Online-Durchsuchung von PCs durch Strafverfolger und Verfassungsschutz

Der Online-Zugriff auf die PCs von Internet-Surfern soll dem NRW-Verfassungschutz am heutigen Donnerstag genehmigt werden. Ähnliche Möglichkeiten sollen die Strafverfolger im Rahmen des Sicherheitsprogramms von Innenminister Schäuble erhalten.

vorlesen Druckansicht 1088 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • JĂĽrgen Kuri
Was der nordrhein-westfälische Innenminister Ingo Wolf bereits als fertigen Plan vorschlug und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in seinem 132 Millionen Euro schweren Programm zur Stärkung der inneren Sicherheit nur angedeutet hatte, soll nun konkret werden: Das BKA soll auch Zugriff auf die PCs der Bürger über das Internet erhalten. Wolf hatte bereits im August dieses Jahres ein neues Verfassungsschutzgesetz vorgestellt, das dem Verfassungsschutz etwa auch verdeckten Zugriff auf "Festplatten" und andere "informationstechnische Systeme" im Internet gibt. Im November hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags zudem dem Programm zur Stärkung der inneren Sicherheit von Schäuble zugestimmt, mit dem der Inneniminister unter anderem terroristische Bestrebungen durch eine schärfere Überwachung von Online-Foren besser bekämpfen will.
In dem ausgearbeiteten Programm, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, erklärt das Innenministerium, ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Terror sei die Fähigkeit, PCs durchsuchen zu können, ohne tatsächlich am Standort des Gerätes zu sein. Das sei "personell und technisch äußerst aufwendig". Diese Maßnahmen sollen dann möglich sein, wenn ein konkreter Tatverdacht vorliegt und ein Richter zugestimmt hat. Für einen regulären Einsatz brauche man "erhebliche Ressourcen". Offenbar habe das Innenministerium ein "flächendeckendes PC-Screening vor", moniert der FDP-Haushaltsexperte Jürgen Koppelin laut der Tageszeitung. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage.
Das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz, das Koppelins Parteifreund Ingo Wolf einbrachte, soll übrigens am heutigen Donnerstag verabschiedet werden. Wie die Online-Durchsuchung etwa bei PCs, die hinter einem Firewall oder einem Router mit Network Address Translation liegen, vonstatten gehen soll, darüber schweigen sich die Vorhaben der Innenpolitiker allerdings aus. Ein wichtiger Bestandteil von Schäubles Sicherheitsprogramm ist jedenfalls die Einrichtung der "Internet Monitoring und Analysestelle" (IMAS) am Gemeinsamen Terror-Abwehr-Zentrum von Polizei und Nachrichtendiensten (GTAZ) in Berlin. Allein 30 Millionen Euro sollen dort angeblich für neue Hardware ausgeben werden, mit der sich auch die Internet-Telefonie und geschlossene Chaträume anzapfen lassen. Die neue Überwachungstruppe hat zunächst die Aufgabe, mehr Transparenz in die dschihadistischen Netzumtriebe zu bringen. Sie soll auch Wege finden, um Hetzpropaganda und Anleitungen zum Bombenbau aus dem Cyberspace zu verbannen.
Siehe dazu auch:
  • Angeblich 200.000 deutschsprachige Bombenbauanleitungen im Netz
  • ThĂĽringens Innenminister fĂĽr mehr Internet-Ăśberwachung
  • Bundestag verabschiedet neue Anti-Terrorgesetze
  • Nur geringfĂĽgige Korrekturen am neuen Anti-Terrorpaket
  • "Wir brauchen ĂĽberwachungsfreie Räume"
  • Streit um die Zukunft des Anonymisierungsdienstes AN.ON
  • Bundesländer wollen VideoĂĽberwachung ausweiten
  • Bundesjustizministerium plant Neuregelungen fĂĽr verdeckte ErmittlungsmaĂźnahmen
  • Nutzerlobby gegen Lizenz zur "DauerĂĽberwachung" im Internet
  • Deutschland ist fĂĽhrend bei der inneren Sicherheit
  • Vorratsdatenspeicherung soll auch fĂĽr Anonymisierungsdienste gelten
  • Merkel plädiert fĂĽr mehr Ăśberwachung trotz hoher Sicherheit
  • Zur Ăśberwachung von Internet-Nutzern und der Datensammelei im Web siehe auch den Schwerpunkt "Deine Spuren im Netz" in der aktuellen Ausgabe von c't:
    • Verfolgerwahn, Wie Online-Nutzer die Kontrolle ĂĽber ihre Daten zurĂĽckgewinnen können, c't 24/06, S. 202
    • Im Visier der Strafverfolger, Staatlicher Zugriff auf Anonymisierungsserver, c't 24/06, S. 208
    • Globale Rasterfahndung, Privatfirma sammelt und verkauft Daten, c't 24/06, S. 202
    • Big Brother 2.0, Der BĂĽrger im Fadenkreuz der Terrorismusbekämpfung, c't 24/06, S. 202
  • Generalbundesanwältin fordert stärkere Ăśberwachung des Internet
  • 132 Millionen Euro fĂĽr schärfere ĂśberwachungsmaĂźnahmen freigegeben
  • Scharfe Kritik an Plänen des Justizministeriums zur Vorratsdatenspeicherung
  • Zypries stellt Entwurf zur Neuregelung der TK-Ăśberwachung vor
  • DatenschĂĽtzer sieht Anti-Terror-Datei als Schritt zur Ăśberwachungsgesellschaft
  • Zahlreiche Bedenken gegen neues Anti-Terrorpaket
  • Bundesrat gegen Befristung der Anti-Terror-Datei
  • DatenschĂĽtzer sieht verfassungsrechtliche Mängel im Gesetz zur Anti-Terror-Datei
  • DatenschĂĽtzer kritisieren Anti-Terror-Datei und SchĂĽlerregister
  • Kritik am neuen Programm fĂĽr Innere Sicherheit
  • Bundesregierung will Kundendaten fĂĽr vorbeugende Straftatenbekämpfung
  • Programm fĂĽr innere Sicherheit in der Diskussion
  • Wirtschaftsinitiative begrĂĽĂźt verschärfte InternetĂĽberwachung
  • DatenschĂĽtzer sehen Anti-Terror-Datei äuĂźerst kritisch
  • GroĂźe Koalition wirbt fĂĽr verstärkte Terrorbekämpfung
  • Bericht: Deutsche Sicherheitsbehörden greifen auf 197 Dateien zu
  • Kabinett segnet Anti-Terror-Datei ab
  • Schäuble: Anti-Terror-Gesetze haben sich bewährt
  • Kritik, Zustimmung und neue Forderungen zur Anti-Terror-Datei
  • DatenschĂĽtzer ĂĽben Kritik an Anti-Terror-Datei
  • Gemischte Reaktionen auf geplante Anti-Terror-Datei
  • Innenminister beschlieĂźen zweiteilige Anti-Terror-Datei
  • DatenschĂĽtzer warnt vor Aktionismus
  • Sicherheitstag im Zeichen der Anti-Terror-Debatte
  • Neue Vorschläge fĂĽr Daten in der Anti-Terror-Datei
  • Diskussion um geplante Anti-Terror-Datei
  • Gesetzentwurf zur zentralen Anti-Terror-Datei in Vorbereitung
  • Die Ausdehnung der Anti-Terrorgesetze und der gläserne Nutzer
  • Scharfe Kritik an geplanter Ausweitung der Anti-Terrorgesetze
  • GroĂźe Koalition ĂĽber Verschärfung der Anti-Terrorgesetze einig