Literweise Strom

Redox-Flow-Batterien lassen sich in wenigen Minuten aufladen. Doch bisher waren die Systeme zu klobig. Wolfsburger Forscher haben sie nun um zwei Drittel geschrumpft. Damit könnten sie auch in Pkw eingebaut werden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 10 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Es klingt wie die Lösung aller Batterieprobleme: Elektroautos, die nicht mehr stundenlang an der Steckdose hängen müssen, sondern die sich innerhalb weniger Minuten an einer Zapfsäule auftanken lassen. Solche Akkus gibt es tatsächlich: Sie nennen sich Redox-Flow-Batterien und werden mit einem flüssigen Elektrolyt betrieben, in dem die Ladungsträger in Form von Metall-Ionen gelöst sind. Ist der Elektrolyt entladen, kann er abgepumpt und durch einen frischen ersetzt werden.

Bisher werden Redox-Flow-Batterien allerdings nur stationär eingesetzt. Ein Blick auf ihre Kennzahlen zeigt, wieso: Die Energiedichte des Elektrolyts ist derzeit mit rund 25 Wattstunden (Wh) pro Kilogramm um ein Vielfaches niedriger als die von herkömmlichen Lithium-Ionen-Akkus. Zudem waren die Systeme für mobile Anwendungen bisher zu sperrig. Sie bestehen – wie Brennstoffzellen – aus Stapeln ("Stacks") von Kanälen und Membranen. Ein herkömmlicher Fünf-Kilowatt-Stack mit 90 Zellen ist etwa 1,5 Meter lang.

Forscher der Ostfalia-Hochschule in Wolfsburg haben ihn nun auf 54 Zentimeter Länge und 40 Kilo Gewicht geschrumpft. "Das ist ein erster Schritt, Redox-Flow-Batterien auch in Autos einzusetzen", sagt Projektleiter Professor Robin Vanhaelst von der Fakultät Fahrzeugtechnik. Als Nächstes überlegen sich die Forscher nun, einen elektrischen Kleintransporter mit ihrem Redox-Flow-Stack auszustatten, der als "Reichweitenverlängerer" die herkömmlichen Batterien unterstützt.

Darüber, mit welchen Mitteln sie den Stack kleingekriegt haben, möchte Vanhaelst keine allzu detaillierten Auskünfte geben – das Patentverfahren läuft noch. "Wir haben den inneren Zell-aufbau komplett optimiert, sowohl beim Material als auch bei der Formgebung", verrät er lediglich. Mit Simulationen sei beispielsweise der Strömungsverlauf des Elektrolyts durch die Zellen verbessert worden. Seine Standfestigkeit hat das System schon bewiesen – es übersteht laut Vanhaelst mehr Ladezyklen als ein Lithium-Ionen-Akku und hat eine geringe Selbstentladung. Der geladene Elektrolyt kann also längere Zeit gelagert werden.

Der Vorteil gegenüber Batterien wären kürzere Ladezeiten. In weniger als sechs Minuten lassen sich nach Angaben von Vanhaelst rund 300 Liter Elektrolyt tanken. Zudem ließen sich bestehende Tankstellen relativ einfach um eine weitere Zapfsäule sowie um eine Anlage zum Aufladen des Elektrolyts erweitern – das wäre weitaus preiswerter als etwa der Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur für Fahrzeuge mit Brennstoffzelle. Da Tankstellen stets eine gewisse Menge an geladenen und entladenen Elektrolyten vorhalten würden, könnten sie zudem als Zwischenspeicher für Energie aus Wind und Sonne fungieren.

"Jetzt braucht man noch einen überzeugenden Elektrolyt mit hoher Energiedichte", meint Vanhaelst. Mit 200 Kilo herkömmlichem Elektrolyt an Bord würde nämlich selbst ein genügsames Elektroauto nur rund 40 Kilometer weit kommen. Die meisten aktuellen Systeme arbeiten mit Vanadium-Ionen in Schwefelsäure. Die Ionen können zwischen verschiedenen Oxidationsstufen (V2+ bis V5+) hin und her springen – also mehrere Elektronen abgeben. Um Strom zu erzeugen, werden zwei Tanks benötigt: Einer mit einer V5+-Lösung, einer mit einer V2+-Lösung. Beide Elektrolyte werden an einer trennenden Membran in Form eines Graphit-Vlieses vorbeigepumpt und tauschen dabei Ladung aus: Ein positives Wasserstoff-Ion wandert durch die Membran, ein Elektron durch einen Stromkreislauf und verrichtet dabei Arbeit. Der Wirkungsgrad dieses Prozesses beträgt derzeit rund 70 bis 80 Prozent.

Elektrochemiker auf der ganzen Welt arbeiten an Rezepturen für energiehaltigere Elektrolyte. Durch die Beimischung von Salzsäure und anderen Additiven können beispielsweise mehr Vanadium-Ionen im Elektrolyt gelöst werden. So ließe sich die Energiedichte verdoppeln. Allerdings müssen Membranen und andere Komponenten der Stacks dann an die aggressivere Chemie des Elektrolyts angepasst werden. Bei der nächsten Evolutionsstufe, die im Labor bereits funktioniert, tauschen die Vanadium-Ionen Elektronen mit dem Sauerstoff der Luft aus. Ein zweiter Elektrolyt-Tank erübrigt sich dadurch, die Energiedichte steigt auf rund 120 Wh/kg. Allerdings benötigen die Membranen dafür eine teure Platinbeschichtung, und der Wirkungsgrad sinkt auf die Hälfte eines klassischen Zwei-Tank-Systems. "Je höher die Energiedichte, desto schlechter ist meist der Wirkungsgrad", bedauert Vanhaelst. "Der ideale Elektrolyt hat sich noch nicht herauskristallisiert." (grh)