ACTA: EU-Parlament will gesonderte Prüfung durch EuGH

Der Handelsausschuss des Europaparlaments will bis zum Sommer einen Zwischenbericht zum umstrittenen ACTA-Abkommen erarbeiten. Strittige Punkte sollen dann gesondert dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt werden.

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David Martin, neuer ACTA-Berichterstatter im federführenden Handelsausschuss des EU-Parlaments, will bis zum Sommer einen Zwischenbericht zur Klärung offener Fragen rund um das umkämpfte Anti-Piraterie-Abkommen präsentieren. Damit soll dem Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion zufolge nicht nur die EU-Kommission konfrontiert werden. Vielmehr sprach sich der Brite am Dienstag dafür aus, die strittigen Punkte auch gesondert dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen. Zuvor hatte die EU-Kommission die Luxemburger Richter bereits mit einer Prüfung des Vertragstexts beauftragt.

Die EU-Kommission will hauptsächlich prüfen lassen, ob ACTA mit dem Gemeinschaftsrecht, den EU-Verträgen und den europäischen Grundrechten vereinbar ist. Bei der geplanten parlamentarischen Vorlage könnten zusätzliche Fragen gesammelt und die wichtigsten ausgesucht werden, betonte der Schattenberichterstatter Christofer Fjellner. Damit sei besser zu garantieren, dass auch Bedenken der Zivilgesellschaft mit aufgenommen würden, meinte das Mitglied der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP).

Fjellner zufolge haben sich zwar 50 Prozent der immer wieder gegen das Übereinkommen vorgebrachten Beschwerden mit der verabschiedeten Version erledigt. Außerdem bringe es nichts, aus den gestrichenen oder in Klammern gesetzten Passagen früherer Entwürfe auf die "wahren" Absichten des Vertrags schließen zu wollen. Dennoch enthalte auch der Abschlusstext noch zahlreiche interpretationsbedürftige Stellen.

Protest gegen ACTA in Hannover

(Bild: Martin Holland)

Martin sieht bei ACTA vor allem noch viele Fragen der Umsetzung offen. Auflagen an Internetprovider zum Implementieren von Systemen zur abgestuften Erwiderung auf Urheberrechtsverletzungen mit Sanktionen bis hin zu Zugangssperren nach dem Three-Strikes-Prinzip seien zwar gestrichen worden. Es könnten sich aus dem Text aber trotzdem neue Anforderungen an Zugangsanbieter ergeben. Auf Basis der Rechtseinschätzung des EuGH, mit der frühestens nach einem Jahr zu rechnen sei, werde das Parlament dann die weiteren Schritte planen. Sollten die Richter keine prinzipiellen Einwände haben, hieße das noch nicht, dass er eine Empfehlung für die Ratifizierung des Abkommens aussprechen werde. Erhebe der EuGH prinzipielle Bedenken, würde das aber wohl das Aus für ACTA in Europa bedeuten.

Der Berichterstatter betonte, er habe kein Interesse daran, mit dem Vertrag einzelne Verbraucher zu kriminalisieren. Es gehe nicht darum, Teenager zu bestrafen, die sich einzelne Musikstücke aus dem Netz rechtswidrig herunterladen. Provider hätten aber schon nach bestehendem EU-Recht gewisse Verpflichtungen, gegen rechtswidrige Webseiten vorzugehen. Einige "Unbestimmtheiten" des Abkommens müssten in diesen Punkten aber noch beseitigt werden. Martins Vorgänger, der französische Sozialist Kader Arif, war im Januar aus Protest gegen die "Maskerade" rund um die Übereinkunft zurückgetreten.

Die Betreiber der Aktionsseite Avaaz.org übergaben am Nachmittag knapp 2,5 Millionen Unterschriften einer Petition gegen ACTA an Vertreter des EU-Parlaments. Darin werden die Volksvertreter aufgerufen, für ein freies und offenes Internet einzustehen und die Ratifizierung der Übereinkunft abzulehnen. Diese könnte es Konzernen erlauben, das Netz zu zensieren, heißt es zur Begründung. Unlegitimierte Bürokraten hätten eng mit Konzern-Lobbyisten zusammengearbeitet, um sich ein Korsett für das Internet und viel zu scharfe Vollzugsverfahren auszudenken. (mho)