eBay zahlt Geld nicht aus

Wer etwas verkauft, tauscht im realen Leben Ware gegen Geld. Doch bei eBay nimmt das Geld des Käufers mitunter verworrene Wege und landet dann nicht immer beim Verkäufer.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Georg Schnurer

Lars L. gehörte zu den Glücklichen, die Ende August vom Ausverkauf des HP-TouchPad profitieren konnten. Er ergatterte sogar zwei der begehrten Geräte zum Schnäppchenpreis von je 99 Euro. Eines nahm er als mobilen Begleiter sofort in Betrieb, das zweite blieb erst einmal in der Originalverpackung und sollte später seinen festen Platz als Surf-Station im Wohnzimmer einnehmen.

Doch schnell stellte sich heraus, dass das zweite Gerät gar nicht erforderlich war: Alle geplanten Aufgaben ließen sich mit nur einem Touchpad erledigen. So entschloss sich Lars L., das überzählige Gerät bei eBay zu versteigern: „Ab 1 Euro“ stellte er das originalverpackte Gerät auf die Versteigerungsplattform. Als Zahlungsmethode wählte er die Optionen „Vorkasse per Überweisung“ sowie „Pay-Pal“.

Unfreiwillig Versuchskaninchen

Bei der Aktivierung der Auktion informierte ihn eBay mit einer lapidaren Mitteilung, dass er im Rahmen eines Pilotversuchs am Test eines neuen Zahlverfahrens teilnehme. Dem konnte er entweder zustimmen – oder eben nichts auf eBay verkaufen. Bei dem neuen Zahlverfahren arbeitet eBay quasi als Treuhänder. Das Geld des Käufers fließt zunächst auf ein Konto von eBay. Dort bleibt es maximal 14 Tage liegen, bis der Käufer den Empfang des Geräts über das eBay-System bestätigt hat. Danach transferiert eBay den Kaufpreis auf ein vom Verkäufer bestimmtes Auszahlungskonto.

Am 15. September um 19:32 Uhr ersteigerte ein gut bewerteter Käufer das HP-Tablet für 262 Euro. Kein schlechter Schnitt, dachte sich Lars L., und wartete auf die Bezahlung. Der Käufer überwies den Kaufpreis und die Versandkosten in Höhe von 6,90 Euro an eBay und das Aktionshaus informierte Lars L. über den Eingang. Daraufhin schickte er das Gerät am 21. September per DPD ab. Das Paket traf einen Tag später beim Käufer ein. Nun musste Lars L. noch eine Auszahlungsmethode wählen, damit die von eBay eingenommenen 268,90 Euro bei ihm landeten. L. entschied sich für „Überweisung aufs PayPalkonto“.

Nachdem das HP-Tablet einen so ordentlichen Kaufpreis erzielt hatte, beschloss Lars L., sich auch noch von seinem alten Notebook zu trennen. Das gut erhaltene 17"-Modell, ein HP Compaq CQ71-310sg, stellte er als Gebrauchtgerät ein. Auch bei dieser Auk tion rutschte Lars L. in den Pilotversuch für das neue Zahlverfahren von eBay. Das Notebook wurde am 28. September für 234 Euro ersteigert. Auch hier zahlte der Käufer den Kaufpreis nebst 6,90 Euro Versandkosten an eBay, und nach Eingangsbestätigung verschickte Lars L. das Notebook am 6. Oktober. Damit verwahrte eBay nun insgesamt 509,80 Euro treuhänderisch für den Kunden.

Bares auf Umwegen

Friss oder stirb: eBay lässt Kunden keine Wahl, ob sie am neuen Zahl - verfahren teil - nehmen wollen oder nicht. Wer die zugehörigen AGB nicht abnickt, kann keine Auktionen einstellen.

Laut eBay-Bedingungen sollte die Auszahlung des Kaufpreises spätestens 14 Tage nach dem Versand der Ware erfolgen. Damit hätte Lars L. die erste Auszahlung eigentlich bis zum 6. Oktober erhalten sollen. Der Kaufpreis des Notebooks hätte spätestens am 24. Oktober überwiesen werden sollen. Aber Lars L. konnte auf seinem PayPal-Konto keinen Zahlungseingang von eBay feststellen. Er beschwerte sich per Kontaktformular auf der eBay-Website und verlangte die Überweisung seiner 509,80 Euro. Doch so einfach sollte er nicht zu seinem Geld kommen. Der eBay-Support beantwortete jede seiner Beschwerden mit dem immer gleichen Textbaustein, der nur beschreibt, wie die Auszahlung theoretisch ablaufen sollte.

Nachdem er so nicht weiterkam, bemühte Lars L. die eBay-Hotline. Doch auch dort stieß er auf taube Ohren: Die zuständige Fachabteilung sei nur per E-Mail erreichbar, da könne man nichts machen, lautete die stereotype Antwort der Hotliner.

Anfang November gab es endlich einen kleinen Lichtblick: Bei einem weiteren Anruf versprach die Hotline, dass seine Zahlung nun auf die Auszahlungsliste gesetzt werde. Doch auf seinem eBay-Konto änderte sich nichts. Als Auszahlungsdatum stand da immer noch „Nicht verfügbar“.

Es folgten noch weitere Beschwerden bei der Hotline und über das eBay-Mailsystem, doch abgesehen vom immer gleichen Textbaustein erhielt Lars L. keine weiteren Informationen. Stattdessen berechnete ihm eBay schon mal die Verkaufsgebühren für die beiden verkorksten Auktionen und zog diese auch gleich von seinem Konto ein.

Als letzten Anlauf setzte der von eBay übervorteilte Verkäufer dem Unternehmen eine Frist von 14 Tagen zur Auszahlung seines Guthabens. Gleichzeitig bat L. die c’t-Redaktion um Hilfe.

Auszahlhemmung

Lars L. ist nicht der einzige, der unter eBays neuem Zahlungsverfahren leidet: Sucht man in den einschlägigen eBay-Foren nach den Stichwörtern „Pilotversuch“ und „Zahlverfahren“, so stößt man auf diverse Leidensgenossen. Es scheint also, als sei der Pilotversuch eBay über den Kopf gewachsen. Das eigentlich als Treuhänder agierende Unternehmen schlittert so bedenklich nahe an den Straftatbestand der Unterschlagung.

Doch auch ohne das neue Zahlverfahren ist es alles andere als einfach, Geld von eBay zu bekommen – selbst wenn es einem unzweifelhaft zusteht. So ärgert sich etwa Christoph W. maßlos über das Gebaren der Versteigerungsplattform – dabei war sein Kauf auf eBay zunächst wie mustergültig abgelaufen: Er ersteigerte am 18. Oktober eine gebrauchte Gastronomie-Kaffeemühle für 132,11 Euro. Die Bezahlung erfolgte umgehend per PayPal, und obwohl die Verkäuferin eigentlich keinen Versand angeboten hatte, verpackte sie die Maschine fein säuberlich und übergab sie dem vom Käufer beauftragten Transportunternehmen.

Das gute Stück kam wohlbehalten bei Christoph W. an und damit war die Angelegenheit für ihn eigentlich erledigt. Er bewertete die Verkäuferin positiv und bekam auch von ihr eine positive Bewertung – eine Bilderbuch-Auktion eben.

Das Bild trübte sich am 29. Oktober, als eine E-Mail von der Verkäuferin eintraf: Anja H. beklagte sich darüber, dass der Kaufpreis noch immer nicht bei ihr eingetroffen sei. Nanu, wunderte sich der Käufer, PayPal hatte die Überweisung doch bereits vor 10 Tagen ausgeführt und das Geld von seinem Konto eingezogen.

Das muss ein Missverständnis sein, dachte Christoph W. und übermittelte die Transaktionsnummer der PayPal-Überweisung an die Verkäuferin. Die wiederum konnte mit der Nummer überhaupt nichts anfangen, denn sie hatte gar kein PayPal-Konto. Nun war Käufer Christoph W. völlig verwirrt: Bei der Auktion war doch klar PayPal als Zahlungsmethode angegeben worden. Wie konnte das gehen, wenn die Verkäuferin gar kein PayPal-Konto hatte? Und wo war dann sein Geld gelandet? Schließlich hatte PayPal die gut 132 Euro bereits vor Wochen von seinem Konto abgebucht.

Nach etlichen Telefonaten mit der eBay-Hotline war zumindest eines klar: Das Geld ruhte bei eBay. Von dort werde es nach „7 bis 31 Tagen“ an die Verkäuferin weitergeleitet, ließ die Hotline den verdutzten Käufer wissen. Doch „7 bis 31 Tage“ waren schon vergangen und noch immer hatte eBay das Geld nicht ausgezahlt. Christoph W. erfuhr von der Hotline, dass eBay auf bestimmte Dokumente warte, die die Verkäuferin noch einreichen müsse, um an ihr Geld zu kommen. Worum es sich dabei handelte, wollte man dem Käufer nicht mitteilen – Datenschutz.

Nun stand Christoph W. in regem Mail-Kontakt mit der Verkäuferin und auch die wusste nicht, welche Dokumente eBay noch von ihr haben wollte. Also wandte sich Christoph W. an die c’t-Redaktion. Es ginge doch nicht an, schrieb er uns in seiner Mail, dass eBay sein Geld weiterhin zurückhalte, obwohl die Auktion doch geradezu vorbildlich von der Verkäuferin abgewickelt worden war.

Nachgefragt

Im ersten Fall rutschen Verkäufer ohne ihr Zutun in ein Pilotprojekt von eBay mit der Folge, dass sie trotz vielfältiger Bemühungen einfach nicht an ihr Geld kommen. Im zweiten Fall bemühen sich Käufer und Verkäuferin gemeinsam vergeblich darum, dass eBay das Geld, das der Verkäuferin rechtmäßig zusteht, auch an diese auszahlt. In beiden Fällen laufen die Kunden gegen eine Mauer aus Textbausteinen, und eBay kann sich derweil über die zinslosen Kredite freuen.

Wir baten Maike Fuest, die Leiterin der eBay-Pressestelle, uns zu erklären, was da bei eBay los ist. Warum zahlt man Lars L. nicht endlich sein Geld aus? Was hindert eBay daran, den von Christoph W. gezahlten Kaufpreis endlich an die Verkäuferin zu übermitteln?

Bereits einen Tag nach unserer Bitte um Stellungnahme tat sich Wunderliches: Auf dem PayPal-Konto von Lars L. materialisierten sich die lange vermissten 509,80 Euro. Bei den zugehörigen Auktionen stand freilich immer noch „Auszahlungsdatum: Nicht verfügbar“. Auch Anja H. konnte sich wenig später freuen: Auf ihrem Konto landeten nun endlich die knapp 140 Euro für die am 18. Oktober verkaufte Gastronomie-Kaffeemühle.

Im Falle von Lars L. habe es am 8. September 2011 den Verdacht gegeben, dass sich Fremde Zugang zum Kundenkonto verschafft hätten, erklärte uns die eBay-Pressesprecherin. Der Verdacht sei dadurch ausgelöst worden, dass die Auszahlungsmethode mehrfach hintereinander verändert worden sei. Man habe den Kunden daraufhin gebeten, ein neues Passwort zu vergeben, was Lars L. auch am 9. September tat.

Leider sei aber der Warnhinweis aufgrund eines noch nicht lokalisierten technischen Fehlers nicht gelöscht worden, so die Pressesprecherin weiter. Deshalb sei das Geld nicht an Lars L. ausgezahlt worden. Für die damit verbundenen Unannehmlichkeiten und die unzureichenden Antworten des Supports entschuldigte sich die Sprecherin im Namen von eBay ausdrücklich. Als kleine Entschädigung habe man Lars L. auf seinem eBay-Konto 50 Euro gutgeschrieben und einen PayPal-Gutschein in Höhe von weiteren 50 Euro übermittelt. eBay analysiere den Fall momentan, um zu ermitteln, warum das Konto trotz erfolgter Klärung weiterhin gesperrt war.

Bei der Auktion von Anja H. habe eBay die Auszahlungsfrist im Rahmen des neuen Zahlverfahrens verlängert, da es konkrete Hinweise gegeben habe, wonach das Konto der Verkäuferin mit einem anderen gesperrten eBay-Konto in Verbindung stehe, ließ uns die Pressesprecherin wissen. Man werde Anja H. nun persönlich über die Hintergründe der verlängerten Auszahlungsfrist informieren.

Dieser Beitrag erschien erstmals in c't Ausgabe 26/2011 auf Seite 72. Wir haben ihn jetzt online gestellt, nachdem eBay angekündigt hat, das beschriebene neue Bezahlverfahren in Kürze in Deutschland verbindlich einzuführen. (gs)