Ernüchternde Zahlen

Elektroautos könnten irgendwann als Zwischenspeicher für Strom aus erneuerbaren Quellen dienen, hoffen ihre Befürworter. Eine Studie des Öko-Instituts hat ergeben, dass dieses Potenzial stark überschätzt wird.

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Wie sauber sind Elektroautos wirklich? Auf den ersten Blick ist die Frage einfach zu beantworten: Ein ausgewachsener Stromer wie der Nissan Leaf verbraucht nach offiziellen Angaben 13,7 Kilowattstunden elektrischer Energie auf hundert Kilometern; laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft hat im deutschen Strommix jede produzierte Kilowattstunde 494 Gramm Kohlendioxid-Emissionen verursacht. Macht beim Leaf also knapp 68 g/km. Ein vergleichbarer Benziner bringt es auf schätzungsweise 120 bis 130 Gramm CO2. Eine klare Sache also. Dass der offizielle, auf einem Rollenprüfstand ermittelte Verbrauch in der Praxis nie erreicht wird, und dass viele Einflüsse wie etwa der Energieaufwand für die Produktion und Recycling des Fahrzeugs darin nicht enthalten sind – geschenkt, bei konventionellen Autos wird das schließlich auch nicht mit einberechnet. Von daher ging mir die gebetsmühlenhafte Behauptung, E-Autos würden im normalen deutschen Strommix keinerlei Vorteile gegenüber Verbrennungs-Vehikeln bringen, bisher immer ziemlich auf die Nerven.

Nun aber hat das Öko-Institut die ganze Sache noch einmal sehr differenziert durchgerechnet, und das Ergebnis macht mich nachdenklich. Eine ganze Reihe von Faktoren trübt nämlich die Bilanz. Da ist zunächst einmal der Strommix: Der zusätzliche Strombedarf von E-Autos würde nämlich vor allem Kohlekraftwerke zurück ans Netz bringen, die aus Kostengründen sonst abgeschaltet blieben. Folglich müssen sich E-Autos auch Emissionen anrechnen lassen, die weitaus höher sind als die des deutschen Strommix.

Dieser Mechanismus ist schon länger bekannt; bisher konnten Strom-Freunde wie ich aber mit einem Gegenargument kontern: Durch ein entsprechendes Lademanagement könnten Elektrowagen überschüssigen Strom von Sonnen- und Windkraftanlagen zwischenspeichern. Auf diese Weise würden sie das Netz stabilisieren und ihre Energie gewissermaßen geschenkt bekommen. Doch auch hier hat das Öko-Institut ernüchternde Zahlen errechnet: Wenn sich das Lademanagement am günstigsten Strompreis orientiert, würde es zwar einen höheren Anteil von Ökostrom nutzen, gleichzeitig aber auch mehr Strom aus Braunkohle-Grundlastkraftwerken, der gerade nachts günstig zu haben ist. „Beim preisgesteuerten Laden wiegt der höhere Braunkohleanteil den höheren Anteil erneuerbarer Energien auf, so dass die Emissionen pro Kilowattstunde in etwa gleich hoch sind wie ohne Lademanagement“, schreibt das Öko-Institut.

Überhaupt werde das Potenzial an überschüssigem Ökostrom überschätzt: „Wenn der Ausbau der Leitungsnetze bis 2030 so funktioniert, dass Netzengpässe kein Problem mehr darstellen, dann wird der fluktuierende erneuerbare Strom aus Wind und Sonne fast immer vollständig durch herkömmliche Verbraucher genutzt – auch ganz ohne Elektrofahrzeuge.“

Das Wörtchen „wenn“ verweist darauf, wie viele Unbekannte noch immer in der Rechnung stecken: Wie gut wird das Stromnetz ausgebaut? Wie wird sich der Strommix entwickeln? Wie stark wird der Markt für E-Autos wachsen? Wie oft und wann werden Nutzer die Akkus laden? Wie stark verbessert sich die Effizienz herkömmlicher Verbrennungsmotoren? Es wird noch viele Diskussionen über den Sinn und Unsinn der Elektromobilität geben.

Das Öko-Institut hat jedenfalls noch nicht den Stab über Elektro-Fahrzeuge gebrochen: Sie werden zwar „kurz- bis mittelfristig“ nur einen „geringen Beitrag zum Klimaschutz“ leisten. „Für den langfristigen Klimaschutz ist die Entwicklung und frühzeitige Erprobung alternativer Antriebstechnologien jedoch unverzichtbar“, schreiben die Autoren. Voraussetzung sei jedoch, dass für den zusätzlichen Strombedarf auch tatsächlich zusätzliche Kapazität für regenerativen Strom installiert wird. Und ein weiteres Argument für Elektroautos wird durch die neuen Zahlen gar nicht berührt: Es wird immer wieder betont, E-Wagen seien „nur“ lokal emissionsfrei. Aber was heißt hier eigentlich „nur“? Kein Lärm und keine Abgase in der Stadt ist schon eine ganze Menge, wie Anwohner von Durchgangsstraßen gerne bestätigen werden. (wst)