Verfassungsbeschwerde gegen neues Telemediengesetz angekündigt

Die Mülheimer Journalistin und Autorin Bettina Winsemann alias Twister will wegen der Überwachungsklauseln im gerade vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur Neuordnung des Medienrechts nach Karlsruhe ziehen.

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Die Mülheimer Journalistin und Autorin Bettina Winsemann alias Twister will wegen der Überwachungsklauseln im gerade vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur Neuordnung des Medienrechts nach Karlsruhe ziehen. Die Bürgerrechtlerin sieht im neuen Telemediengesetz (TMG), das den Kern des Elektronischen Geschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetzes (ElGVG) ausmacht, einen weiteren Stein in einer Mauer von Bespitzelungsvorhaben der großen Koalition, welche "die Privatsphäre und den Datenschutz abblocken". Die Freiberuflerin hat erst vor kurzem eine Verfassungsbeschwerde auch gegen das neue Verfassungsschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen initiiert, das eine Rechtsgrundlage für verdeckte "Online-Durchsuchungen" privater Internet-PCs durch Geheimdienste schafft.

Vorgehen will Twister mit der weiteren angekündigten Verfassungsbeschwerde vor allem gegen Paragraph 14 TMG, der ihrer Ansicht nach Privaten einen direkten Auskunftsanspruch über Nutzerdaten gegenüber den Anbietern von Telemediendienste einräumt und damit den Schutz der Privatsphäre aushöhlt. "Dass Lobbyisten die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen in einem Atemzug mit den Aufgaben der Geheimdienste nennen, ist ein Skandal", empört sich die Bürgerrechtlerin. "Dass diese Formulierung nun aber Eingang in ein Gesetz findet, ist weitaus skandalöser." Damit würden sich Regierung und Parlament zum Handlanger für private Interessensvereinigungen machen.

Werner Hülsmann, Vorstand der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD), will die Beschwerde gemeinsam mit Twister führen: "Mit der beschlossenen Verwendung der Internetnutzungsdaten zur 'polizeilichen Gefahrenabwehr' und bei privatrechtlichen Auskunftsansprüchen im Urheberrechtsbereich werden Scheunentore geöffnet, ohne dass Verfahrensregelungen aufgestellt würden, die datenschutzrechtlichen Mindeststandards genügen würden", erläutert er seine Beweggründe zur Unterstützung der Klage. "Dieses Vorgehen ist verfassungsrechtlich nicht haltbar und stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Internetnutzer dar."

Die beiden Aktivisten engagieren sich auch im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung und sehen durch Gesetze dieser Art die Privatsphäre und die demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten aller Bürger in hohem Maße gefährdet. "Die gesamte Diskussions- und Informationskultur wird leiden, wenn eine unüberwachte Kommunikation kaum mehr möglich ist", gibt Twister zu bedenken. Die Bürgerrechtlerin reibt sich vor allem auch daran, dass nunmehr schon "das Herunterladen von bestimmten Informationen quasi einen Anfangsverdacht darstellen soll". Ähnliche Sorgen hatten Datenschützer bereits bei einer Anhörung zum TMG im Bundestag Mitte Dezember geäußert.

Der besonders umstrittene Absatz im Telemediengesetz sieht vor, dass die erfassten Anbieter künftig Informationen wie Name, Anschrift oder persönliche Nutzerkennungen auch für Präventionszwecke herausrücken müssen. Die Provider werden verpflichtet, "für Zwecke der Strafverfolgung, zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes oder des Militärischen Abschirmdienstes oder zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum und zur Gefahrenabwehr durch die Polizeibehörden der Länder" die entsprechenden Daten weiterzugeben. (Stefan Krempl) / (pmz)