Softwarepatente: Wirbel um angeblichen Richtlinienbeschluss im Agrarrat

Aus dem Büro der Landwirtschaftsministerin kam die Aussage, der Standpunkt des EU-Rates zur Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" solle am Montag formal bestätigt werden. In Brüssel wird dies aber offiziell dementiert.

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Die Chaostage rund um die umstrittene EU-Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" gehen weiter: Ein Schreiben aus dem Bundestagsbüro von Landwirtschaftsministerin Renate Künast sorgte für Aufregung, dem zufolge der wackelige Standpunkt des EU-Rates zur Softwarepatentrichtlinie entgegen bisheriger Ansagen aus dem Ministergremium am kommenden Montag in Brüssel "auf dem Treffen der Agrar- und Fischereiminister formal bestätigt" werde. Nächster Schritt sei die 2. Lesung des Direktivenvorschlags im EU-Parlament.

Die Ansage ließ bei Softwarepatentgegnern sämtliche Alarmglocken schrillen, da die Spitze des EU-Abgeordnetenhauses am 17. Februar von der EU-Kommission die Vorlage eines neuen Richtlinienentwurfs und damit den Neustart des gesamten Gesetzgebungsverfahrens verlangt hatte. Am gestrigen Donnerstag stellte sich das EU-Parlament als Ganzes noch einmal hinter das Begehr, indem es einen Antrag zum Wiederaufrollen der Richtlinie im Plenum durch den Zuspruch aller Fraktionen im Plenum annahm. Mit einer Absegnung des Ratsstandpunktes wären die europäischen Volksvertreter folglich komplett überfahren worden. Ihnen haben zudem auch die nationalen Parlamente hierzulande, in den Niederlanden und in Spanien den Rücken gestärkt.

Lucien Michels, Presse-Attaché der luxemburgischen Ratspräsidentschaft in Brüssel, dementierte gegenüber heise online allerdings, dass die Patentrichtlinie auf der Tagesordnung für den Agrar- und Fischereirat stünde. Es sei auch nicht geplant, den Standpunkt des Rates vom Mai auf einer Ministerrunde in absehbarer Zeit offiziell zu verabschieden. Vielmehr warte man zunächst auf die formale Reaktion der Kommission auf den Neustartantrag aus dem Parlament. Dort hält sich der federführende Binnenmarktkommissar, Charlie McCreevy, allerdings nach wie vor bedeckt, was die Ausarbeitung eines neuen Richtlinienpapiers oder aber etwa die Einstellung oder Verschiebung des Verfahrens angeht. Der Ire sieht vielmehr den Rat am Zug. So gibt es denn auch noch Gerüchte, dass sich der Wettbewerbsrat am 7. März der Richtlinie doch wieder annehmen könnte. Er hatte die umstrittene Vereinbarung der Minister zunächst getroffen.

Doch auch Parlamente der Mitgliedsstaaten lassen nicht locker. So bahnt sich in Dänemark ein Entschließungsantrag nach Vorbild des Bundestags an. Er soll die Regierung dort stärker als in Berlin binden und dazu verpflichten, in Brüssel ein Durchwinken des Ratsstandpunktes zu verhindern. "Wir denken, dass so viele Leute Probleme in dem Vorschlag ausgemacht haben, dass wir die Regierung bitten sollten, momentan in der EU keine Entscheidung über eine Softwarepatentrichtlinie zu treffen", wird Thomas Adelskov, IT-Sprecher der dänischen Sozialdemokraten, in Medienberichten zitiert. Auch das polnische Parlament will am Ball bleiben. Der Ratstext ist insbesondere in die Kritik geraten, weil er laut Experten zahlreiche Hintertüren für eine breite Patentierbarkeit reiner Software nach US-amerikanischem Vorbild öffnet und damit Wettbewerb und Innovation behindern könnte.

Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) hat sich derweil eine ungewöhnliche Form des Protests ausgedacht: Er fordert seine Anhänger auf, die Werbeaktion der Deutschen Post am heutigen Freitag zum kostenlosen Versand eines Paketes zu nutzen, um dem in Deutschland federführenden Bundesjustizministerium "ein paar leckere Bananen" zu senden. Schon am Donnerstag vor einer Woche demonstrierte der Mittelstandsverband in Brüssel unter dem Motto "Keine Bananen-Republik" gegen Softwarepatente, zwei Tage zuvor in Berlin. Dem Justizministerium werfen die Absender der Bananen vor, "dass dessen Ignoranz aller parlamentarischen Beschlüsse und das Festhalten an einem unlegitimierten Richtlinienentwurf an die Zustände in einer Bananenrepublik erinnere".

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(Stefan Krempl) / (jk)