Display für die Leselupe

Die Flat Panel Display Show in Japan erlaubt einmal mehr einen Blick in die Flüssigkristallkugel: Die Zukunft sieht superscharf und durchsichtig aus. Interessant aus deutscher Sicht: Schott greift das ultraharte Gorilla-Glas an.

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Von
  • Martin Kölling

Die Flat Panel Display Show in Japan erlaubt einmal mehr einen Blick in die Flüssigkristallkugel: Die Zukunft sieht superscharf und durchsichtig aus. Interessant aus deutscher Sicht: Schott greift das ultraharte Gorilla-Glas an.

Toshiba hat gestern auf Asiens Leitmesse für Flachbildschirme, der Flat Panel Display Show, erstmals seinen neuesten Scharfmacher gezeigt: ein 6,1-Zoll-Flüssigkristallbildschirmchen mit unglaublichen 498 ppi (Bildpunkte pro Zoll). Die Auflösung des Displays schlägt alles am Markt und auch meine Erwartungen: Apples iPhone 4S stopft bislang nur 326 ppi aufs Display. Damit kann Toshibas Bildschirm auch winzigste Schriftzeichen so scharf darstellen, dass ich schon eine Leselupe gebraucht hätte, um sie noch entziffern zu können.

Toshiba gibt damit einen Trend der Messe vor: Den zu immer höherer Auflösung. Sharp beeindruckte beispielsweise mit seinem 85-Zoll-33-Megapixel-Fernseher, dessen Bild fast schärfer als die Wirklichkeit wirkt. Auch wenn de Pixelrausch fürs Handy nur noch wenig bringt, ist es für die Displayhersteller natürlich toll, noch mehr Bildpunkte aufs Display zu quetschen. Denn damit können sie – und das ist ein weiterer Trend – 3D-Bilder ohne die bisher üblichen Brillen besser und mit höherer Auflösung zeigen. Toshiba demonstriert einige Anwendungen für Notebook- und kleine TV-Bildschirme, deren räumliche Darstellung zwar noch recht pixelig, aber eindrucksvoll ist. Ein dreidimensionaler Querschnitt durch ein Skelett inklusive Adern kann sicherlich Medizinern helfen, eine CAD-Lösung Ingenieuren. Auch kleine Spielchen und Videos wirken gut. Schnelle Bewegungen (und damit auch längere Videos) sind allerdings noch immer anstrengend fürs Gehirn.

Für mich der schönste Trend sind allerdings die neuen durchsichtigen Riesen-LCDs. Sie verwandeln traditionelle Schaufenster und Kühlschranktüren in Supermärkten in interaktive Displays, die die digitale und analoge Welt verschmelzen. Voriges Jahr hatte ich die ersten Modelle aus Südkorea von Samsung und LG gesehen. Die kamen damals und auch heute wieder mit 46-Displays daher. Aber dieses Jahr wurden sie von Taiwans AUO mit einem 65-Zoll-Touchscreen übertrumpft. Das Ding sah einfach nur Klasse aus. Allerdings dürfte es eine Kühlschranktür doch um einiges Verteuern.

Darüber hinaus gab es noch einige interessante Entwicklungen in Sachen Technik und Machtgefüge in der Displayindustrie. Auffällig war zum einen die relativ geringe Anzahl von OLED-Displays. Die ziehen zwar in immer mehr Geräte ein, aber die LCDs schlagen sich tapfer. Ein Grund mag die niedrigere Hitzeentwicklung der LCDs sein wie LG aus Südkorea demonstrierte. Ein AH-IPS-LCD des Konzerns wurde mit 36 Grad Celsius an der Glasoberfläche gemessen, das AMOLED-Display daneben mit 47 Grad Celsius. Auch im Verbrauch machen die LCDs rasante Fortschritte. Chimei Innolux aus Taiwan zeigte ein 13,3-Zoll-Display, das unter einem Watt verbraucht. Dies ist zwei Drittel weniger als bisherige Bildschirme.

Mein persönlicher Highlight war allerdings Samsungs videotaugliches Farb-Display mit geringem Stromverbrauch. Es verwendet keine elektronische Tinte wie heutige eBook-Reader, sondern das sogenannte Electrowetting. Dabei werden farbige Öltropfen durch das Anlegen von Spannung ausgerichtet. Dies hat den Vorteil, dass das Display anders als die recht statischen eBook-Reader dank Schaltzeiten von 50 Millisekunden auch Videos darstellen kann. Samsung denkt daher auch über den Einsatz dieses Displaytypen in Handys und Tablets nach.

Das ist verständlich. Zwar kann der 9,7 Zoll-Prototyp nicht mit heutigen LCDs in Sachen Bildqualität mithalten. Aber erstens spielt das Display bei Sonnenlicht wie die eBook-Reader mit ihren eInk-Displays seine Stärke aus. Während das Bild von LCDs immer schlechter wahrnehmbar wird, je stärker das Licht ist, erscheint das Farbtintendisplay umso brillanter. Zweitens ist es extrem sparsam, da es im Gegensatz zu LCD nicht hinterleuchtet wird, sondern das Umgebungslicht nutzt. Samsungs Techniker versprachen mir, dass es zumindest genauso wenig Strom wie eInk-Displays verbrauchen soll.

Darüber hinaus gab es noch zwei interessante Bewegungen in der Industrie. Der deutsche Spezialglashersteller Schott traut sich im Kampf um ultraharte Deckgläser für Handys und Tablets erstmals mit konkreten Zielvorgaben aus der Deckung. Und die sind aggressiv. In den kommenden drei Jahren will Schott mit seiner Marke "Xensation" einen Weltmarktanteil von 20 Prozent erzielen, sagte gestern der zuständige Projektmanager Lutz Grübel. "Wir erwarten einen jährlichen Umsatz in dreistelliger Millionenhöhe."

Mutige Worte. Denn Schott ist bei den stoß- und kratzfesten Deckgläsern ein Nachzügler und steht starken Rivalen gegenüber. Schotts Deckglas wird derzeit noch von den Display-Herstellern getestet. Die ersten Produkte mit dem kratz- und stoßfesten Glas sollen erst ab Anfang 2012 auf den Markt kommen. Derweil hat Marktführer Corning den Markt mit seinem Gorilla-Glas fest im Griff. Und der japanische Glashersteller Asahi Glas (AGC) genießt mit seinem Konkurrenzprodukt Dragontrail in Asien, dem Hauptmarkt für LCDs, einen Heimvorteil. Grübel war jedoch optimistisch, die Konkurrenz mit besseren inneren Werten seines Deckglases ausstechen zu können. Das Glas sei nicht nur um 20 Prozent kratz- und stoßfester als das der Konkurrenz, sagte Grübel. Es lasse sich auch 30 Prozent schneller verarbeiten. Dies ermöglicht den Herstellern, die Produktionskosten zu senken.

Der Durchbruch käme Schott gerade recht, denn der Markt für ultraharte Gläser steht vor einen massiven Expansion von kleinen zu großen Displays. Peter Bocko, Chief Technology Officer von Cornings japanischer Landesgesellschaft, verriet gestern, dass Sony seit diesem Frühjahr in einigen seiner Bravia-Flachfernsehern bereits Gorilla-Glas einsetzt. So richtig fingen seine Augen bei der Idee an zu glänzen, dass die harten Gläser bald in Informationsdisplays im Freien oder in Schulen eingesetzt werden könnten. Auch bei der Autoindustrie klopfen die Glashersteller an, sagte er.

Eine andere interessante Entwicklung auf der Messe ist, dass Taiwans Hersteller dem Augenschein nach bei der technischen Entwicklung sogar stärker zu Samsung und LG aufschließen. Ob der Eindruck der Realität entspricht oder Samsung diesmal die Karten näher an der Brust gehalten hat, kann ich nicht beurteilen. Ein ermutigendes Zeichen gab es dafür mal aus Japan: Die Display-Industrie zuckt noch wie Toshibas Stand zeigte. (bsc)