US-Verfassungsgericht: Kein garantiertes Recht auf frei verfügbare Werke

Das Gericht hat entschieden, der US-Gesetzgeber könne in die "Public Domain" geratene Werke nachträglich wieder dem Copyright unterstellen. Ein "ewiges" Schutzrecht gebe es allerdings nicht.

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Das US-Verfassungsgericht hat entschieden, dass der US-Gesetzgeber in die "Public Domain" geratene Werke nachträglich wieder dem Copyright unterstellen kann. Es gebe kein garantiertes Recht auf frei verfügbare Bücher, Filme, Bilder oder Musikstücke, heißt es in einem Urteil (PDF-Datei) vom Mittwoch. Andererseits wendet sich der Beschluss gegen die in der Klage angeführte Beschwerde, dass damit ein "ewiges" Schutzrecht begründet sei. Es bleibe bei einem begrenzten Anspruch, wie dies in der US-Verfassung vorgesehen sei, urteilte eine Mehrheit von sechs der acht angerufenen Richter. Die betroffenen Werke würden später wieder Teil der Wissensallmende.

Die Mehrheitsmeinung beruft sich vor allem auf die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst, der die USA 1989 beitraten. Sie schreibt eine Mindestschutzdauer von 50 Jahren nach dem Tod des Autors fest. Die EU und die Vereinigten Staaten verlängerten diese Frist in den 1990ern nacheinander auf 70 Jahre. Jenseits des Atlantiks wurde eine Vielzahl ausländischer Werke zwischenzeitlich aber gemeinfrei. Dies lag vor allem daran, dass Rechteinhabern von der Berner Konvention vorgeschriebene Formalitäten wie die Registrierung von Titeln nicht eingehalten hatten.

1994 verabschiedete der US-Kongress ein Gesetz, das die in die Public Domain entfleuchten Werke wieder mit dem Copyright belegte. Die betroffenen Werke waren damit wieder bis zu 70 Jahre nach dem Ableben ihres Urhebers geschützt. Dagegen klagte eine Gruppe von Orchesterleitern, darstellenden Künstlern, Lehrern, Verlegern und Filmarchivaren. Sie führten ins Feld, dass sie als bisherige Nutzer der Werke in ihrem Recht auf freie Rede eingeschränkt würden. Es könne nicht angehen, dass sie plötzlich Lizenzen für die jahrelang frei verwendbaren Titel erwerben müssten.

Der Oberste US-Gerichtshof betonte nun, dass jedes Copyright mit der Einschränkung von Ausdrucksfreiheiten einhergehe. Das Ziel dieses Rechts, den Fortschritt der Wissenschaften zu fördern, sei breit auszulegen und auf die Unterstützung neuer Werke genauso wie auf bereits traditionelleres Kulturgut zu beziehen. Auch die temporäre Verknappung geistiger Güter könne letztlich ihrer Verbreitung dienen beziehungsweise gezielt Wissen entstehen lassen. Zusätzlich sei der Zugang zu ausländischen Märkten, der mit der Einhaltung der Berner Übereinkunft gesichert werde, ein wichtiger Anreiz für Kreative. Letztlich habe der US-Gesetzgeber bereits mehrfach frei verfügbare Werke wieder gewerblich geschützt, sodass die kritisierte Maßnahme sich in den herkömmlichen Zügen der Copyright-Politik bewege.

Urteil auch auf Patente erweiterbar?

Die zwei Verfassungsrichter Stephen Breyer und Samiel Alito monierten dagegen in ihrer abweichenden Meinung, dass das geprüfte Gesetz gegen die Theorie des Urheberrechts laufe und es "niemand ermutige, ein neues Werk zu schaffen". Nutznießer seien allein die Inhaber der Rechte an den betroffenen alten Schinken. Ausländische Titel, die nach 1923 veröffentlicht wurden, könnten derweil keinen Platz in Datenbanken finden und so einfacher Teil des Weltwissens werden. Auch der Leiter des "Fair Use"-Projekts der Stanford-Universität, Anthony Falzone, bezeichnete das Urteil als "unglücklich". Es zeige, dass Politik und Justiz wenig gäben auf die Interessen der Öffentlichkeit. Unter Patentrechtlern wird derweil bereits diskutiert, inwieweit der Richterspruch auch eine vergleichbare Ausweitung der Schutzfristen von Patenten erlaube. (jh)