Urteil ermöglicht drei Jahre Haft für illegales Filesharing in Frankreich

Der französische Verfassungsrat hat in einer Grundsatzentscheidung das mehrfach verschärfte Gesetz zur Urheberrechtsreform für gültig erklärt, Klauseln zur Aufrechterhaltung etwa von Interoperabilität beim Digital Rights Management dagegen für nichtig.

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Der französische Verfassungsrat hat in einer Grundsatzentscheidung das mehrfach verschärfte und heftig umstrittene Gesetz zur Urheberrechtsreform in Frankreich im Prinzip für gültig erklärt. Gleichzeitig beanstandeten die hohen Richter der Nation allerdings mehrere besonders umkämpfte Paragraphen des Gesetzes, welche die französische Regierung als wesentlich für die Ausgewogenheit der Anpassung des Urheberrechts ans Informationszeitalter angesehen hatte. So kassierten die so genannten "Weisen" des Landes etwa den abgestuften Straftatenkatalog, mit dem das französische Kabinett Haftstrafen für private Tauschbörsennutzer ausschließen wollte. Auch die im Gesetzgebungsverfahren immer weiter abgeschwächte Interoperabilitätsklausel beim digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) bestand ihre Überprüfung nicht.

Das Ende Juni nach einer halbjährigen, überaus kontrovers geführten Debatte verabschiedete Gesetz sah auf Betreiben des französischen Kulturminister Renaud Donnedieu de Vabres für Filesharer, die nicht lizenzierte Musik zum Eigenbedarf herunterladen, ein anfängliches Bußgeld von lediglich 38 Euro vor. Die Strafen sollten sich beim stärkeren Konsum geschützter Werke immer weiter erhöhen. Anstifter zum illegalen Treiben in P2P-Netzen dagegen oder gewerbliche Raubkopierer hätten mit einer Strafe in Höhe von bis zu 300.000 Euro und zwei Jahren Gefängnis zu rechnen gehabt. Derartige "Bagatellklauseln" für Tauschbörsennutzer, wie sie in ähnlicher Form auch in Deutschland im Rahmen der hiesigen weiteren Urheberrechtsnovelle einmal geplant waren, dürfe es gemäß dem rechtlichen Gleichheitsgrundsatz nicht geben, befanden die Verfassungsrichter. Auch Filesharern drohen damit von vornherein Haftstrafen von bis zu drei Jahren und eine Geldbuße bis zu 300.000 Euro.

Mit der ebenfalls zu streichenden Interoperabilitätsklausel wollten Donnedieu de Vabres und die Volksvertreter erreichen, dass Nutzer gekaufte digitale Werke notfalls in andere Formate übertragen und nicht nur auf proprietären Playern abspielen können. Der entsprechende Paragraph sollte im Prinzip die Herausgabe von technischen Informationen regeln, die für das nahtlose Zusammenspiel verschiedener Systeme und Abspielgeräte erforderlich sind. Von diesen geplanten Rechten war im Lauf der Verhandlungen nicht mehr viel übrig geblieben. Trotzdem befand der Verfassungsrat, dass der Gesetzgeber den Begriff der Interoperabilität nicht ausreichend klar definiert habe und die ganze vage Klausel damit zu streichen sei. Es bleibt damit allein die Bestimmung bestehen, dass die Umgehung von DRM-Systemen auch in Frankreich strafbar wird.

Gleichzeitig schränkt das Grundsatzurteil auch die Möglichkeiten zum Erstellen von Privatkopien ein. Die Verfassungsrichter lehnten sich dabei an eine umstrittene Entscheidung des Kassationshofes an vom Februar an. Ein "absolutes Nutzerrecht" zum privaten Vervielfältigen gibt es demnach in Frankreich nicht. Der Verfassungsrat verweist in diesem Zusammenhang auf den so genannten Dreistufentest aus der Berner Urheberrechtsübereinkunft. Privatkopien dürfen demnach nicht die Regel sein, der normalen Werkverwertung nicht im Weg stehen und nicht übermäßig in die legitimen Interessen der Rechtehalter eingreifen.

Gerade bei kopiergeschützten DVDs dürfte das im Prinzip das Aus für die legale Anfertigung privater Kopien bedeuten. Inhalteanbieter können technische Schutzmaßnahmen anbringen, die keinerlei Vervielfältigungen erlauben. Die Verfassungsrichter ließen Verbrauchern und Verbänden an diesem Punkt aber eine Tür offen, um sich Privatkopien in niederen Instanzen doch noch einzuklagen und gegen zu weit gehende DRM-Systeme vorzugehen.

Bekräftigt hat der Verfassungsrat einen seit langem strittigen Artikel, der auf das Lobby-Aktivitäten des Medienriesen Vivendi Universal zurückgeführt wird. Ihm zufolge kann mit bis zu drei Jahren Haft und Geldstrafe von bis zu 300.000 Euro belegt werden, wer "wissentlich" und öffentlich Software verbreitet, die "offensichtlich darauf ausgerichtet ist", den unautorisierten Zugang zu geschützten Werken oder anderen Objekten zu gestatten. Open-Source-Anbieter fürchten, dass Basisprogramme aus der freien Softwarewelt unter dieses Verbot fallen. Eine vom Parlament durchgesetzte Einschränkung des Paragraphen, wonach das Verbot nicht im Wissenschaftsbereich greifen soll, haben die Verfassungsrichter indes nur stärker limitiert. Die Ausnahme gilt nun nur noch für Kryptographieforscher.

Das Urteil ist ein herber Rückschlag für die oppositionellen Abgeordneten insbesondere der Sozialisten, die hauptsächlich die Klage vor dem Verfassungshof vorangetrieben hatten und deutlich mehr Rechte für die Nutzer einfordern wollten. Die 20-seitige und nicht mehr anfechtbare Entscheidung ist ein klarer Sieg für die Rechtehalter, der auch bei einem Regierungswechsel dem Gesetzgeber weitgehend die Hände bindet. Aber auch die konservative derzeitige Regierungspartei hat mit dem Urteil eine schwere Schlappe erlitten.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)