US-Leitlinien zur Netzneutralität können bald in Kraft treten

Eine Leitungsbehörde im Weißen Haus hat die Prinzipien der Federal Communications Commission (FCC) zur Festschreibung des offenen Internets unterzeichnet. In der EU geht der Streit um die Netzneutralität weiter.

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Eine Leitungsbehörde im Weißen Haus, das Office of Management and Budget (OMB), hat laut US-Medienberichten Ende vergangener Woche die Prinzipien der Federal Communications Commission (FCC) zur Festschreibung der Netzneutralität unterzeichnet. Das OMB ist unter anderem für die abschließende Prüfung von Gesetzen und Behördenanordnungen zuständig und erfüllt in diesem Zusammenhang ähnliche Aufgaben wie hierzulande das Bundespräsidialamt. Mit dem Stempel der Behörde steht nun nur noch die formelle Ausfertigung der Regeln zur Sicherung des offenen Internets sowie ihre Veröffentlichung im US-Bundesregister aus, damit sie in Kraft treten. Dies dauert in der Regel 1 bis 3 Wochen.

Die FCC verabschiedete ihr Rahmenwerk bereits im Dezember. Es sieht unter anderem eine Verpflichtung für Netzbetreiber vor, die Verbreitung "rechtmäßiger" Inhalte, Anwendungen und Dienste in ihren Leitungen sowie den Anschluss von Endgeräten nicht zu behindern. Eine "unangemessene Unterscheidung" zwischen Datenpaketen beim Transfer legitimen Netzverkehrs wird untersagt. Spezielle Breitband-Zusatzdienste etwa in den Bereichen E-Health oder Internet-TV sollen zunächst von der Regulierung ausgenommen und im Gegenzug genau beobachtet werden. Die Grundprinzipien gelten auch nur eingeschränkt für den Mobilfunk. Ausdrücklich dürfen aber Voice-Apps von Konkurrenten nicht blockiert werden. Die Regulierungsbehörde setzt zudem auf Transparenz: Sollten Zugangsanbieter Techniken fürs Netzwerkmanagement etwa zur Gewährleistung einer speziellen Servicequalität einsetzen, müssten sie ihre Kunden genau darüber in Kenntnis setzen.

Die verhältnismäßig lange Zeit der Begutachtung der umstrittenen FCC-Prinzipien erklärte das OMB mit bürokratischen Auflagen. Die beiden Netzbetreiber Verizon und MetroPCS hatten gegen die staatlichen Auflagen zunächst geklagt. Ein US-Berufungsgericht in Washington wies die Eingabe aber im April aus formalen Gründen zurück. Diese sei erst möglich, wenn die entsprechende Verordnung im Bundesregister eingetragen sei. In Bälde dürfte einem erneuten Einreichen der Klage also nichts mehr im Wege stehen. Verizon kündigte bereits an, diesen Schritt gehen zu wollen. Auch das von den Republikanern dominierte US-Repräsentantenhaus stimmte im Frühjahr gegen die Regeln. Die Abgeordneten bissen mit dieser Vorgabe aber im Senat, in dem die Demokraten die Mehrheit haben, sowie im Weißen Haus auf Granit.

Auch in Europa geht die Auseinandersetzung um die Netzneutralität weiter. EU-Abgeordnete aus den Reihen der SPD sind unzufrieden mit der Antwort von der für die Digitale Agenda zuständigen EU-Kommissarin Neelie Kroes auf die Anfrage zur Rechtmäßigkeit der Überwachung sämtlicher Dateninhalte durch einen Netzbetreiber. Bei der Anwendung der für bestimmte Geschäftsmodelle zu diesem Zweck eingesetzten "Deep Packet Inspection" seien "die EU-Rechtsvorschriften über die Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation" einzuhalten, erklärte die Niederländerin demnach pauschal. Für die Durchsetzung dieser Maßgaben seien "im Einzellfall" die nationalen Behörden zuständig.

Weiter teilte Kroes mit, dass sie Geschäftspraktiken, die die Offenheit des Internets untergaben, mit Argusaugen betrachte. "Andererseits sollte es aber möglich sein, neue Geschäftsmodelle für besondere Bedürfnisse der Verbraucher zu entwickeln, sofern die Nutzer über alle etwaigen Einschränkungen angemessen informiert werden", meint die Kommissarin. Der neue Rahmen zur Telecom-Regulierung enthalte bereits "verbesserte Instrumente für die Lösung von Problemen mit der Netzneutralität". Die Kommission habe auch bereits eine Studie zur Prüfung der Umsetzung der Vorgaben in Auftrag gegeben. Die Vorschriften im Telecom-Paket fallen aber recht schwach aus: Netzbetreiber müssen Kunden über eingesetzte Verfahren zum "Verkehrsmanagement" allein informieren und den Anbieterwechsel erleichtern. Vor zu starken Begrenzungen einzelner Dienste wie Filesharing oder Internet-Telefonie soll vor allem der Markt die Nutzer bewahren. Nationalen Regulierer können Mindestanforderungen an die zu erbringende Dienstequalität aufstellen.

"Die Freiheit der Datennutzung ist viel zu wichtig, als dass man alles dem Markt überlassen kann", hält der Fragesteller Matthias Groote dem entgegen. Der Sozialdemokrat forderte die Kommission auf, "jetzt tätig zu werden, um die Freiheitsrechte der Kunden dauerhaft zu sichern". Auch seine Parteikollegin Petra Kammerevert zeigte sich irritiert, "dass Frau Kroes als ehemalige Wettbewerbshüterin der EU offenbar nicht verstehen will, dass die Gewährung der Netzneutralität die Grundvoraussetzung für einen fairen Wettbewerb digitaler Angebote und Anbieter darstellt". Jeder Form von Diskriminierung im Netz sei entschieden entgegenzutreten. (jk)