Online-Musiksynchronisation: EMI verliert gegen MP3tunes

Die Niederlage von EMI vor Gericht ist nicht nur für MP3tunes, sondern auch für andere Betreiber von Dateischließfächern bzw. Musik-Synchronisationsdiensten wie beispielsweise Google, Apple, Amazon oder Grooveshark eine frohe Botschaft.

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Nach annähernd vier Jahren ist im Verfahren von EMI gegen MP3tunes ein Urteil gefallen (07 Civ. 9931 (WHP), US District Court, Southern District of New York). EMI ist in den meisten Punkten unterlegen. In einigen Bereichen hat der Richter ein "Schnellurteil" im abgekürzten Verfahren abgelehnt. Hält EMI die Anschuldigungen aufrecht, wird hier ein vollständiges Gerichtsverfahren erforderlich. In zwei Punkten konnte sich EMI allerdings durchsetzen. Dies könnte dem Konzern Millionen einbringen. Beide Seiten können Rechtsmittel einlegen.

Am 9. November 2007 hatte EMI gemeinsam mit 14 anderen Labeln und Musikverlagen Klage gegen MP3tunes LLC sowie dessen Gründer Michael Robertson persönlich eingebracht; der umtriebige Robertson, der sich beispielsweise auch mit einer eigenen Firma an einer Linux-Distribution versuchte, hatte bereits 1997 mit MP3.com für Wirbel in der Musikbranche gesorgt – und für einige juristische Auseinandersetzungen. MP3tunes LLC betreibt ein Musikschließfach im Internet (mp3tunes.com) sowie eine Musiksuchmaschine sideload.com. Nutzer der Suchmaschine können gefundene Dateien direkt in ihr Schließfach übertragen ("sideloading"). EMI sind diese Dienste ein Dorn im Auge.

Die nun erfolgte Niederlage ist nicht nur für MP3tunes, sondern auch für andere Betreiber von Suchmaschinen und/oder Dateischließfächern bzw. Musik-Synchronisationsdiensten eine frohe Botschaft. Dazu gehören etwa Google, Amazon, Grooveshark oder Dropbox. So hieß es etwa in der Unterhaltungsbranche zum Start von Amazons Cloud Drive, ein Cloud-Dienst mit einer Streaming-Möglichkeit müsse dafür Lizenzen von den Rechteinhabern erwerben. Dies muss aber nun nach dem Urteil im Falle EMI vs. MP3Tunes verneint werden: Die Geschäftsmodelle dieser Anbieter beruhen zu einem wesentlichen Teil auf den vom Richter bestätigten Rechtsansichten von MP3tunes; sie benötigen auch keine Lizenzen der Rechteinhaber.

"Alles in allem war es ein enormer Sieg für MP3tunes und (Anbieter) wie Amazon, Google und Grooveshark", nahm Michael Robertson nach Bekanntgabe des Urteils Stellung. "Es war kein kompletter Sieg und es ist kein endgültiges Urteil. Beide Seiten können berufen und wir sind darauf vorbereitet, um das letzte eine Prozent zu kämpfen." Von EMI gibt es bislang noch keinen Kommentar.

Das Gericht hat im Sinne von MP3tunes festgestellt:

  • MP3tunes hat Rechtsverletzungen keinen Vorschub geleistet, grundsätzlich ausreichende Maßnahmen gegen illegal agierende Nutzer gesetzt, von den Rechtsverletzungen nicht profitiert und genießt daher und soweit den Schutz des Digital Millennium Copyright Act (DMCA). Damit ist der Online-Anbieter für Rechtsverletzungen seiner Kunden, von denen er nicht weiß, nicht verantwortlich. Er muss in der Regel auch keine eigenen Nachforschungen anstellen. Gleiches gilt sinngemäß für Suchmaschinen-Links auf rechtswidrige Angebote Dritter. Der Schutz des DMCA gilt entgegen der Behauptung EMIs auch für Werke aus der Zeit vor Einführung eines bundesweiten Copyrights (15. Februar 1972).
  • Die speicherschonende Deduplizierung kompletter Dateien auf dem Server ist keine Copyrightverletzung. (Das Dedpulizieren einzelner Speicherblöcke wurde nicht thematisiert.)
  • Eine Musiksuchmaschine mit direkten Links zu Musikdateien ist grundsätzlich keine Copyrightverletzung.
  • Links auf rechtswidrig verfügbare Dateien müssen nur entfernt werden, wenn die genaue URL angeführt wird. Eine exemplarische Liste mit sinngemäßem Wunsch nach Entfernung "Kopien aller weiteren Werke an denen wir Rechte haben" reicht nicht aus.
  • Das Streamen von Musik aus einem privaten Online-Schließfach ist keine öffentliche Aufführung und daher nicht lizenzpflichtig.
  • MP3tunes ist für die Nutzung der Dienste durch seine Manager, darunter Firmengründer Robertson, nicht verantwortlich. Sie hatten in ihre digitalen Schließfächern in Summe 171 EMI-Werke rechtswidrig kopiert. EMI konnte aber nicht dartun, dass die Nutzung des Musikspeichers im Auftrag des Arbeitgebers erfolgte. MP3tunes bestreitet zudem die Rechtswidrigkeit dieser Kopiervorgänge. Offenbar handelt es sich um Dateien, die EMI bewusst kostenfrei in Umlauf gebracht hatte. Sie waren in der Folge auf Drittseiten aufgetaucht, von wo sie dann kopiert wurden.

Nicht entschieden hat der Richter über die Frage, ob die Bereitstellung der Bilder von Musikalben ("Album Art") durch die Beklagte rechtmäßig ist. MP3tunes hat dafür unstrittig eine Lizenz von Amazon.com erhalten, aber möglicherweise Lizenzbedingungen verletzt. Auch der Vorwurf unlauteren Wettbewerbs steht noch im Raum. Hier ist strittig, ob MP3tunes überhaupt mit EMI in Wettbewerb steht. Für beide Themen reicht die Beweislage für ein Urteil ohne umfassendes Verfahren nicht aus.

Nach Ansicht des Richters hat Robertsons Firma jedoch einen Fehler begangen – und das könnte EMI doch noch viel Geld bescheren: Zwei EMI-Gesellschaften, die im Verfahren nicht als Kläger auftraten, hatten MP3tunes auf etwa 350 rechtswidrig im Internet kursierende Dateien hingewiesen. MP3tunes wurde aufgefordert, die entsprechenden Links von sideload.com zu entfernen und bereits auf MP3tunes "sidegeloadete" Kopien zu löschen. MP3tunes entfernte umgehend die Links, ließ von Nutzern bereits angefertigte Kopien jedoch unbehelligt.

Dies ist nach Einschätzung des Gerichts eine Beitragstäterschaft zu Urheberrechtsverletzungen. Das Argument, in den Besitz der Kunden einzugreifen sei rechtswidrig, griff beim Richter nicht. Er verwies auf die Nutzungsbedingungen von MP3tunes.com, die dem Anbieter ausdrücklich eine Sperre des Zugriffs erlauben.

Da auch Michael Robertson selbst beklagt war, stellte der Richter außerdem fest, dass Robertson für von ihm rechtswidrig "sidegeloadete" Dateien haftet. Hier wurde der Manager beurteilt wie jeder andere MP3tunes-Nutzer in den USA auch. Über die Höhe von Schadenersatz und Strafschadenersatz wurde noch nicht entschieden. US-Recht bestimmt eine Obergrenze von 150.000 Dollar je Rechtsverletzung. (jk)