Softwarepatente: Das riskante Spiel der EU-Kommission

Nach der Absage eines Neuanfangs bei der Patentrichtlinie formiert sich im EU-Parlament erneut der Widerstand. Die CDU-/CSU fordert die Bundesregierung gar auf, im EU-Rat auf Neuverhandlungen zu drängen.

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Nach der deutlichen Absage eines Neuanfangs bei der umstrittenen Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" durch die EU-Kommission formiert sich im EU-Parlament erneut der Widerstand gegen das Gesetzgebungsvorhaben in seiner aktuellen Form. Als "ziemliche Provokation", wertet etwa die österreichische sozialdemokratische EU-Abgeordnete Maria Berger als eine der Initiatorinnen des Neustartantrags im Rechtsausschuss die ablehnende Haltung der Kommission. Diese spielt ihrer Ansicht nach "sehr riskant".

Laut Berger stehen die Chancen nach der erneuten Düpierung der Volksvertreter gut, dass sich die Parlamentarier in der bevorstehenden 2. Lesung auf "massive Änderungen" an den Vorschlägen der Kommission und des Rates einigen. José Manuel Barroso habe sich "schon einmal verpokert", erinnert die Sozialdemokratin an die Pleite des Kommissionspräsidenten bei der ersten Zusammensetzung seiner Mannschaft im vergangenen Herbst. Dies könne sich nun wiederholen. Dass der Ton schärfer wird, zeigt auch die Tatsache, dass Barroso am Donnerstag ins Parlament geladen wurde. Er soll dort öffentlich die Gründe für die Ablehnung des Wunsches der Abgeordneten erläutern.

Nach Ansicht Bergers hat "das Engagement der Kollegen" bei der Softwarepatentrichtlinie "sehr zugenommen". Auch in der Volkspartei wachse gerade bei Vertretern aus den neuen EU-Beitrittsländern die Kritik an den Kommissions- und Ratspapieren, da diese die Patentierbarkeit von Software nicht ausreichend ausschließen würden und so den Wettbewerb behindern könnten. Die 2. Lesung ist für Berger demnach "kein Schreckensszenario". In dem sich danach vermutlich anschließenden Vermittlungsverfahren würde gar wieder eine einfache Mehrheit ausreichen, um dem Rat Kontra zu geben. Notfalls müsse man an dieser Stelle ein klares Nein formulieren, das immer noch leichter zu erzielen sei, als "Kompromisse in Halbsätzen", stellte die Österreicherin gegenüber heise online klar.

Der rechtspolitische Sprecher der Volkspartei, Klaus-Heiner Lehne, will den Schachzug der Kommission dagegen noch nicht kommentieren. Er hatte jüngst erklärt, dass der Rat "schlicht und einfach keine Mehrheit für eine Verhandlungsposition hat" und daher selbst ein Vermittlungsverfahren wohl zum Scheitern verurteilt wäre. Daher hatte sich Lehne für den Neustart stark gemacht. Gleichzeitig zeigte sich der CDU-Politiker besorgt, dass die Patentierbarkeit von Erfindungen nicht zu radikal eingeschränkt werden dürfe.

Günter Krings, Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion für Geistiges Eigentum im Rechtsausschuss des Bundestags, sieht in der "arroganten Zurückweisung der Parlamentsbitte" und ihrer knappen Begründung derweil einen "beispielslosen Affront". Mit dem Hinweis auf die prinzipiell bestehende Einigkeit im Rat werde "das peinliche Hin und Her über die Abstimmung unter deutscher Beteiligung schlicht übersehen".

Krings sieht angesichts des bestehenden Bundestagsbeschlusses, in dem die Abgeordneten starke Bedenken gegenüber der Ratsposition zum Ausdruck gebracht haben, die zentrale Verantwortung für das weitere Vorgehen in Brüssel auch bei der Bundesregierung: "Als größtes EU-Land hat es Deutschland jetzt in der Hand, das unwürdige Possenspiel um die Richtlinie zu beenden und der jetzigen Fassung im Rat ein Ende zu machen." Die federführende Bundesjustizministerin Brigitte Zypries solle "endlich erklären, wie sie sich im EU-Ministerrat verhalten wird und wem sie sich mehr verpflichtet fühlt: der EU-Kommission oder dem einstimmig votierenden Deutschen Bundestag".

Das Justizministerium hüllt sich jedoch nach wie vor in Schweigen, wie und ob sie dem Antrag des Parlaments Folge leisten und im Rat auf Neuverhandlungen über die wackelige Position vom Mai drängen will. "Neuigkeiten: Fehlanzeige", heißt es momentan bei der Pressestelle. Auch die luxemburgische Ratspräsidentschaft hält sich noch bedeckt, ob die Richtlinie auf der Tagesordnung für den Wettbewerbsrat am kommenden Montag stehen soll. Zur Zeit sei dies nicht der Fall, erklärte ein Sprecher. Es würden nach der Stellungnahme der Kommission in dieser Woche noch Konsultationen in diesem Punkt laufen. Ein abschließendes Briefing über die Agenda erfolge erst am Freitag. Falls die Richtlinie noch aufgenommen würde, sei die offizielle Verabschiedung des Papiers ohne neue Aussprache geplant. Der Standpunkt würde also einfach abgenickt, falls Regierungsvertreter keinen Einspruch erhöben.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)