EU-Parlament debattiert über Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten

Der britische Innenminister Charles Clarke will im Namen des EU-Rates an seinem Anti-Terrorkurs mit verstärkter Überwachung festhalten, doch einen Großteil der Parlamentarier konnte er nicht überzeugen.

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Der britische Innenminister Charles Clarke will im Namen des EU-Rates an seinem umstrittenen Anti-Terrorkurs und einer Verstärkung von Überwachungsmaßnahmen in der EU festhalten. So forderte er in einer dreieinhalbstündigen Plenardebatte im EU-Parlament in Straßburg am heutigen Mittwoch erneut einen verbesserten internationalen Austausch von Flugpassagierdaten, die Aufrüstung aller europäischer Ausweisdokumente und Visa mit biometrischen Merkmalen, den raschen Ausbau des Schengen-Informationssystems sowie die pauschale Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten. Um Terroristen vor geplanten Anschlägen stoppen zu können, müssten Polizei und Geheimdienste ein klares Bild über die Kommunikationsstränge der Kriminellen haben und die Menschen- sowie Bürgerrechte im Zweifelsfall zurückstehen, begründete der Labour-Politiker den EU-Anti-Terroraktionsplan des Ministerrates.

Viele Abgeordnete quer durch alle Parteien stellten aber insbesondere die geplante Vorratsdatenspeicherung in Frage, bei der es um die Aufbewahrung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten für einen Zeitraum zwischen sechs und 48 Monaten geht, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, E-Mailen, SMS-Versand, Surfen, Chatten oder Filesharing anfallen. Diese Maßnahme sei keineswegs unabdingbar, betonte der griechische Sozialist Stavros Lambrinidis, da die Terroristen sich rasch auf sie einstellen und ihren Informationsaustausch verstecken oder über öffentliche Telekommunikationseinrichtungen abwickeln würden. Der Vorsitzende der Liberalen, Graham Watson, bezeichnete den bisherigen EU-Ansatz als "unangemessen und kurzsichtig". Als Folge der Handlungen einiger Fanatiker dürfe nicht die gesamte Bevölkerung unter Beobachtung gestellt werden.

Die niederländische Sozialdemokratin Edith Mastenbroek war sich mit Herbert Reul von der CDU einig, dass die Vertreter des EU-Rates und der -Kommission zunächst genauer nachweisen müssen, dass die umstrittenen Maßnahmen erforderlich sind. Clarke habe zwar einzelne Beispiele gegeben, in denen eine Vorratsdatenspeicherung Früchte getragen habe. Damit sei die Pauschalüberwachung aber nicht zu rechtfertigen. Auch sein Parteikollege Elmar Brok setzte sich dafür ein, "nicht immer nur an der Schraube der Inneren Sicherheit zu drehen". Es seien bereits zahlreiche Anti-Terrormaßnahmen in den vergangenen Jahren beschlossen, von den Mitgliedsstaaten aber nur mangelhaft umgesetzt worden. Mehrere grüne Parlamentarier sprachen sich ebenfalls gegen einen Ausbau des "Polizeistaates" aus, während einzelne Vertreter von Liberalen, Sozialisten und der christdemokratischen Volkspartei auch für Clarke und die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung plädierten.

EU-Justizkommissar Franco Frattini, der für den 21. September eine fertige Version für einen Vorschlag der Kommission zur Massenspeicherung der Telekommunikationsdaten plant, will gewährleisten, dass nur gezielte Daten in Zusammenhang mit Terrorismus oder anderen Kapitalverbrechen gespeichert werden. Sein Arbeitsentwurf hat bei Datenschützern allerdings schon herbe Enttäuschung ausgelöst. Alexander Alvaro, der EU-Berichterstatter zur Vorratsdatenspeicherung, sieht schon in der Vorlage eines Richtlinienentwurfs der Kommission dagegen einen "Etappensieg", da im Rahmen eines solchen Gesetzgebungsverfahrens das Parlament im Unterschied zu einem Ratsbeschluss ein Mitspracherecht hat.

Sollten die Innnenminister trotzdem auf ihrer morgen beginnenden Tagung in Newcastle weiter an einer eigenen Vorlage für die umstrittene Überwachungsmaßnahme festhalten, würden sie eine "inter-institutionelle Krise" riskieren. Kompromissbereitschaft zeichnet sich zumindest bei Clarke aber nicht ab: Seinen Kritikern im Parlament warf er unter anderem "Desinformation" vor. (Stefan Krempl) / (anw)