Mit der Brennstoffzelle durch Seoul

Während die Öffentlichkeit sich noch auf die Frage konzentriert, ob Elektroautos ein Hit werden, basteln einige Autohersteller mit Hochdruck an Wasserstoffantrieben. Ganz vorne dabei ist Hyundai aus Südkorea.

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Von
  • Martin Kölling

Während die Öffentlichkeit sich noch auf die Frage konzentriert, ob Elektroautos ein Hit werden, basteln einige Autohersteller mit Hochdruck an Wasserstoffantrieben. Ganz vorne dabei ist Hyundai aus Südkorea.

Ich gebe zu, die Überschrift ist ein wenig irreführend. Ich bin wirklich einen der Prototypen eines dieser Brennstoffzellenautos gefahren, die ab 2014 oder 2015 auf den Markt kommen sollen. Aber es war nicht ganz in Seoul, sondern auf dem Gelände des Brennstoffzellenentwicklungszentrums des südkoreanischen Autoherstellers Hyundai, das unweit von Seoul am Waldrand liegt. Denn ich habe keinen internationalen Führerschein, der es mir erlaubt hätte, auch als Besucher eine längere Ausfahrt auf Koreas öffentlichen Straßen zu unternehmen.

Aber der Eindruck der Testrunden entsprach meiner Probefahrt mit Hondas Brennstoffzellenauto FCX Clarity vor drei Jahren: Solche Fahrzeuge werden kommen. Zum einen scheint die Technik reif. Zum anderen lieben die Autohersteller sie sehr, da Brennstoffzellen in Komplexität und Entwicklungskosten dem traditionellen Motor am nächsten kommen und damit im Gegensatz zu Elektroautos die Markteintrittsbarrieren für Neueinsteiger hoch legen.

Wie sehr die Hersteller die Technik mögen, hat kürzlich Daimler bewiesen, als die Schwaben den Beginn der Großserienproduktion von Brennstoffzellenautos um ein Jahr auf 2014 vorgezogen haben. Was die meisten Menschen allerdings nicht wissen: Hyundai Motor, der vergleichsweise junge Herausforderer aus Südkorea, ist bei dem Rennen um den Wasserstoffantrieb ganz vorn mit dabei. Dabei gehen die Koreaner interessanterweise einige Sonderwege. Den Stolz auf die eigene Leistung merkt man ihnen dabei an.

Bei Brennstoffzellen war Hyundai ein Spätstarter, gesteht Kim Sae-hoon, einer von Hyundais führenden Forschern. Erst 1998 begann das Unternehmen das Brennstoffzellenprojekt. Für den ersten Testwagen im Jahr 2000 mussten die Koreaner sich sogar eine Brennstoffzelle vom amerikanischen Hersteller UTC kaufen, weil der eigene, 10 kW starke Prototyp nicht ausreichte, um genügend Vortrieb zu leisten. 2004 begann Hyundai mit der Entwicklung eines eigenen Modells. 2006 war es fahrbereit und 2007 hatte es die gewünschte Leistung von 100 kW, so viel wie der heutige Prototyp, der auf dem SUV iX35 basiert. Mehr als 100 Autos wurden bereits zusammengesetzt. Zwischen 2012 und 2014 soll die Produktion auf insgesamt 2000 Wagen erhöht werden. 2015 will der Konzern dann mit der Massenproduktion (sprich: mehrere Tausend Autos pro Jahr) starten – wie die meisten seiner Konkurrenten.

Die Entwicklungsziele sind klar: Der Wagen soll 100 kW und 160 km/h Spitze leisten sowie mit einer Wasserstofffüllung im 700 Bar-Drucktank 650 km (im US-Testzyklus) weit fahren. In der Realität wären es wohl 20 Prozent weniger, sagt Kim. Derzeit beträgt die Reichweite 500 km. Klar ist auch, dass Hyundai und Co. anfangs nicht den Massenmarkt anpeilen werden. Alle Hersteller würden Einstiegspreise ab 50.000 US-Dollar einplanen, so Kim. Dass sie die Ziele erreichen werden, bezweifeln die Koreaner nicht. Bei der Sicherheit sind sie jetzt schon zufrieden: Bei einem Crash-Test (Auffahrunfall von hinten, 80 km/h, 20 Prozent versetzt) sei an den Hochdrucktanks und den Leitungen kein Wasserstoffleck aufgetreten. Auch abgefackelt haben die Ingenieure ihre Modelle bereits. Und sie zeigen ihre Daten und Fotos von dem Versuch gerne, um ihre Zuversicht zu beweisen. "Fragen Sie mal die anderen Hersteller, ob die Ihnen solche Daten geben", sagt Kim. Ein normaler Benziner ist demnach nach 40 Minuten explodiert. Der Wasserstofftank hat dagegen nach 22 Minuten das Ablassventil betätigt, wonach eine mehrere Meter hohe Stichflamme emporschoss. Die war aber immer noch kleiner als die von Gastanks der gasgetriebenen koreanischen Taxis.

Für die Brennstoffzelle selbst setzen die Koreaner auf eigene Rezepte. Zum Beispiel beim Druck, mit dem Luft in die Brennstoffzelle geführt wird. Viele Hersteller verwenden Druckluft. Dies verschafft der Brennstoffzelle eine höhere Leistungsdichte. Aber rund 10 Prozent ihrer Energie gehen für das Druckluftsystem drauf, sagt Kim. Hyundais Brennstoffzelle arbeitet bei Umgebungsdruck. Das senkt den Wasserstoffverbrauch und das Geräuschniveau der Brennstoffzelle, aber sei schwerer zu kontrollieren und zeitige eine höhere Betriebstemperatur. Beim Antrieb setzt Hyundai darauf, selbst beim Beschleunigen einen Großteil der Energie direkt aus der Brennstoffzelle zu ziehen und nicht aus der Batterie. Andere Hersteller setzen auf die Batterie, um die Brennstoffzelle, die gerne auch als chemische Fabrik beschrieben wird, möglichst gleichmäßig und damit effizient betreiben zu können.

Und dann ist da noch die Konstruktion: Hyundais Ingenieure wollen die Brennstoffzelle nicht wie einige der Rivalen elegant im Unterboden verschwinden lassen, sondern wie bisher unter der Motorhaube. Damit verschenkt der Konzern zwar gestalterische Möglichkeiten, aber spart Geld. Denn bei der Unterbodenlösung müssten für jedes Modell die Brennstoffzellen neu entworfen werden. Außerdem seien neue Produktionsstraßen notwendig. Hyundai kann hingegen für die ersten Jahre die neuen Autos auf alten Produktionslinien bauen. Erst wenn mehr Masse erreicht ist, soll in eine eigene Linie investiert werden.

Ein interessanter Nebenaspekt ist Hyundais Ansatz für Busse. Bisher hat das Unternehmen seine Busse von einer eigens entwickelten 240 kW-Brennstoffzelle antreiben lassen. Doch nun kombiniert Südkoreas führender Autobauer drei 100 kW-Zellen. Das senkt nicht nur die Produktionskosten, sondern erhöht auch die Zuverlässigkeit der Busse. Die können auch dann noch (etwas) fahren, wenn eine Zelle ausfallen sollte.

Eine gewisse Ironie bergen Hyundais Markterwartungen. Der Betrieb bei Kälte galt lange als Schwachpunkt der Brennstoffzellen. Doch Hyundai geht derzeit davon aus, dass die kalten skandinavischen Länder anfangs der wichtigste Markt werden dürften – weil die Regierungen heiß auf saubere Autos sind. Die hohen Subventionen machten die Region sehr attraktiv als Anfangsmarkt, sagt Lim Tae-won, Direktor der Brennstoffzellenentwicklung. Deutschland sei hingegen ein schwieriger Markt, weil die Subventionen niedriger seien.

Wie dem auch sei, ich bin immer noch gespannt, welche Technik letztlich das Rennen machen und welche Marktverschiebungen es geben wird. Werden die Städte immer stärker von batterieelektrischen und billigen Leichtautos dominiert werden, der Automarkt also zerfallen in ein Kurz- und ein benzin- oder wasserstoffgetriebenes Langstreckensegment, Autos für Industrie- und für Schwellenländer? Verhelfen die batterieelektrischen Autos neuen Unternehmen zum Markteinstieg? Oder werden die alten Autokonzerne mit Hilfe der Brennstoffzelle ihren Macht behaupten können? Das Schöne an der Unsicherheit ist, dass wir alle noch recht lange spekulieren können. Wer Recht hat, wird sich erst nach vielen Jahren zeigen. (bsc)