Design auf dem Silber-Tablet

Vergangene Woche war ich in München bei Microsoft. Der Konzern lässt ja derzeit keine Gelegenheit aus, um über Windows 8 zu sprechen.

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Vergangene Woche war ich in München bei Microsoft. Der Konzern lässt ja derzeit keine Gelegenheit aus, um über Windows 8 zu sprechen. Die Frage, ob das neue Betriebssystem, das noch in diesem Jahr auf dem Markt kommen soll, auch auf einem Tablet-Computer zu sehen sein wird, beantworten die Anwesenden Microsoft-Menschen aber nur durch demonstratives Schweigen. Kein Kommentar. Warten wir’s ab.

Umso mehr erzählt man aber gerne darüber, wie die neue Oberfläche von Windows 8 denn nun aussehen wird: Die „Design-Sprache“ - Sprache ist in diesem Fall mehr metaphorisch gemeint, als wörtlich - ist „Metro“. Das soll „schnell, modern und dynamisch“ wirken, sagt Microsoft. Wer sowas schreibt, hat sich noch nie mit einem zu schweren Rollkoffer durch die endlos schmalen Tunnelröhren der Pariser Innenstadtstationen bewegt, oder versucht in seinem Lieblingsroman weiterzulesen, während eine Horde besoffener Fußballfans die Bahn entert, weil wieder Heimspiel ist.

Aber sprechen wir nicht über den Alltag - sprechen wir über Kunst: Apple hat, was das Ästhetische angeht, ziemlich hohe Hürden gelegt: Die klare, strenge Linie gilt als elegante Reduktion auf das wesentliche - Kanso nennt der Japaner das. Dazu kommt Datsuzoku - das unkonventionelle Denken, das die Regeln bricht. Und vor allem wenig Ablenkung mit Prunk und Tand.

Diese ganze Zen-Schiene ist von Apple mithin voll aufgereizt, also haben die Kreativen bei Microsoft sich jetzt designmäßig auf Europa gestürzt: Bauhaus, Schweizer Typographie, Rasterelemente und aufgeräumte, akzentuierte klare Farbgebung. Um das ganze dynamisch zu machen, werden cinematografische Effekte eingesetzt - „turnstile“, „swivel“ und natürlich „slide“ - yeah, Baby. Im Ernst: Sieht gar nicht so schlecht aus und scheint auch recht flott zu laufen. Ausgedacht hat sich das Ganze Albert Shum, der im übrigen ein paar interessante Ideen vertritt.

Aber trotzdem scheint mir dieses Konzept nicht recht ausgereift. Denn Metro repräsentiert Europa. Genauer gesagt, das Europa der klassischen Moderne. Das ist eine kulturelle Strömung, die als weltoffen gilt, internationalistisch - bisweilen sogar links. Ich bin mal gespannt, wie lange es dauert, bis der erste erzreaktionäre Tea-Party-Blogger ausgräbt, mit welchem Teufelswerk sich Microsoft da eingelassen hat. Und wie die Reaktion des durchschnittlichen amerikanischen Konsumenten darauf aussehen wird.

Anderseits sind, wenn man Autoren wie John Markoff glauben darf, wesentliche Teile der IT, die wir heute verwenden, das Werk LSD-schluckender kalifornischer Hippies. Und das hat offenbar auch Niemanden gestört. Aber wer weiß das schon? (wst)