Bundesregierung hält Evaluierung von "Löschen statt Sperren" für unnötig

Die Statistiken des Bundeskriminalamts und die Erfahrungen von Providern mit dem Entfernen von Kinderpornos an der Quelle reichten dem Bundeskabinett nach Angaben des Innenministeriums zum Beschluss der Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes aus.

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Die Bundesregierung plant derzeit nicht, das Entfernen von Webseiten aus dem Internet, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zeigen, unabhängig evaluieren zu lassen. Mit der Verabschiedung des Zugangserschwerungsgesetzes und dem späteren Festschreiben des Prinzips "Löschen statt Sperren" war festgelegt worden, die Wirksamkeit zu überprüfen. Auf das Prinzip hatte sich Schwarz-Gelb im Koalitionsvertrag geeinigt. Nachdem das Zugangserschwerungsgesetz teilweise ausgesetzt wurde, gewann "Löschen statt Sperren" noch an Bedeutung.

Für den Beschluss des Bundeskabinetts, das Normenwerk vollständig aufzuheben, bezeichnete nun aber das Bundesinnenministerium in einer Antwort (PDF) auf eine Anfrage der SPD und der Grünen im Bundestag "die statistischen Auswertungen des Bundeskriminalamts" (BKA) sowie die Erfahrungen der Provider als "ausreichende Grundlage". Sie hätten dazu geführt, dass im Web verfügbare Darstellungen von Kindesmissbrauch "nunmehr erfolgreich gelöscht werden könnten".

Das federführende BKA und die Beschwerdestellen der Wirtschaft und der Länder hatten im Herbst eine Zusammenarbeit verabredet, durch die sich die Erfolge beim Entfernen von Kinderpornographie direkt an der Quelle verbesserten. So waren im Januar laut der Statistik der Polizeibehörden nach einer Woche noch 32 Prozent der ausgemachten Verbreitungsserver erreichbar, nach vier Wochen alle inkriminierten Inhalte mit Ausnahme einer Webadresse aus dem Netz verschwunden.

Nach Angaben des internationalen Verbunds von Internet-Beschwerdestellen INHOPE konnten 2010 im Durchschnitt 44 Prozent der gemeldeten Missbrauchsbilder binnen zwei Tagen gelöscht werden. Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco wies Anfang des Jahres für seine Hotline eine Erfolgsquote von 99,4 Prozent bei der Weitergabe von 656 Hinweisen auf illegales Material an INHOPE für 2010 aus. Dank besserer Koordinierung seien 84 Prozent der ins Ausland gemeldeten Websites binnen einer Woche offline gewesen, nach zwei Wochen habe die Erfolgsquote bei 91 Prozent gelegen.

Den offiziellen Kooperationsvertrag zwischen BKA und den Hotlines unterzeichneten die Vertragsparteien der Bundesregierung zufolge im März, sodass er inzwischen in Kraft ist. Das Parlament werde alsbald "in geeigneter Form" über den genaueren Inhalt der zunächst als "Harmonisierungspapier" bekannt gewordenen Vereinbarung informiert, versichert das Innenministerium. Damit würden die Arbeitsabläufe zwischen den Beteiligten abgestimmt. Geregelt würden etwa "Weiterleitungsverfahren, Evaluierungsmaßstäbe und Überprüfungsintervalle", wobei es "erheblichen Abstimmungsbedarf" gegeben habe. BKA und die Beschwerdestellen sollten nun "spätestens nach einer Woche prüfen, ob die inkriminierten Inhalte noch verfügbar sind". Die Ergebnisse der Löschbemühungen würden dann auch gemeinsam erfasst und vorgelegt. Zugleich betonte die Regierung, dass sie sich auf EU-Ebene für eine Lösung einsetze, die die Mitgliedsstaaten nicht zum Einsatz von Websperren verpflichte.

Die SPD-Bundestagsabgeordneten Lars Klingbeil und Burkhard Lischka sehen mit der Antwort noch "zahlreiche Fragen" offen. So verschweige die Regierung etwa, dass das Zugangserschwerungsgesetz gar keinen Anwendungsspielraum für die Aussetzung der Blockadeanforderung vorsehe. "Irritierend" seien die Auskünfte zur ausstehenden Evaluierung. Die Sozialdemokraten hätten sich dadurch Aufklärung über die Tatsache erhofft, dass sich "das Löschen entsprechender Inhalte so lange als so schwierig" erwiesen habe. Sie wünschen sich nun, dass die "symbolpolitischen" Sperren allgemein nicht mehr als Lösungsweg bei der Bekämpfung von Rechtsverletzungen ins Spiel gebracht werden. Für den netzpolitischen Sprecher der Grünen, Konstantin von Notz, sind die Erklärungen ebenfalls "unbefriedigend". Die Regierung dokumentiere damit ihr "mangelndes Interesse daran, das Verfahren weiter zu verbessern". Eine "Gesamtstrategie" zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch fehle noch immer.

(anm)