Musikindustrielle und Napster-Chef werben für Internetsperren

Musikindustrie und Politik wiederholen die bekannten Plädoyers für ein härteres Vorgehen gegen "Raubkopierer". In das Mantra mischen sich allerdings auch leisere Töne.

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Aus der Medienbranche ertönt weiterhin der Appell an den Gesetzgeber, gegen illegale Downloads mit einem System der abgestuften Erwiderung und Sanktionen bis zur Sperrung des Internetanschlusses vorzugehen. In vielen Ländern seien entsprechende Mechanismen ohne Datenschutzbedenken eingerichtet worden, erklärte Olivia Regnier, Leiterin des EU-Büros des Internationalen Verbandes der Musikindustrie (IFPI), am Dienstag auf einer Veranstaltung des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI) in Berlin. In Frankreich etwa hätte sich die Zahl der Nutzer legaler Plattformen nach Inkrafttreten des umstrittenen Hadopi-Gesetzes schier verdoppelt.

Dort und in anderen Staaten mit vergleichbaren Regelungen wie Großbritannien, Neuseeland und Südkorea gebe es kaum Beschwerden und nur geringen gesellschaftlichen Widerstand gegen ein entsprechendes System, führte die Lobbyistin aus. Die Bundesregierung forderte sie daher auf, einen "ganzheitlichen Ansatz bei der Bekämpfung der Piraterie" zu wählen und das Thema ernsthaft zu verfolgen.

Die schwarz-gelbe Koalition verabredete zum Start ihrer Zusammenarbeit, keine Initiativen für gesetzliche Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen zu ergreifen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) lehnt auch den Versand von Warnhinweisen an Copyright-Sünder aufgrund der damit verknüpften Verstöße gegen Datenschutzvorschriften ab.

Kauder: Auch Drosselung der Zugangsgeschwindigkeit eine Option

CDU-Politiker Siegfried Kauder

(Bild: heise online/S. Krempl)

Der CDU-Politiker Siegfried Kauder, der jüngst für ein System der abgestuften Erwiderung plädierte, betonte dennoch nach einer Gesangseinlage von Roger Cicero, dass die Politik aufwachen müsse. "Wir machen die Gesetze", konstatierte der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestags und Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände. Seine Kollegen rief er auf mitzuhelfen, dass es den Jazz-Sänger auch noch in vielen Jahren gebe. Als Alternative zu der von ihm zunächst bevorzugten Netzsperre an dritter Stufe brachte er eine Drosselung der Zugangsgeschwindigkeit als mildere Strafmaßnahme ins Spiel.

Napster-Chef plädiert für Internetsperren

Eine Lanze für das "Three Strikes"-Modell brach auch Thorsten Schliesche, Deutschlandchef von Napster. "Mit Hadopi hätten wir unsere Umsätze verdoppeln können", meinte der Chef des Streaming-Dienstes. Schon die zweite Verwarnung solle dabei aber mit einer Geldbuße einhergehen. Derzeit seien legale Angebote, die auf eine Monatspauschale setzten, noch etwas für "Musiksüchtige", erläuterte Schliesche. Hierzulande kämen Napster und vergleichbare Premiumdienste auf kaum mehr als 150.000 Abonnenten. Dagegen werde die Gruppe der Nutzer, die nicht zahlen wolle für Musik, nicht kleiner.

Hinter den Inhaltepiraten stehe eine "Philosophie der 'Commons'", wusste Gisela Schmalz zu berichten, die ein Buch über den "Gratiswahn des Internets" geschrieben hat. Diesen gehe es nicht nur um den "Spaß am Kriminellsein", sondern auch um den freien Informationsfluss. Punkten könnten legale Portale derzeit nur mit Zusatzdiensten wie der Personalisierung und der Bequemlichkeit, mit der man Musik dort suchen, kaufen und archivieren könne. Um das Problem zu lösen, müssten alle Interessenvertreter an einen Tisch kommen.

Musikindustrieller Dieter Gorny fordert Wertschätzung für Künstler ein

Dieter Gorny, Vorsitzender des Bundesverbandes Musikindustrie

(Bild: heise online/S. Krempl)

Eine Debatte über den Wert kultureller Güter und die Wertschätzung von Künstlern hält auch BVMI-Chef Dieter Gorny für unerlässlich: "Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens, dass man nicht illegal downloaden sollte." Die Labels, die vom explosionsartigen Aufeinandertreffen von Technologie und Kultur im Netz zunächst überrollt worden seien, hätten mittlerweile ihre Hausaufgaben gemacht. So gebe es hierzulande 60 legale Online-Plattformen für Musik. Nötig sei es nun, "breitbandiger ranzugehen" und die politischen Rahmenbedingungen für neue Geschäftsmodelle abzustecken. Dabei komme es zwar nicht nur auf Sanktionen an. Man dürfe aber auch nicht alle Filesharing-Aktivitäten als Bagatelle abtun. Zugleich zeigte sich Gorny im Gegensatz zum Napster-Vertreter zuversichtlich, dass die nachwachsende Generation schon viel ausgewogener mit dem Urheberrecht umgehe. (jh)