IBM spendet 500 Patente für Open-Source-Nutzung

Der Computergigant will mit der "radikalen Idee" die Welt der freien Software vor kostspieligen juristischen Auseinandersetzung bewahren, doch Softwarepatentgegner beklagen eine "billige Effekthascherei".

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Der Computergigant IBM will die Verwendung freier Software wie Linux weiter fördern und Open-Source-Entwickler sowie -Anwender von kostspieligen juristischen Auseinandersetzungen bewahren. Dazu hat Big Blue am heutigen Dienstag 500 seiner rund 10.000 US-amerikanischen Patente sowie deren internationale Pendants zur freien Nutzung unter Open-Source-Lizenzen, die auf der Website der Open Source Initiative gelistet sind, zur Verfügung gestellt. In einer "rechtlich bindenden" Versicherung garantiert IBM, dass der Einsatz der patentierten Codezeilen und Erfindungen im Rahmen von Open-Source-Projekten kostenfrei ist und nicht als Verstoß gegen das geistige Eigentums des US-Konzerns angesehen wird.

Gleichzeitig listet IBM in dem "Garantieschein" auf knapp 20 Seiten sämtliche Patente auf, die zur freien Nutzung unter Open-Source-Lizenzen zur Verfügung stehen. Die davon erfasste Palette ist breit gefächert und reicht von Schnittstellen über Datenverarbeitungsmechanismen, Bild- und Videoverarbeitung sowie Zugangskontrolltechniken bis hin zum E-Commerce. IBM-Vizepräsident John Kelly hält das Nichtangriffs-Gelöbnis für eine "radikale Idee" und hofft auf viele Nachfolger. Das Versprechen wird seiner Ansicht nach die für die Open-Source-Entwicklung typische Zusammenarbeit unter Programmierern weiter stärken.

Ganz neu ist der Gedanke, freie Software von Patentansprüchen mehr oder weniger global auszunehmen, allerdings nicht. Er stand bereits im Vordergrund eines Gutachtens der Berliner Forschungsgruppe Internet Governance aus dem Jahr 2000. Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) lehnte das Open-Source-Privilegium damals aber entschieden ab, da die Problematik trivialer Patente die gesamte Softwareindustrie bedrohe.

Auch auf den neuen Vorstoß reagiert die Open-Source-Welt zwiespältig. Stuart Cohen, Chef des Open Source Development Labs (OSDL), begrüßt laut US-Medienberichten die IBM-Initiative und hofft darauf, dass nun auch andere Größen im Softwaremarkt zehntausende Patente in eine Art "Allmende" stecken. Zu den Unterstützern seiner Institution, an der auch Linux-Vater Linus Torvalds arbeitet, gehört auch Big Blue.

Florian Müller, Manager der Kampagne NoSoftwarePatents.com, hält IBMs Patentfreigabe dagegen für "Augenwischerei und billige Effekthascherei". Das "substanzlose Nichtangriffsversprechen" beziehe sich nur auf "ein Prozent des weltweiten IBM-Patentbestandes". Es handle sich also um "ein Almosen, das noch nicht einmal im Skontobereich liegt." Schwerer wiegt laut Müller aber, dass sich IBM in Europa als "eine treibende Kraft hinter der ständigen Ausweitung der Patentierung von Software" im Rahmen des Kampfs um die EU-Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" erwiesen habe.

"Wenn IBM sich hier schon als nachweihnachtlicher Wohltäter profilieren will", betont Müller, "dann sollten erstmal das aggressive Patentlobbying von IBM und das schamlose Abkassieren von Mittelständlern durch die IBM-'Patentsteuer' unterbleiben." Kritiker weisen zudem auf praktische Schwierigkeiten hin, wenn die freigegebenen Patente zunächst in einer Open-Source-Umgebung verwendet werden, auf der wiederum kommerzielle Produkte aufsetzen.

IBM ist seit Jahren Patentweltmeister und sitzt auf rund 40.000 derartigen internationalen Patentansprüchen. Allein 2004 kamen der Firma zufolge 3.248 neue Patente dazu. Gleichzeitig setzt Big Blue allerdings vehement auf Open-Source-Software und Linux, um sich im Softwaremarkt vor allem gegenüber Microsoft Vorteile zu erkämpfen. Software, die im offenen Quellcode vorliegt und frei weitergegeben und modifiziert werden kann, ist jedoch in jüngster Zeit etwa von Firmen wie SCO unter Beschuss gekommen. Entwickler wie Anwender sind in aufreibende Gerichtsstreitigkeiten verwickelt. Längst gelten Softwarepatente auch als Waffe Microsofts gegen die unerwünschte Konkurrenz durch Linux und Co. Angriffsflächen bieten sich dabei laut der Versicherungsgesellschaft Open Source Risk Management zahlreiche, was beispielsweise die Münchner LiMux-Migration bereits zeitweise in die Bredouille gebracht hat.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)