Koalition erwägt befristete Verlängerung von Anti-Terror-Befugnissen

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich drängt nicht mehr auf eine Entfristung von Geheimdienstkompetenzen im Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz, was eine Einigung mit der FDP erleichtern könnte. Andere Unionspolitiker wollen aber noch draufsatteln.

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Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich drängt nicht mehr auf eine Entfristung von Geheimdienstkompetenzen im Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz (TBEG), das Anfang 2012 auslaufen würde, wenn der Gesetzgeber nichts tut. Auch befristet verlängerte Befugnisse etwa zur Datenabfrage bei Banken, Fluggesellschaften, Reisebüros, Postdienstleistern oder Telekommunikationsanbietern seien "in Ordnung", wenn sich Schwarz-Gelb darauf verständigen könne, so der CSU-Politiker im ZDF. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Christian Ahrendt, erklärte gegenüber der Financial Times Deutschland, für die Liberalen sei eine neue Befristung "eine Option". Die Koalition müsse aber bei der Analyse der aktuellen Sicherheitslage nach dem Tod Osama bin Ladens "zu dem Schluss kommen, dass wir die Gesetze weiter brauchen".

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger macht sich auch nach der Festnahme dreier Terrorverdächtiger für einen "besonnen Umgang" mit Anti-Terror-Kompetenzen stark. Die Sicherheitslage dürfe nicht instrumentalisiert werden, betonte die FDP-Politikerin. Im SWR räumte sie auch ein, dass einige mit dem TBEG ermöglichte Maßnahmen weiter gebraucht würden. Das hänge mit davon ab, wie oft sie angewandt worden seien. Geheimdienste stünden anders als die Polizei nicht unter rechtsstaatlicher Kontrolle, deshalb dürfe nicht pauschal entfristet werden.

Der "Ruf nach immer neuen Gesetzen" nutze sich ab, meint die Ministerin. Der Staat erreiche kein Vertrauen, sagte sie der Nürnberger Zeitung, wenn er immer nur reflexartig neue Befugnisse verlange. Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) erklärte auf n-tv, dass die Nachrichtendienste nach dem 11. September 2001 rechtsstaatlich bedenkliche Kompetenzen eingeräumt bekommen hätten. Er überlege, "ob man das nicht einmal vor das Verfassungsgericht bringen soll".

In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gibt es Widerstand gegen den sich abzeichnenden Kompromiss. Ihr innenpolitischer Sprecher, Hans-Peter Uhl, forderte in der Neuen Osnabrücker Zeitung, die Möglichkeiten der Geheimdienste auszuweiten. Diesen sollten künftig heimliche Online-Durchsuchungen von IT-Systemen gestattet werden, was bisher nur das Bundeskriminalamt darf. Weiter setzte sich Uhl nicht nur für die von der FDP abgelehnte Neuauflage der verdachtsunabhängigen, sechsmonatigen Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten ein, er will auch erreichen, dass neben Strafverfolgern auch die Nachrichtendienste darauf zurückgreifen dürfen. Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), hat dagegen "keine Probleme" damit, wenn die bestehenden Anti-Terror-Befugnisse zunächst "fünf Jahre" verlängert werden.

Die Sozialdemokraten sind laut dem parlamentarischen Geschäftsführer der SDP-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, "offen für eine befristete Verlängerung der Sicherheitsgesetze". Die Bundesregierung müsse aber erst darlegen, wie diese Regelungen genutzt wurden und ob sie zu konkreten Erfolgen geführt haben. Ähnlich hatte sich zuvor SPD-Parteichef Sigmar Gabriel geäußert. Er sprach sich zugleich für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung aus. Seine Partei sei überzeugt, dass die anlasslose Protokollierung der Nutzerspuren richtig sei und das Bundesverfassungsgericht ausreichende Regelungsgrundsätze aufgestellt habe. Der frühere SPD-Innenminister Otto Schily hält die Vorratsdatenspeicherung ebenfalls für unverzichtbar. Die Debatte darüber hierzulande werde "vollkommen irrational geführt". Auf der Internet-Aktionsplattform Campact läuft derweil eine Kampagne gegen die Vorratsdatenspeicherung.

Konstantin von Notz, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, warnte davor, dass die Prüfung der Anti-Terror-Gesetze zur "Petitesse" werden könne. Derzeit fehle es im Sicherheitsbereich an Konzepten, die grund- und bürgerrechtlichen Ansprüchen genügten, monierte er im Handelsblatt. Die Grünen verlangen gemeinsam mit den anderen Oppositionsfraktionen im Parlament eine unabhängige Evaluierung der Sicherheitsgesetze. Die bislang von der Regierung durchgeführte Überprüfung ist ihrer Ansicht nach unzureichend. (anw)