Unified Communication & Collaboration: Aus Hype wird Geschäftschance

Mit steigender Mitarbeitermobilität, dem Einsatz von Cloud-Anwendungen und sich verändernden Arbeitswelten steigt das Interesse an vereinheitlichten Plattformen für Telefonie, Videokommunikation und Zusammenarbeit.

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Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

Trends in der Kommunikation und Zusammenarbeit

(Bild: Berlecon)

Glaubt man den Marktauguren, werden deutsche Entscheider in den kommenden zwei Jahren verstärkt in ganzheitliche Lösungen für Kommunikation und Kollaboration (Unified Communication & Collaboration = UCC) investieren. "Nahezu jedes zweite Unternehmen will in diesen Bereich investieren. Bemerkenswert ist dabei, dass nahezu jedes dritte Unternehmen Ausgaben für klassische UC-Anwendungen wie Unified Messaging und CTI einplant", heißt es etwa in einer aktuellen Studie von Berlecon. Die Analysten gehen davon aus, dass die wachsende Zahl angebotener virtueller Telefonanlagen mit UCC-Anwendungen den Markt beschleunigen wird, zumal sich die Abschreibungszyklen traditioneller Telefonanlagen vielerorts ihrem Ende zuneigen. Mit ihrem Optimismus sind die Marktforscher jedoch nicht allein, denn auch die Anbieter verzeichnen bereits steigendes Interesse.

Für den durchschnittlichen Mitarbeiter gehört der Umgang mit vielen verschiedenen Kommunikationsmitteln zum Arbeitsalltag. Endgeräte wie Smartphone, PDA, Voice-Box, Fax, Desktop-PCs, Notebooks, iPads, VoIP und selbst Videokonferenzsysteme sind fast überall im Einsatz – das jedoch häufig noch als parallel verfügbare Anwendungs-Inseln, deren Fülle die Mitarbeiter überfordern und die daher oft ungenutzt bleiben. Und so klingen hochintegrierte UCC-Lösungen für Unternehmen auch attraktiv, weil sie alle verfügbaren Kommunikationskanäle auf einer einheitlichen Plattform zusammenfassen und eine firmenübergreifende Zusammenarbeit ohne Medienbrüche ermöglichen: Der persönliche Austausch per VoIP, Video, Chat oder Messenger, der Wissenstransfer und die Zusammenarbeit finden in gesicherten virtuellen Bereichen statt, wobei die Nutzer jeweils nur auf die Daten und Informationen zugreifen dürfen, die von der IT-Abteilung für den Einzelnen frei gegeben sind.

Investitionspläne in Sachen UCC

(Bild: Berlecon)

Der Trend zum "bring your own xx", also der Einsatz privater Endgeräte und Anwendungen für Arbeitszwecke, der vor einigen Wochen im Zusammenhang mit der Unisys-Studie "Consumerization of IT" als neu durch die Medien geisterte, ist in vielen Unternehmen bereits angekommen. Derzeit setzen sich IT-Verantwortliche landauf und landab damit auseinander, wie sie die Netzwerke für all die iPads/Tablet PCs, Smartphones und privaten Note- und Netbooks ihrer Mitarbeiter öffnen und die Techniken der sozialen Netzwerke integrieren können.

"Die große Herausforderung, etwa für Versicherungen und andere Unternehmen mit großen, verteilten Vertriebsnetzen, besteht darin, künftig eine Vielzahl verschiedener Endgeräte zu koordinieren", bestätigt auch Jörg Hesske, Deutschland-Chef des Virtualisierungs- und Cloudspezialisten VMware.

Wenn die Analysten von Gartner Recht behalten, werden bereits im Jahr 2014 knapp 90 Prozent aller Unternehmen die privaten Endgeräte ihrer Mitarbeiter nicht nur technisch sondern auch finanziell unterstützen. Wie viel Geld sich konkret einsparen lässt, wenn man große Teile seiner Infrastruktur und Anwendungen in die Cloud verlegt und den Mitarbeitern einen jährlichen Zuschuss zu ihren privat angeschafften Geräten gibt, statt sie traditionell mit weitgehend einheitlicher Hard- und Software auszustatten, bleibt abzuwarten. Bei internationalen Konzernen jedenfalls könnten so jährliche Einsparungen in mehrstelliger Millionenhöhe zusammen kommen, schätzt man etwa bei Lufthansa Systems.

Ziele beim Einsatz von UCC

(Bild: Berlecon)

Auch jenseits der großen Konzerne und Personalberatungen setzt sich langsam eine Erkenntnis durch: Wer beim Wettbewerb um (Nachwuchs-)Talente punkten will, sollte sich davon verabschieden, seinen Mitarbeitern Geräte und Anwendungen vorzuschreiben, die weder intuitiv und komfortabel zu bedienen sind, noch umfassende virtuelle Vernetzung mit Kollegen, Kunden, Partnern und soziale Netzwerken ermöglichen.

Jüngere Mitarbeiter, die mit dem Internet und sozialen Netzen aufgewachsen sind, haben kein Verständnis für traditionelle IT-Abschottungsstrategien und Arbeitsweisen. "Den nachrückenden Generationen kann man mit antiquierten Sicherheitserwägungen nicht mehr kommen. Ihre Smartphones können meistens mehr als der durchschnittliche PC im Unternehmen und das ohne Firewalls und 16 verschiedene Passwörter. Hinzu kommt, dass ihnen Wissenssilos und Bunkermentalität fremd sind", so die Erfahrung von JP Rangaswami, Chief Technologist bei salesforce.com.

Wechselnde Team-Zusammensetzungen und der zunehmende Einsatz freiberuflicher und/oder aushäusig aktiver Mitarbeiter sind ein weiterer Grund für das steigende Interesse an Lösungen, die Sprach- und Bildtelefonie mit Collaboration-Lösungen verbinden, die man zusammenfassend als "Facebook fürs Unternehmen" beschreiben könnte.

Für den einzelnen Anwender besteht eine ganzheitliche UCC-Lösung, wie sie etwa T-Systems und Microsoft seit geraumer Zeit propagieren, typischerweise aus einer Nutzeroberfläche, auf der sich die Anwender nebst ihrer aktuellen Projekte präsentieren. Unter oder neben den detaillierten Profilen befinden sich die verschiedenen Kommunikations-Optionen und der so genannte Präsenzstatus. Dieser zeigt an, ob und auf welchem Kanal (Festnetz, mobil, Chat etc.) die KollegInnen, Lieferanten, Kunden, oder virtuelle Teampartner gerade erreichbar sind. Im virtuellen Projektraum lassen sich Dokumente aufziehen und gemeinsam bearbeiten, wobei eine Art Wiki-Modus greift, der sicherstellt, dass frühere Versionen nicht verloren gehen. Bei Bedarf kann man von Chat auf Sprache/Telefonie wechseln, oder Video/Webkonferenz umschalten und weitere Personen hinzuholen...

Erfolge beim Einsatz von UCC

(Bild: Berlecon)

Für die verschiedenen Anwendungen kann der Mitarbeiter mittlerweile häufig auf eine Art firmeneigenen App-Shop zugreifen. Wer was wo sieht und welche Anwendungen die einzelnen Nutzer verwenden dürfen, regelt jedoch nach wie vor die IT-Abteilung. Sie bleibt in Kontrolle, auch wenn die Arbeitsoberflächen und Programme aus der Cloud kommen und die Speicherung der Daten in einem gesicherten Rechenzentrum und nicht auf Endgeräten stattfindet. Soviel zur Theorie.

Die vier Grundthemen, mit denen sich Unternehmen vor der Einführung von UCC unbedingt befassen müssen sind Sicherheit, Infrastruktur, Anwendungsvereinheitlichung und Prozessanpassung.

Bisher jedoch fehlt es fast überall noch an einem Gesamtkonzept und einer (Sicherheits-)Systematik, die all die heterogenen Endgeräte, Kommunikationskanäle und Medien bruchlos integriert und das Ganze für die unternehmensinterne IT kontroll- und steuerbar macht. Aber auch auf Seiten der Anbieter tut man sich noch schwer damit, Definitionen und Standards für die stationäre und mobile UCC zu setzen.

Während die Anbieterversprechen wieder einmal auf Sorglospakete abheben, gibt es in der Praxis viele Klagen über die Unverträglichkeit der Einzelprodukte, die mit UCC vereinheitlicht werden sollen. Es hapert bei der Integration und Interoperabilität, vor allem – aber nicht nur – wenn es um Lösungen 'fremder' Anbieter geht, ganz zu schweigen von der Anwendungs- und Datensicherheit.

Aus der Box geht hier kaum etwas und daraus ergeben sich Chancen für den IT- und TK-Handel: Bei der Konzeption und Umsetzung ihrer UCC brauchen die Unternehmen intensive Beratung auf allen Ebenen, komplexe Integrationsleistungen und Services. Schließlich geht es beim Einsatz von UCC nicht um punktuelle Verbesserungen des Workflow, sondern um möglicherweise tiefgreifende Veränderungen der Arbeitsabläufe und Geschäftsprozesse beim Kunden.

Die wichtigste Frage für den externen ITK-Fachmann ist also, wie sich die bestehende, heterogene ITK-Landschaft seines Kunden mit UCC in Einklang bringen lässt, ob und wie UCC überhaupt zu den Prozessen passt und in welchen Workflows die Kommunikation und der Wissensaustausch besonders wichtig sind.

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Herausforderungen bei der Einführung von UCC

  • Infrastruktur und Integration von heterogenen Consumer-Technologien
  • Cloud-basierte Datenbereitstellung, Zugriffsrechte, Datensicherheit, Anbindung an soziale Netzwerke
  • Einfach bedienbare, intuitive, einladende Benutzeroberflächen
  • Anbindung an Content Management, Business Intelligence, Datenbanken...
  • Anwendungsvereinheitlichung, Prozessanpassung
  • Security, Bedrohungsabwehr, Schutz kritischer Daten, Vermeidung von Identitätsdiebstahl, Compliance...

Ein denkbarer Weg dabei: Aufsetzen auf Standardlösungen wie etwa Microsoft Sharepoint und dann via Cloud ermöglichen, dass alle Beteiligten unabhängig von IT-Infrastruktur und individuellem Endgerät auf derselben Oberfläche unterwegs sind. Der Zugang erfolgt durch eine spezielle Authentifikation (z.B. PIN, Code-Kombinationen oder Chip). Von der Oberfläche aus klicken sich die Nutzer dann in geschützte, virtuelle Projekträume, wo sie auf allen verfügbaren Sprach-, Schrift- und Videokanälen kommunizieren, Online-Konferenzen abhalten und in Echtzeit gemeinsam an Entwürfen, Plänen und sonstigen Dokumenten arbeiten können.

Mittelfristig werden sich Unternehmen der Einbindung privater Endgeräte und sozialer Medien ebenso wenig verschließen können wie der "Collaboration" auf breiter Front. Davon ist auch Eddie Wakelam, Vice President Application Modernization und Outsourcing Services bei Unisys, überzeugt: "Unternehmen können es sich nicht erlauben, diesen Trend zu ignorieren. Mit strikten Vorschriften dagegen anzugehen, wird nicht ausreichen, ihn aufzuhalten. Stattdessen sollten Unternehmen versuchen zu gewährleisten, dass ihre Arbeitnehmer Zugriff auf die Daten bekommen, die sie brauchen, ohne dabei ein Sicherheitsrisiko eingehen zu müssen."

Grundsätzlich werden die Zielgruppen für UCC also immer breiter, denn interessant ist das Ganze nicht nur für internationale Konzerne oder große Versicherer, sondern auch für öffentliche Einrichtungen, Behörden und im Grunde jedes Unternehmen, das eng vernetzt mit Ansprechpartnern an unterschiedlichen Standorten arbeiten muss. Sich im Themenfeld UCC fit zu machen, könnte sich für den klassischen TK-Fachmann also ebenso lohnen wie für IT-Reseller und Dienstleister. (map)
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