Software-Patente sind Mist

Patente auf Software sind weltfremd und nicht mehr zeitgemäß. Von ihnen profitiert nur ein kleiner Teil der Branche, während der große Rest ihnen kaum etwas entgegensetzen kann; und der Anwender der Software hat von alledem am Ende nichts.

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Von
  • Alexander von Below

Im Jahr 1997 wollte Daniel Abelow sicherstellen, dass seine Ideen von niemandem geklaut werden. Er verkaufte seine Patente an Lodsys, mit denen sich heute nicht nur Apple herumschlägt

Darüber, welche Kapriolen Lodsys seither mit den 1999 zugeteilten Patenten schlägt, berichtet Mac & i regelmäßig. Das Unternehmen verklagt auf deren Basis munter (meistens kleinere und mittlere) Entwickler von iOS-Apps und hat wohl auch schon Android-Entwickler im Visier.

Hier zeigt sich einmal mehr, warum Patente auf Software weltfremd und nicht mehr zeitgemäß sind. Es ist für kleine, mittlere und sogar große Firmen vollkommen unmöglich, sicherzustellen, dass die eigene Software keine Patente verletzt. Jeden, der etwas anderes behauptet, lade ich dazu ein, die Lodsys-Patente einmal selbst zu lesen.

Ich glaube nicht, dass irgendeiner meiner Entwickler-Kollegen hier sofort den Zusammenhang der Patente mit der von den Lodsys-Anwälten beanstandeten Funktion zum Upgrade via In-App-Purchase erkennt. Die Beschreibung der Erfindung wird normalerweise durch einen Anwalt in ziemlich unverständliches Juristenenglisch umgesetzt. Meine eigenen Softwarepatente (ich war jung und brauchte das Geld) erkenne ich in den offiziellen Anmeldungen jedenfalls kaum wieder.

Einen Anwalt mit der Prüfung sämtlicher Patente zu beauftragen, ist aber nicht nur ein finanzielles Problem. Auch ein Patentanwalt kann höchstens eine fundierte Meinung, aber keine Garantien abgeben. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass bei Patentstreitigkeiten vor Gericht schlicht derjenige gewinnt, der das meiste Geld hat.

Verkompliziert wird diese Situation dadurch, dass die verklagten Entwickler gar nicht wegen einer eigenen Leistung verklagt werden, sondern weil sie eine offiziell von Apple dokumentierte und zur Verfügung gestellte Schnittstelle verwenden. Vor der WWDC schlug ein Entwickler auf Twitter scherzhaft den Vortrag "Getting Sued By Lodsys for Beginners" vor.

Es besteht auch unter Patentanwälten Einigkeit, dass kleinere und mittlere Unternehmen diesem Patentsystem ziemlich schutzlos ausgeliefert sind. Die Anmeldung eines Patents ist für die meisten kleinen bis mittelgroßen Unternehmen zu aufwendig oder zu teuer. Meldet man aber das eigene Verfahren nicht zum Patent an, macht es vielleicht ein anderer. Für diesen Fall müsste man ebenfalls viel Zeit und Geld investieren, um fortwährend zu prüfen, ob man gegen Patente anderer verstößt. Und selbst wenn man das tut, bleibt immer noch ein Risiko, verklagt zu werden und vor Gericht den kürzeren zu ziehen.

Größere Unternehmen können Rücklagen bilden, Lizenzen oder große Patentpools erwerben – und natürlich ihre eigenen "Erfindungen" schützen. Lizenzen solcher Patentpools kann man auch anderen Firmen im Tausch gegen deren Patente anbieten. Da hierbei die reine Menge an Patenten zählt und nicht deren Wert oder Qualität, sind große Unternehmen so sehr daran interessiert, dass ihre Mitarbeiter viele Patente einreichen. Auch darüber, welche Patente Apple einreicht, berichtet Mac & i regelmäßig.

Im Fall Lodsys hat sich Apple glücklicherweise auf die Seite der Entwickler gestellt, und einige andere große Unternehmen versuchen bereits, die Lodsys-Patente für ungültig erklären zu lassen. Es bleibt zu hoffen, dass sich dieses Problem bald zur Zufriedenheit der Entwickler löst oder dass die Politik zumindest mehr Rechtssicherheit schafft. Von Software-Patenten profitiert nur ein kleiner Teil der Branche, während der große Rest ihnen kaum etwas entgegensetzen kann. Der Anwender der Software hat von alledem am Ende nichts – außer der Angst, bald gute Funktionen nur noch in einer Standardsoftware der Patentinhaber zu finden. (mst)