Computex

x86-Tablets und das Microsoft-Comeback

Intel und AMD wenden sich Tablets zu, denn an beiden geht der iPad- und Android-Boom bislang vorbei. Doch bisher fehlten passende Prozessoren und Betriebssysteme.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 259 Kommentare lesen
Lesezeit: 9 Min.
Inhaltsverzeichnis

Intel will schon seit Jahren in Tablets machen, AMD seit dieser Computex auch. An beiden geht der Tablet-Boom – bestehend aus ganz viel iPad und einem bisschen Android – bisher vorbei, weil ihre Prozessoren noch nicht stromsparend genug (und damit die Tablets zu schwer, zu dick und zu teuer) sind und weil noch kein gutes Tablet-Betriebssystem für x86-Prozessoren vorhanden ist. In beiderlei Hinsicht hat sich auf der Computex etwas getan, wenn auch das meiste davon nur Ankündigungen waren statt konkreter Veränderungen. Der Versuch einer Einordnung.

Auf der vorigen Computex wurde deutlich, dass die alten Allianzen brechen, denn Tablets hatten anders als PCs und Notebooks nicht mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit einen Intel-Prozessor und Windows. Damals schienen vor allem Android/Google, iOS/Apple und die ARM-Produzenten zu profitieren, während Intel und Microsoft unbeweglich wirkten. Seit dieser Woche gibt es einen neuen Gewinner und einen neuen Verlierer: Microsoft brilliert mit einem 180-Grad-Wechsel, Google verliert durch fehlende Transparenz an Vertrauen.

Noch im vorigen Jahr wollte Microsoft nichts von einer neuen Tablet-Version wissen, dieses Jahr haben sie eine moderne Oberfläche gezeigt, der man vor allem eines nicht vorwerfen kann: dass sie einfach nur vom iPad oder von Android abgekupfert ist. Durch die schon im Januar angekündigte Unterstützung der ARM-Prozessoren befreit sich Microsoft von der Abhängigkeit der Intel-Fortschritte. So tanzt man erfolgreich auf allen Hochzeiten. Jetzt müssen den Demos nur noch Taten folgen, und ein paar angebliche Unstimmigkeiten mit den taiwanischen Herstellern bereinigt werden.

x86-Tablets auf der Computex 2011 (7 Bilder)

Das Elitegroup-Tablet Elitepad S10 wirkte noch mit am fertigsten aus der ganzen Oak-Trail-Reihe. Ein Lincroft Z670 steckt drin, Elitegroup gibt Windows, Android und MeeGo als Betriebssysteme an. Zwei 10-Zoll-Panels sind lieferbar, eines mit 1024 x 600 PIxel, eines mit 1366 x 768. 750 Gramm soll es wiegen. Elitegroup will nur als Produzent auftreten, das Tablet aber nicht selbst vertreiben.

Googles Android kam allerdings auf der Computex nicht gut weg. Zum Zusammenspiel von Android 3 und 7-Zoll-Tablets ließ Google die Hersteller im Regen stehen und Erklärungen stammeln, statt selbst Tatsachen zu schaffen und das Problem zu klären. Einen x86-Port von Android 3 Honeycomb zeigte Intel auf einigen Tablets, doch konkrete Ankündigungen von Herstellern fehlten.

Richtung Multimedia-Inhalten unter Android gibt es weiter nichts Neues – da sind ja die Gerüchte über ein Amazon-Tablet mit Anbindung an die Dienste des Internethändlers schon vielversprechender. Multimedia und Browsing sind übrigens zwei der wenigen Aspekte, bei denen die jetzt verfügbaren Windows-Tablets die Nase vorne haben: Alle Dateien bis auf Apples E-Books sind abspielbar, alle Bezahldienste inklusive Apple iTunes und vermutlich auch iCloud sind zugänglich, inklusive der Flash-basierten Videoverleihe. Damit steht für Tablets mit Windows 8 von Anfang an das größte Angebot an Büchern, Filme, Musik, TV-Serien und Streaming-Diensten bereit. Das iPad ist allerdings bei Magazinen und Zeitungen voraus.

Erschreckend langsam kommt die dritte x86-Betriebssystem-Alternative MeeGo auf Tablets voran. Die Oberfläche läuft einigermaßen, über den AppUp Store verliert Intel das eine oder andere Wort, aber auch hier fehlen konkrete Ankündigungen der Hersteller. Acer hat auf einer Intel-Pressekonferent ein MeeGo-Tablet gezeigt, schon auf dem eigenen Stand fehlte es aber. So sieht kein Game-Changer aus. (Auf Netbooks macht MeeGo größere Fortschritte, allerdings fällt im Umfeld meist das Stichwort "emerging markets".)

Als weiteres Betriebssystem ist manchmal Googles Chrome OS im Gespräch, aber für Tablets eignet sich das in der aktuellen Form noch nicht, nur für Notebooks.

AMDs neuer Tablet-Prozessor kommt – immerhin! – direkt in einem Tablet zum Einsatz, dem MSI Windpad 110W. Es soll 850 Gramm wiegen und bestenfalls sechs Stunden laufen, was für einen designierten iPad-Konkurrenten keine guten Werte sind. Einen Fortschritt verspricht erst die nächste Prozessorgeneration Hondo zu liefern – 2012.

Ähnlich sieht es bei Intel aus. Die versprochenen "mehr als 10" Tablets mit Oak Trail lagen tatsächlich herum, doch so richtig fertig wirkte kaum eines davon. Keines war so schlank und leicht, dass es neben dem iPad oder den Android-Tablets eine gute Figur abgibt. Immerhin waren ein paar interessante Lösungen zu sehen, vor allem das Fujitsu TH40/D mit eingebauter Tastatur und raffiniertem Klappmechanismus ähnlich dem Flybook vor fünf Jahren machte neugierig aufs Seriengerät. Das war kein Frühling der Oak-Trail-Tablets, sondern eher ein Abgesang auf sie.

Nachdem voriges Jahr alle Intel-Hoffnungen auf Oak Trail lagen, muss jetzt schon wieder der Verweis auf die Zukunft erfolgen: Medfield soll es dann richten bei den Tablets.

Also muss auch Intel auf die nächste Prozessorgeneration Medfield vertrösten. In einer Folie auf der Pressekonferez verglich Intel den Medfield schonmal in Aspekten wie Stromaufnahme und Gerätedicke mit aktuellen Tablet-Prozessoren und sah ihn dort im guten Mittelfeld. Was im Vergleich zu den Präsentationen der Vorjahre vor allem bedeutet, dass selbst Intels PR-Abteilung keine Möglichkeit mehr eingefallen ist, in die Benchmark-Ergebnisse einen Geschwindigkeitsvorteil der x86-Prozessoren hineinzuinterpretieren. Zudem erscheint Medfield erst 2012 und die ARM-Konkurrenz, allen voran Apple, dürfte bis dahin nicht untätig bleiben.

Der zukünftige Intel-Prozessor sieht im Vergleich zur aktuellen Tablet-Konkurrenz ganz gut aus.

In einer sehr interessanten Benchmark-Diskussionsrunde im kleineren Kreis ging Intel dann doch auf die Performance der Prozessoren ein und brachte gute Argumente, warum die x86-Architektur auf Tablets dann doch Vorteile gegenüber ARM hat, gerade gegenüber deren Versuchen, zwei oder vier Kerne zu integrieren, ohne die Speicherbandbreite zu erhöhen. In ein knackiges Benchmark-Ergebnis lässt sich das (noch) nicht fassen, aber Intel arbeitet daran, die "Schwuppdizität" zu messen. Immerhin freue man sich auf die ARM-Version von Windows, denn die ganzen Optimierungen würden auch dem Atom-Prozessor zugutekommen.

Als Verkaufsargument für x86 gegenüber ARM bleibt Intel daher momentan nur die Vielfalt der Betriebssysteme: Zwischen Android, Windows, MeeGo und (bei Netbooks) ChromeOS könne man wählen. Sobald Microsoft das Windows für ARM herausbringt, fällt aber auch dieses Argument weg. Android ist für ARM sogar besser aufgestellt als für x86 (beispielsweise beim NDK, dem Native Development Kit), und MeeGo gibt es auch für ARM (wenn auch nicht alle Benutzeroberflächen).

Plötzlich ist also ARM der drohende Konkurrent, und plötzlich geht alles ganz schnell: Blieb Intel nach der Vorstellung des Atom noch jahrelang bei der 45-nm-Fertigung, kam nach der Ankündigung des ARM-Windows schnell der Sinneswandel, nun wolle Intel jedes Jahr eine bessere Atom-Generation bringen. Vielleicht klappt das sogar.

Auf einer Hardware-Plattform können Android, Windows und MeeGo laufen -- für Entwickler und Hersteller spannend, aber für kaum einen Kunden ein Kaufargument.

Noch schwieriger hat es AMD im Tablet-Bereich. Leistungsfähiger bei gleicher Stromaufnahme ist AMD derzeit bei den Netbooks, aber mit dem Entwicklungsschub von Intel muss AMD erstmal mithalten – und wenn Microsoft Windows 8 auf ARM-Prozessoren wirklich flüssig zum Laufen bekommt, braucht (in diesem Marktsegment) niemand zusätzliche Performance.

Die Schlussfolgerung, dass Microsoft mit dem ARM-Windows AMD den Todesstoß gegeben hat, ist natürlich übertrieben, sie gilt bestenfalls für die Märkte, wo die Leistungsfähigkeit der ARM-Prozessoren ausreicht. Sobald es aber um 3D-Spiele, Videoschnitt, anspruchsvolle Bildbearbeitung, Programmierung und ähnliches geht, also um die klassischen Einsatzgebiete von (kräftigen) Notebooks und Desktop-PCs, haben Intel und AMD noch ein paar Jahre Ruhe.

Doch noch ist Windows 8 nicht da. Irgendwann 2012 soll es erscheinen, passend zu den besseren Tablet-Prozessoren von Intel und AMD. Bis dahin wird sich möglichweise entscheiden, wie es weiter geht: Schafft es Google, die Hauptnachteile des Tablet-Android zu beheben, als da wären wenige Apps, wenige digitale Medien und wenig Transparenz? Schaffen es gleichzeitig die Hersteller, ihre Tablets trotz gewisser Nachteile der Android-Plattform durch einen niedrigeren Preis gegenüber dem iPad schmackhaft zu machen? Beides war bei Smartphones weit einfacher zu lösen, wo Android mittlerweile die Weltmarktführerschaft übernommen hat. Interessant wird auch sein, ob die Zeitschriften- und Zeitungsverlage sich nach einer iPad-App dann eher Windows 8 oder Android 3 zuwenden.

Oder wird doch erst Windows 8 der stärkste iPad-Konkurrent – natürlich unter Voraussetzung, dass das finale Produkt die ganzen Versprechen einlösen kann, die Microsoft hier gegeben hat. Leben die alten Allianzen doch weiter, mit einem dann gestärkten Microsoft und geschwächten Intel? Kann Microsoft bis dahin genügend Entwickler um sich scheren, die Tablet-Programme schreiben? Sind mehr Hardware-Entwickler als bei Windows Phone 7 dabei, und das mit konkurrenzfähigen Preisen, anders als bei Phone 7?

Bis sich das alles geklärt hat, ist Apple mit dem iPad der unangefochtene Tablet-Marktführer mit dem besten Gesamtpaket aus Hardware, Apps und Inhalten. Offensichtlich sind die alten Allianzen doch notwendig, keiner der Verfolgergruppe scheint alleine so richtig gut zurecht zu kommen. Oder die beiden anderen Einzelkämpfer RIM (Playbook) und HP (WebOS-Tablets) trumpfen auf. (jow)