Angespielt: Das Startaufgebot der PS Vita

Das große OLED-Display und viele Bedienknöpfe sollen vor allem Hardcore-Spieler locken. Wir werfen einen ausführlichen Blick auf die ersten Spiele für Sonys neue Mobilkonsole.

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Sony verkauft ab Mittwoch seine neue tragbare Spielkonsole PS Vita auch in Europa und den USA. Der Nachfolger der PSP muss sich nach einem schleppenden Start in Japan in einem schwierigen Markt behaupten. Dem allgemeinen Trend zum Trotz setzt Sony nicht auf billige Smartphone-Spiele, sondern will mit Vollpreisspielen für unterwegs punkten, die ein ähnliches Niveau wie die großen Konsolentitel für daheim erreichen.

Die Hardware bringt dazu alle nötigen Voraussetzungen mit. Das Gespann aus Vierkern-CPU und -GPU ist grob geschätzt doppelt so schnell wie Apples aktuelle iOS-Gerätegeneration. Das 5 Zoll große OLED-Display schafft ein Viertel der Full-HD-Auflösung und zeigt brilliante Farben und knackige Kontraste. Allein die Helligkeit reicht nicht für Spiele-Sessions bei sonnigem Wetter unter freiem Himmel.

Zur Steuerung haben die Spieler zahlreiche Optionen: Die PS Vita beherbergt Knöpfe und Analogsticks wie ein Gamepad, dazu kommen Bewegungssensoren, zwei Kameras, Touchscreen und ein zweites Touchpad auf der Rückseite. Mit letzterem kann beispielsweise beim Fußball-Spiel FIFA die Tor-Ecke auswählen, in die der Stürmer schießen soll. Dazu ist aber zuweilen etwas Fingerakrobatik nötig.

Die weiteren Internet- und Multimediafunktionen sind bislang nur rudimentär ausgearbeitet. Der Browser baut Seiten langsamer auf, als man dies von anderen Smartphones gewohnt ist und spielt zudem noch keine Videos ab. Neben vorinstalliertem Google Maps findet man auch kostenlose Apps für Facebook, Twitter, Flickr und Foursquares im Download-Store. YouTube fehlt bislang ebenso wie E-Mail.

Dürftig ist auch die Unterstützung für Musik und Filme. Diese muss man per USB-Kabel vom PC oder der PS3 übertragen. Aus Kopierschutzgründen meldet sich die PS Vita nicht als gewöhnliches Speichergerät, sondern der Nutzer muss die Daten mit einer Transfersoftware von Sony übertragen. Und das geht nur quälend langsam. Für 1 GByte braucht sie fünf Minuten, da ist selbst die PSP doppelt so schnell.

Schuld sind offenbar nicht zu langsame Speicherkarten, die – offiziell aus Kopierschutzgründen – in einem proprietären Format gefertigt werden und in der 16-GByte-Ausführung 50 Euro kosten. Laut Sonys Entwickler nutzen Spiele nur drei der vier CPU-Kerne. Der vierte kümmert sich um das Betriebssystem und wohl auch mit um den Kopierschutz. Die langsamen Übertragungsraten und auch die langen Ladezeiten einiger Spiele (bei WipeOut 2048 dauert es fast zwei Minuten, bis man vom Start der Software auf der Piste steht) legen die Vermutung nahe, dass die Daten on the fly verschlüsselt werden.

Laut Sony nutzen die Vita-Spiele individuell konfigurierte Kopierschutzmaßnahmen. Sie sollen verhindern, dass die Kopierschutzkette vollständig ausgehebelt werden kann. Dies hatte auf der PSP zu einer wahren Flut illegal kopierter Spiele in den Tauschbörsen geführt. In der Folge veröffentlichten die Publisher immer weniger hochkarätige Titel für die PSP. Ein solches Ausbluten will Sony mit den neuen Kopierschutzmaßnahmen bei der Vita verhindern.

Das Fehlen gängiger WLAN-Übertragungsfunktionen wie DLNA könnte auch eine politische Entscheidung sein. Sony bietet Filme über seinen Download-Store zur Miete oder als Kauf an. Später soll der neue Service Music Unlimited auch auf der Vita verfügbar werden, bei dem man Sonys kompletten Musik-Katalog für 10 Euro pro Monat streamen kann.

Das Startaufgebot der PS Vita (27 Bilder)

Escape Plan (SCE), 840 MByte, 13 Euro: Witzig morbides Geschicklichkeitsspiel. Einer der wenigen originellen Titel zum Start. Viel schwarzer Humor, aber leider auch einige Schwierigkeiten mit der Touch-Steuerung.

Primär ist die PS Vita aber zum Spielen da und kann bereits zur Markteinführung ein beachtliches Portfolio vorzeigen. Sony selbst geht mit einer leicht abgespeckten Version seiner Abenteuer-Reihe "Uncharted" sowie einer neuen, schnelleren Episode der WipeOut-Rennspielserie an den Start. Ubisoft ist eine außergewöhnlich gute Portierung von "Rayman: Origins" gelungen, ebenso wie Capcoms "Ultimate Marvel vs. Capcom 3". Hinzu gesellen sich gute Umsetzungen von Segas "Virtua Tennis 4", Sonys "Everybody's Golf" und EAs "FIFA Football". Branchengrößen wie Activision, Take 2 oder Konami halten sich bislang aber noch zurück und liefern bisher keine Spiele für die PS Vita.

Die Vollpreisspiele sind auf ROM-Karten für 40 bis 50 Euro zu haben. Die Download-Versionen im Playstation Store kosten 5 Euro weniger. Derart hohe Preise werden von den Publishern auf Dauer aber kaum zu halten sein. Attraktiver sind da schon Download-Spiele aus dem mittleren Preissegment, die auch spielerische Experimente wagen. Positiv aufgefallen sind uns das morbide "Escape Plan", das knifflige "A-Men", der Arcade-Shooter "Super Stardust Delta" sowie das toll zu steuernde Jump&Run "Tales from Space: Mutant Blobs Attack", die für 7 bis 15 Euro zu haben sind. Die PS Vita kann zudem Download-Spiele der PSP und die kleineren Minis-Spiele starten. Ein Import von UMD-Spielen ist nicht möglich, ebenso werden bislang weder PSOne- noch PS2-Spiele unterstützt, die seit neuestem im Playstation Store für die PS3 zum Download angeboten werden.

Doch billig ist das Ganze nicht: Sony verlangt für die WLAN-Version der PS Vita 250 Euro, die UMTS-Variante kostet 50 Euro mehr. Hinzu kommt eine Speicherkarte mit 4, 8 oder besser gleich 16 GByte, die zwischen 20 und 50 Euro kostet. Dann können Hardcore-Spieler mit dicker Geldbörse mit der PS Vita durchaus eine Menge Spaß haben. Sie dürften dankbar sein, dass Sony der Versuchung widerstanden ist, auf den Zug der billigen Smartphone-Spiele aufzuspringen. Die Studios loben die leichte Programmierung der PS Vita, die schnelle Portierungen bekannter Konsolenspiele erlaubt. Jedoch dürfte es sich als illusorisch erweisen, Mobilspiele für 50 Euro verkaufen zu können. Spannend ist der mittlere Preisbereich zwischen 5 und 20 Euro. In diesem kann die PS Vita mit Download-Titeln aufwarten, die deutlich gehaltvoller als übliche Smartphone-Spiele sind, aber trotzdem noch bezahlbar. Hier könnte genau die Nische liegen, in der mobile Spielkonsolen die kommenden Jahre überleben.

Einen ausführlichen Testbericht der PS Vita lesen Sie in der c't 6/12, ab kommenden Montag im Handel. (hag)