Europol erhält deutlich mehr Befugnisse

Die Justiz- und Innenminister der EU haben sich darauf geeinigt, dass die europäische Polizeibehörde künftig für grenzüberschreitende schwere Kriminalität und die Internetüberwachung auf neuer Rechtsgrundlage zuständig sein soll.

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Die Justiz- und Innenminister der EU haben sich bei ihrem momentanen Ratstreffen in Luxemburg darauf geeinigt, dass Europol künftig für grenzüberschreitende schwere Kriminalität und die Internetüberwachung auf Basis einer neuen Rechtsgrundlage zuständig sein soll. Der Mandatsbereich der europäischen Polizeibehörde wird mit der Annahme eines entsprechenden Vorstoßes der EU-Kommission deutlich ausgeweitet. Gleichzeitig fällt die im Europol-Übereinkommen enthaltene Beschränkung der Eurocops auf Straftaten organisierter Kriminalität weg. Insgesamt wird das Polizeiamt auf eine gänzlich neue Vertragsbasis gestellt und in eine EU-Agentur überführt.

Künftig kann das Ministergremium per einfachem Ratsbeschluss mit qualifizierter Mehrheit das juristische Fundament Europols ändern. Bisher musste die Europol-Konvention von allen nationalen Parlamenten der Mitgliedsstaaten regelmäßig bestätigt werden. Nichtsdestoweniger trat die europäische Polizeibehörde bereits jüngst mit dem Inkrafttreten von Änderungsanträgen in eine neue operative Phase ein. Schon damit kam Europol eine deutlich stärkere Rolle bei der Bekämpfung und Prävention grenzüberschreitender schwerer Straftaten wie Terrorismus, Drogenkriminalität oder der Geldfälschung zu. Möglich ist den Europolizisten auch bereits die Teilnahme an gemeinsamen Ermittlungsgruppen der Mitgliedstaaten. Mit der Einführung des "Verfügbarkeitsprinzips" können sie nach Belieben auf Polizeidatenbanken in den Mitgliedsstaaten zugreifen und die Informationen in eigene Analysedateien einbauen.

Generell ist geplant, dass das Polizeiamt neue Informationssysteme über das bisherige, von Datenschützern bereits immer wieder als Daten-Waschanlage kritisierte Europol-Computersystem hinaus aufbauen darf. Die Regulierung dieser weiteren Datensammlungen etwa wäre ein Fall, die der Rat nun mit Mehrheitsbeschluss festsetzen kann. Europol könnte so beispielsweise eine Datenbank mutmaßlich gewalttätiger Demonstranten schaffen oder eine mit verdächtigen Terroristen oder Päderasten. Nationale Strafverfolgungseinheiten wiederum können einen einfacheren Zugriff auf das bestehende Computersystem in Den Haag erhalten. Bürgerrechtler sehen mit den Brüsseler Plänen eine unkontrollierte Ausdehnung der Europol-Befugnisse einhergehen. Die Behörde kann mit ihrer Absegnung nun ihnen zufolge in eine Art Bundespolizei für die gesamte EU verwandelt werden.

Bekräftigt haben die Justiz- und Innenminister auch noch einmal die Rolle Europols bei der Durchleuchtung des Internet auf terroristische Aktivitäten mit Hilfe des unlängst gestarteten Überwachungsprojekts "Check the Web". Das globale Kommunikationsmedium "nimmt eine bedeutende Rolle ein bei der kommunikativen, logistischen und operativen Vernetzung terroristischer Aktivitäten", heißt es in einem am gestrigen Dienstag in Luxemburg beim Ratstreffen veröffentlichten Papier. Die EU habe es sich zur vorrangigen Aufgabe gemacht, gegen die Nutzung des Internet für die Radikalisierung und Anwerbung für den Terrorismus anzugehen. Mit dem behördeninternen Europol-Portal soll die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten unter anderem bei der Beobachtung und Auswertung islamistisch-terroristischer Webseiten verbessert werden.

Der Haushalt von Europol soll von 2010 an gemäß dem Beschluss aus dem EU-Budget bestritten und seine Mitarbeiter in den Status von Bediensteten der Gemeinschaft überführt werden. Durch die Angleichung werden laut dem Bundesinnenministerium, das die Einigung in Brüssel im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft federführend vorangetrieben hat, Sonderregelungen abgeschafft und der Verwaltungsaufwand langfristig reduziert. Bis dahin seien allerdings noch offene rechtliche Fragen abschließend zu klären. Zu ihrer Abarbeitung sollen Europol und die Kommission einen Arbeits- und Zeitplan bis zum Ende dieses Jahres erstellen.

Für Unruhe in der Wirtschaft sorgen derweil bereits ältere, umfangreiche EU-Verordnungen, die hunderte Terrorverdächtige auflisten und jegliche Geschäfte mit diesen Menschen und Organisation verbieten. "Es ist ganz klar, die Wirtschaft muss bei der Bekämpfung des Terrorismus mitmachen. Das Problem ist nur, dass es überhaupt nicht mehr übersichtlich ist, was da alles geschieht", sagte der Vorsitzende des Landesverbandes der Baden-Württembergischen Industrie (LVI), Hans-Eberhard Koch, laut dpa. Viele Firmen wüssten trotz eines Merkblatts (PDF-Datei) des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und allgemeiner Empfehlungen (PDF-Datei) der EU zur Umsetzung von Sanktionsmaßnahmen gar nicht, wie sie mit diesen Verordnungen umgehen sollten. Es gebe etwa eine große Unsicherheit darüber, ob auch die eigenen Kunden auf Übereinstimmungen mit diesen so genannten EU-Terrorlisten zu überprüfen sind. (Stefan Krempl) / (jk)