Wachsende Kritik an geplanter GEZ-Haushaltsabgabe

FDP und Linke richten sich in Bremen gegen die Neuausrichtung der Rundfunkgebühr. Die rot-grüne Landesregierung steht noch zum Vorhaben.

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Mitglieder der Bremer Bürgerschaftsfraktionen von FDP und Linken kritisieren die geplante Neuausrichtung der Rundfunkgebühr und die damit verknüpfte Einführung einer pauschalen Haushaltsabgabe. Die Befugnisse der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) seien bereits sehr weitreichend, erklärte der Innenexperte der Liberalen in der Bremer Bürgerschaft, Nicolas Scheidtweiler, dem Weser Kurier. Mit der von den Ministerpräsidenten schon beschlossenen erneuten Änderung des Rundfunkstaatsvertrags werde dem Datenmissbrauch nun endgültig Tür und Tor geöffnet.

Der FDP-Politiker warf dem Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) eine Verletzung der Bürgerrechte vor, weil er der Neuregelung zugestimmt habe. Die Praxis, für Rundfunk und Fernsehen Geld zu verlangen, hält Scheidtweiler für überholt. Die GEZ und der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollten seiner Ansicht nach lieber versuchen, ihre Kosten zu senken, als immer neue Möglichkeiten zu entwickeln, die Bürger zu schröpfen

Die GEZ könne durch die Novellierung ihre Kompetenzen massiv ausbauen, fürchtet auch Kristina Vogt, Medienexpertin der Linken in der Bürgerschaft. Die Behörde erhalte Zugriff auf Bestände der Einwohnermeldeämter und könne Vermieter und Verpächter für ihre Wissbegier vereinnahmen. "Die Datensammelwut des Staates erklimmt die nächste Stufe", beklagt Vogt. Mit der Neufassung und dem entsprechenden Ansatz der Haushalts- und Betriebspauschalierung würden sinnvolle Befreiungsoptionen und Nachteilsausgleiche zudem restlos abgeschafft. Insgesamt sei die Reform undemokratisch und unsozial.

Die Kritik bezieht sich hauptsächlich auf eine als "Schnüffelparagraphen" bezeichnete Klausel in dem Entwurf. Danach sollen Eigentümer oder vergleichbare Berechtigte verpflichtet werden, die Landesrundfunkanstalt über den Nutzer einer Wohnung oder Betriebsstätte zu informieren, falls dieser nicht von der Behörde selbst feststellbar sei. Thomas Stadler, Fachanwalt für IT-Recht, beurteilt diese Vorschriften ebenfalls skeptisch: Die GEZ wisse damit im Grunde immer, warum jemand eine bestimmte Wohnung verlasse.

Ein Sprecher der zuständigen Staatskanzlei Rheinland-Pfalz wies auf Anfrage von heise online Spekulationen zurück, dass der Grund des Auszuges im Detail zu nennen sei. Vielmehr gebe es Fallgruppen wie Wohnungsaufgabe, Auswanderung, Tod oder Betriebsauflösung, von denen das Zutreffende anzukreuzen sei. Keinesfalls habe man der GEZ etwa einen Auszug aufgrund der Trennung vom Partner zu offenbaren.

Der Bremer Bürgermeister Böhrnsen verteidigt das Regelwerk: Es entfalle die Notwendigkeit zum Ankauf von Adressdaten sowie der häufig kritisierte Besuch der GEZ-Kontrolleure. Außerdem müssten erhobene Daten sofort gelöscht werden, wenn sie nicht mehr erforderlich seien. Generell sei eine
Haushaltsabgabe gerechter als die bisher gerätebezogene Gebühr. Auch Carsten Werner, Medienexperte der in Bremen mitregierenden Grünen, verteidigt die Novellierung prinzipiell. Der Systemwechsel sei richtig, Forderungen nach beserem Datenschutz seien berücksichtigt worden.

Die Änderungen müssen von den Landesparlamenten noch bestätigt werden. Abgesegnet haben die Reform bisher lediglich Bayern, Berlin, Brandenburg und Hamburg. Stimmt nur ein Land gegen das Vorhaben, müssen die Verhandlungen ganz von vorn beginnen. Das Plazet aller Bürgervertretungen gilt nicht mehr als sicher, seit die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) Ende 2010 an Nordrhein-Westfalen scheiterte. (jh)