Demo gegen Softwarepatente und ein unkontrolliertes Patentsystem

Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur protestiert gegen den "ungebrochenen Ruf nach Durchsetzung wackliger Patente"

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Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) protestiert gegen den "ungebrochenen Ruf nach Durchsetzung wackliger Patente" auf einer Konferenz zur Zukunft der europäischen Patentgerichtsbarkeit, die das Bundespatentgericht Anfang der Woche zum Ausklang der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in München ausrichtet. Im Rahmen einer Demo will die Mittelstandslobby am morgigen Montagmorgen vor dem Veranstaltungsort, der Münchner Residenz, mit einem Super-"Patman" und einem "Wissenskäfig" auf die fragwürdige Besetzung der Tagung und den Patentkurs der Bundesregierung sowie der EU-Kommission hinweisen. Das Symposium hat sich dem FFII zufolge ganz dem Ziel verschrieben, mit dem Vorantreiben des heftig umstrittenen Europäischen Übereinkommen zur Patentstreitregelung EPLA ein direkt an das Europäische Patentamt (EPA) angedocktes, zentrales höchstes Europäisches Patentgericht zu schaffen. Dominiert werde die Konferenz von Politikern aus Berlin, Brüssel und München sowie Vertretern einer "innovativen Wirtschaft", die dieses Vorhaben verfechten würden. Allein ein paar hochrangige Richter wie der britische Softwarepatentskeptiker Sir Robin Jacob seien gleichsam als Alibi-Redner vertreten. Wissenschaftler und sonstige Kritiker der Auswüchse des Patentsystems seien nicht geladen worden.

Geht es nach dem Einladungstext für das Symposium unter der Führung des aus den Reihen des Bundesjustizministeriums zum Präsidenten des Bundespatentgerichts gekürten Gastgebers Raimund Lutz "ist der Ruf der Nutzer des Europäischen Patentübereinkommens sowie der einzelstaatlichen Patentrechtsordnungen nach einer europäischen Patentgerichtsbarkeit ungebrochen". Gefordert werde die Schaffung eines Gerichtes, "das international und mit erfahrenen Patentrichtern besetzt mit Wirkung für alle beteiligten Staaten in einem zügigen und kostengünstigen Verfahren entscheidet und so ein Höchstmaß an Rechtssicherheit für die Nutzer des Patentsystems garantiert".

Das dahinter stehende "wirkliche Anliegen" umschreibt der FFII mit einem erneuten Vorstoß, die weite, Schutzansprüche auf "computerimplementierte Erfindungen" einschließende Praxis des EPA zur Vergabe von Patentansprüchen von einem übergeordneten Berufungsgericht durchsetzen zu lassen. Die Münchner Behörde erteile zahlreiche gewerbliche Schutzrechte, die von ihren Besitzern momentan kaum effektiv verwertet werden können, "weil sie vor nationalen Gerichten im Ernstfall keinen Bestand haben". Damit sich endlich auch in Europa ein "Risikokapital für Patentklagen bilden kann", erläutert der FFII sarkastisch den Gedankengang der Konferenzmacher aus seiner Sicht, "müssen wir peinliche Diskussionen über die Grenzen der Patentierbarkeit ein für alle Mal beenden und dafür sorgen, dass die Regeln europaweit einheitlich von einem kleinen Kreis erfahrener Patentrichter festgelegt werden". Weiter kritisiert der Verein, dass neben dem EPLA die aus seiner Sicht nicht viel bessere Ansatz der EU-Kommission in ihrer Mitteilung zur "Vertiefung des Patentsystems" auf dem Programm stehe. Die Brüsseler Behörde befürwortet in dem heftig umkämpften Gebiet einen zweigeteilten Ansatz. Mit ihm sollen das EPLA sowie eine spezifische Gemeinschaftsgerichtsbarkeit für Rechtsstreits über die bisherigen europäische Bündel- und die geplanten Gemeinschaftspatente in einem Mehrkammernsystem zusammengeführt werden.

Grundlegendere Themen, wie sie etwa das EU-Parlament mit seiner Resolution vom Oktober und der darin enthaltenen Kritik an unerwünschten Patenten, ungeklärten Streitkosten sowie dem Zweifel an der richterlichen Unabhängigkeit und der demokratischen Kontrolle des EPLA-Gerichts angesprochen hat, stehen laut FFII dagegen nicht auf der Tagesordnung. "In wie weit die vorgeschobenen Probleme der Marktfragmentierung wirklich existieren und wie sie mit einfacheren Mitteln gelöst werden könnten, ist auch nicht Gegenstand der Diskussion", beklagt der Verein weiter. Dass eine Machtkonzentration der Patentjustiz erwünscht sei, stehe dagegen von vorneherein fest.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (ciw)