Neuer Appell zur Verkürzung der Schutzfristen beim Urheberrecht

Auf einer netzpolitischen Konferenz der Linken herrschte weitgehend Einigkeit, dass das derzeitige Modell zur Entlohnung Kreativer und zur Förderung von Innovationen kein zukunftsträchtiges Instrument ist.

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Auf der Konferenz "Netz für alle" der Bundestagsfraktion der Linken und der Rosa-Luxemburg-Stiftung herrschte weitgehend Einigkeit, dass das derzeitige Modell zur Entlohnung Kreativer und zur Förderung von Innovationen mit dem Internet und dem digitalen Zeitalter nicht vereinbar ist.

"Das Urheberrecht ist kein zukunftsträchtiges Instrument, um Zugang zu Informationen zu regeln", erklärte Jeanette Hofmann vom Wissenschaftszentrum Berlin auf dem Kongress am Samstag in Berlin. Eine Systemänderung lasse sich gegen die Industrie zwar nur langfristig erreichen. Bis dahin könnten aber Abo-Modelle, wie sie der Streaming-Dienst Spotify in einigen Ländern bereits anbiete, für eine größere Nutzung von Werken sorgen und so eine Schwachstelle des Urheberrechts abdecken.

Eigentlich Ziel muss es nach Ansicht der Netzforscherin sein, internationale Copyright-Verträge in Richtung mehr Nutzungsfreiheiten umzuschreiben. Entsprechende Abkommen entzögen Prozesse der demokratischen Selbstgestaltung und seien so generell kritisch zu sehen. Bauchschmerzen bereiten der Politologin zudem neue Angebote wie Google Books, hinter denen ein allgemeines Wirtschaftsmodell stehe. So würden aus Büchern oder Musik letztlich Dienstleistungen, die durch Lizenzverträge geregelt seien. Bisher sei es Sache des Käufers gewesen, was er mit einem erstandenen Werk mache. Künftig kontrolliere und überwache ein neues Regime auf Basis der Lizenzvereinbarungen das Nutzungsverhalten jedes Einzelnen bis ins letzte Detail hinein. Wenn man etwa nur 20 Seiten eines Buchs lesen dürfe, müssten dafür ständig Daten über die Anwendung des Werks gespeichert werden.

Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs (CCC), monierte, dass sich in der Debatte um das "geistige Eigentum" seit zehn Jahren wenig getan habe. Dem Hackerverein sei es daher mit seinem Vorstoß zur Einführung einer "Kulturwertmark" vor allem darum gegangen, den Stellungskrieg zwischen Abmahnwahn und " Kulturflatrate" zur vollständigen Legalisierung von Filesharing zu beenden. Der Vorschlag, der auf einer Kombination eines Subskriptionsmodells und Micropayments aufbaue, sei nicht nur positiv aufgenommen worden, räumte die Informatikerin ein. Der Club sei jetzt aber "eine Version weiter" und bei der laufenden Überarbeitung des Konzepts werde nicht nur der Name geändert. Die Hacker seien auch dabei, die technische Verwirklichung des Konzepts konkret anzugehen.

Kern des Übels beim jetzigen Copyright sind für Kurz die langen, bisher immer nur weiter ausgedehnten Schutzfristen, die für die digitale Welt nicht akzeptabel seien. Wenn die Netzgemeinde hier eine Verkürzung hinbekomme, "hätten wir eine echte Revolution", spann die Hackerin ihren Gedanken weiter. Alle "progressiven Modelle" zur Reform des Urheberrechts hätten diese Flanke im Blick. Es sei daher nötig, immer wieder eine reduzierte Schutzdauer zu fordern. Die Weichen in Brüssel werden derzeit aber noch genau in die andere Richtung gestellt: Auf der Agenda steht dort eine Verlängerung der Schutzfristen für Musikkünstler von 50 auf 70 Jahre.

Auf den Gesetzgeber könne sich die Gesellschaft nicht verlassen, dass ein fairer Interessensausgleich zwischen Kreativen, Verwertern und Nutzern geschaffen werde, beklagte John Weitzmann von Creative Commons (CC) Deutschland. Es sei daher Eigeninitiative der Netzbürger gefragt ­ und sei es "mit den Füßen", also den Formen der eigenen Verwendung von Werken. CC-Lizenzen bezeichnete er als eine Variante, um mit dem Urheberrecht umzugehen. Damit würden nicht schier alle Rechte den Verwertern vorbehalten; vielmehr werde ein " Alternativstandard" für die Nutzer etabliert. Als "landläufigen Irrtum" bezeichnete es Weitzmann, dass Creative Commons nur für nicht-kommerzielle Vorhaben taugten: Es handle sich dabei um ein Werkzeug, das verschieden eingesetzt werden könne. Weltweit werde die Zahl der Werke, die unter einer CC-Lizenz stünden, auf eine Größe "zwischen 440 und 600 Millionen" geschätzt. Bedauerlich sei, dass gegen die Ausbreitung solcher Formen unter anderem von Verwertungsgesellschaften "massiv Propaganda" betrieben werde.

Die Umbrüche seien "mit ziemlich viel kreativer Zerstörung verbunden", befand Max Senges von der Google-Denkfabrik Collaboratory. Dies führe zu Problemen mit den "bisherigen Content-Produzenten". Dabei böte auch die neue Welt kommerzielle Möglichkeiten. Wenn Schulbücher etwa als "Open Content" frei zur Verfügung gestellt würden, könnten die Verlage durch die Pflege und Weiterentwicklung des Lehrmaterials nach wie vor Geld verdienen. Vertreter unabhängiger Musiklabels gaben dagegen zu bedenken, dass mit solchen Ansätzen der Schaffung neuer Werke der Boden entzogen werden könnte. Man müsse sehen, dass die Vergütung etwa bei Spotify 0,00001 Cent pro Stream betrage. Über eine Verkürzung von Schutzfristen könne man reden, solange die Durchsetzung von Urheberrechten gesichert sei.

Im Umfeld der Konferenz gründete sich eine Bundesarbeitsgruppe Linke Netzpolitik. Als Schwerpunkte des Zusammenschlusses sind neben einer umfassenden Copyright-Reform die Sicherung der Netzneutralität sowie der freien und anonymen Kommunikation im Datenraum vorgesehen. Netzsperren seien zu verhindern. Auch Themen wie die digitale Spaltung der Gesellschaft entlang von Bildung und Einkommen sowie der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sollen diskutiert und fest in der Politik der Partei verankert werden. (uk)