Bürgerrechtler: Datenschutz kommt bei EU-Strafverfolgung unter die Räder

Laut einer Analyse der britischen Bürgerrechtsorganisation geht die zunehmende Kooperation zwischen Ermittlern in der EU auf Basis des "Prinzips der Verfügbarkeit" von Daten auf Kosten der Grundrechte.

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Die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch hat eine Analyse (PDF-Datei) veröffentlicht, wonach die zunehmende Kooperation zwischen Strafverfolgern in der EU auf Basis des "Prinzips der Verfügbarkeit" nationaler Ermittlungsdaten auf Kosten der Grundrechte geht. Derzeit würden eine Reihe übergreifender IT-Systeme aufgebaut, um den Austausch von Informationen zwischen verschiedenen Sicherheitsbehörden zu erleichtern, schreibt Statewatch-Experte Chris Jones. Während es für eine begrenzte Kooperation in diesem Bereich sicher gute Gründe gebe, unterwanderten die gegenwärtigen Versuche zu einem einfachen und systematischen Transfer großer Datenmengen eine Reihe vermeintlich von der Gemeinschaft hochgehaltene Grundrechte. Entsprechende Gesetzgebungsverfahren zeigten wenig Sensibilität für den Schutz der Privatsphäre der Bürger und seien allein auf die Wünsche von Polizei- und Justizbehörden ausgelegt.

Am weitesten gediehen sind dem Report zufolge die Arbeiten am Europäischen Strafregisterinformationssystem, die auch der EU-Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx bereits kritisiert hatte. Das European Criminal Records Information System (ECRIS) soll es Ermittlern und Staatsanwälten erlauben, Informationen aus Strafakten der Mitgliedsstaaten zu ziehen, und so etwa bei einem neuen Verfahren auf bereits frühere Verurteilungen hinweisen. Konzipiert worden sei aber ein "sehr problematisches System", schreibt Jones. Kennzeichen dafür seien "schwere Fehler beim Datenschutz, das Verlassen auf potenziell mangelhafte Maschinenübersetzungen und ein erhebliches Kontrolldefizit". Darüber hinaus habe sich die Reichweite des Registers bereits über die ursprüngliche Planung hinausbewegt.

In Planung sei zudem das Polizeisystem EPRIS (European Police Records Index System), das von Europol und einer Reihe von Mitgliedsstaaten entwickelt werde. Es solle Ermittlungsbehörden die Möglichkeit an die Hand geben, die Datenbanken jeweils anderer Pendants nach personenbezogenen Informationen zu durchforsten. Einzelne EU-Länder hätten aber bereits die Notwendigkeit des Registers und die Transparenz bei einschlägigen Beschlüssen zu seiner Errichtung hinterfragt. Hier sei höchste Wachsamkeit nötig, heißt es in der Studie.

Noch am Anfang stehen Jones zufolge die Arbeiten an einer noch weitergehenden Austauschplattform für Strafverfolgungsbehörden. Das Projekt einer "Information Exchange Platform" (IXP) setze auf einen zentralen Zugang zu allen Informationswerkzeugen und Datenbanken der europäischen Ermittler und zugehöriger Ämter. Eine entsprechende Empfehlung des Generalsekretariats des EU-Rates als zugriffsberechtigte Instanz deute auf einen deutlichen Wandel in der Art und Weise hin, in der Akten über Verdächtige und Verurteilte verbreitet würden und wem sie zur Verfügung stünden. Auch dieses Projekt müsse gemeinsam mit den beiden anderen Vorhaben unter Beobachtung gestellt werden, wozu Statewatch eine eigene Website freigeschaltet hat. (vbr)