS-Sperre eingerichtet haben, werden nach Schätzungen etwa Dreiviertel der dänischen Internetnutzer vom Zugang zu AllofMP3 ausgeschlossen sein. Lange spielt das allerdings keine Rolle mehr, denn die Tage von AllofMP3 scheinen endgültig gezählt: Russland hat sich mit Blick auf den geplanten Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO in einem Abkommen mit den USA dazu verpflichtet, rechtliche Mittel gegen Angebote wie AllofMP3 zu schaffen.

Dass eine DNS-Sperre nicht besonders effektiv und leicht zu umgehen ist, wissen auch die dänischen Provider. "Den Zugang zu einem bestimmten Server zu schließen ist extrem schwierig, wenn nicht gar unmöglich", beschreibt es ein Sprecher des ehemals staatlichen Anbieters TDC. Das kann nur ein kleiner Trost sein, denn das Urteil hat die Branche kalt erwischt. Alle Beteiligten, sogar die Rechtsvertreter der IFPI, zeigten sich überrascht von dem schnellen und eindeutigen Richterspruch. "Wir dachten nicht, dass der Fall so klar liegen würde", gibt Verbandschef Ib Tolstrup zu. Das Gericht habe im Wesentlichen darauf abgehoben, dass der russische Anbieter eine in Dänemark illegale Quelle ist und sich die Provider an einer Urheberrechtsverletzung beteiligt hätten. Auch die betroffenen Unternehmen glauben nicht an den Sinn einer rechtlichen Auseinandersetzung, es bestehe ein zu hohes Risiko, einen aufwändigen Prozess zu verlieren. "Es macht keinen Sinn, damit vor Gericht zu gehen", bestätigt auch der TDC-Sprecher.

Die Provider erwarten allerdings, dass es bei dem speziellen Fall AllofMP3 bleibt und befürchten keine weiter gehenden Konsequenzen des Urteils. IFPI Dänemark hat nach Angaben ihres Anwalts bisher auch keine konkreten Pläne, weitere Websites auf diesem Weg zu bekämpfen. Der Dachverband in London glaubt allerdings, dass sich das Urteil in Dänemark auf andere Websites ausdehnen lässt, die in ähnlicher Weise die "Urheberrechte verletzendes Material" verbreiten. "Wir rufen die ISPs auf, sich verantwortungsbewusst zu verhalten und den Zugang zu solchen Websites zu blockieren", erklärte IFPI-Sprecher Adrian Strain. Es gebe ähnliche Websites in Russland, im Branchenjargon "Sons of AllofMP3", denen jetzt ein ähnliches Schicksal droht. Sollte ein dänisches Gericht einen AllofMP3-Klon für illegal erklären, stünden die Chancen für eine erfolgreiche Sperrverfügung gut. Noch werben die ersten "Söhne von AllofMP3" damit, dass auch dänische Tele2-Kunden bei ihnen kaufen können.

Sollte es zu weiteren Unterlassungsverlangen kommen, will die Branche allerdings standhaft bleiben und vor Gericht gehen. Andere Fälle lägen möglicherweise nicht so klar und würden deshalb auch anders entschieden, hoffen die dänischen Provider. Denn sie sind grundsätzlich unglücklich über den Ausgang des Verfahrens. Die Unternehmen sehen sich in der Zwickmühle zwischen nationalen Gesetzen und dem internationalen Daten- und Handelsverkehr im Internet. Es sei nicht Aufgabe der Zugangsanbieter, über die Inhalte des internationalen Netzes zu wachen, heißt es dazu bei TDC. Auch Tolstrup bekräftigt, die Provider seien weiterhin gegen jede Form der Zensur und wollten sich nicht zum Pförtner der Netze machen lassen. Das sieht IFPI-Mann Strain ganz anders: "Die Provider sind die Gatekeeper des Internet und sie sollten ihre moralische, rechtliche, soziale und ökonomische Verantwortung ernst nehmen."

Genau das tun die Provider mit der Sperre nicht, findet der Vertreter der dänischen Piratgruppen, Sebastian Gjerding. "Die Entscheidung von Tele2, das Urteil zu akzeptieren, ist ein Desaster". Seine Gruppe ist kein Verfechter des russischen Geschäftsmodells, sondern wendet sich aus prinzipiellen Erwägungen gegen das Urteil. "Die absurde Interpretation des Urheberrechts in dem Urteil öffnet die Tür zur Zensur einer langen Liste von Website", fürchtet Gjerding einen Präzedenzcharakter des Urteils. Den sieht die IFPI auch jenseits dänischer Grenzen: "Die Verfügung wurde nach dem Gesetz unter Berücksichtigung europäischen Urheberrechts erlassen", erklärt IFPI-Sprecher Strain, "die Verbände in anderen Ländern werden ihre eigenen Entscheidungen treffen, ob sie rechtliche Schritte in ihren Staaten einleiten werden".

Dass es dazu in Deutschland kommt, bezweifelt Oliver Süme. Der Rechtsanwalt ist beim Branchenverband Eco für die Themen Recht und Regulierung zuständig. "Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass man in Deutschland eine ähnliche Entscheidung erwirken kann". So sei zwar auch in Deutschland die so genannte Mitstörerhaftung bei Urheberrechtsverletzungen gesetzlich geregelt, allerdings sei das für reine Zugangsanbieter in der Praxis eher irrelevant. Mit einem ähnlichen Vorstoß gegen Filesharing-Portale war die GEMA im vergangenen Jahr bei den Providern aufgelaufen, angedrohte Klagen hat es nie gegeben. Hier bleibt also alles beim alten – zunächst. Denn wenn Moskau seine Vereinbarung mit den Amerikanern einhält, ist der umstrittene Russenladen bald auch für deutsche Kunden dicht.

Siehe zu diesem Thema auch: