Grüne warnen vor Nebenwirkungen von Suchmaschinen

Mit einer Broschüre will der kleine Koalitionspartner für mehr Transparenz bei der Nutzung der "Tore ins Netz" sorgen, auf Alternativen zu Google hinweisen und die Selbstregulierung der Branche forcieren.

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Die Fraktion der Grünen im Bundestag zeigt sich besorgt über die "Googlesierung" der Gesellschaft und aktuelle Tendenzen im Suchmaschinenmarkt. Mit einer 23-seitigen Broschüre, die am Montag auf der Fraktions-Website veröffentlicht wurde, will sie daher der Debatte über die Marktdominanz der Netzportale, die undurchsichtige Einordnung von Suchergebnissen in Ranglisten und die teilweise intransparente Nutzerdatenverwertung neue Nahrung geben. Die Suchmaschinenanbieter erinnern Grietje Bettin, die medienpolitische Sprecherin der Grünen, und ihre für Innenpolitik zuständige Kollegin Silke Stokar im Vorwort an "ihre große Verantwortung". Sie "entscheiden über die Hierarchisierung der Suchergebnisse und steuern die Aufmerksamkeitslenkung im Internet." Mehr Aufklärung über die Auswahlfunktionen von Suchmaschinen sei daher geboten.

Die Fraktionssprecherinnen begrüßen in diesem Sinne Initiativen, die sich zum einen mit der Funktionsweise vorherrschender Suchmaschinenanbieter beschäftigen und sich etwa um dezentrale Erfassung bereits vorhandener Netzinhalte bemühen, wie es sich beispielsweise der Verein zur Förderung der Suchmaschinen-Technologie und des freien Wissenszugangs ins Stammbuch geschrieben hat. Bettin und Stokar unterstützen zudem Selbstverpflichtungserklärungen der Betreiber, "um Standards wie Transparenz und Datensparsamkeit zu gewährleisten". Mehrere große deutsche Suchmaschinenbetreiber haben sich kürzlich darauf verständigt, einen entsprechenden "Ehrenkodex" zu beachten. Nicht unumstritten ist aber, dass dabei auch jugendgefährdende Seiten gemäß der Indizierung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ausgefiltert werden sollen.

In der Broschüre selbst, die den Titel "Suchmaschinen: Das Tor zum Netz" trägt, wirft der Autor Harald Neymanns zunächst einen Blick auf das Suchverhalten der Nutzer und die Eigenarten der Suchdienste. Er verweist darauf, dass Suchmaschinen keine neutralen Instanzen sind, die "mathematisch verlässlich" die besten Ergebnisse liefern. Es sei daher bedenklich, dass lediglich 40 Prozent der User einen zweiten Anbieter zu Rate ziehen würden. Die bisherige Stärke des Internet, dass im Gegensatz zu den traditionellen Massenmedien nicht nur wenige "Gatekeeper" in Form der großen Medienkonzerne die Agenda kontrollieren, drohe durch die momentan von Google ausgeübte Dominanz im Suchmaschinenmarkt unterwandert zu werden. Die Themensetzer seien dann allerdings nicht mehr Redakteure, "sondern Programmierer und deren Algorithmen".

Auch wenn die Lage noch nicht gefestigt sei und sich die Machtverhältnisse schnell ändern könnten, wird für Neymanns so deutlich, "dass es nur theoretisch unendlich viele Einstiegsmöglichkeiten in den Wissenspool WWW gibt". Für die "Durchschnittsnutzer" würden lediglich ein oder zwei Einstiegsportale existieren. Ähnlich wie bei Betriebssystemen oder Webbrowsern sollte aber auch hier gelten, "dass Vielfalt und Verschiedenheit von Vorteil" sind.

Die Broschüre weist auf zahlreiche Manipulationsmöglichkeiten der Trefferlisten hin wie etwa das "Cloaking", bei dem der Spider der Suchmaschine eine andere Site sieht als der Nutzer, oder den Aufbau von Linkfarmen zur Täuschung der Page-Rank-Technik Googles. Prekär erscheint Neymanns zudem die nicht immer klare Trennung zwischen Anzeigen und Suchergebnissen sowie das intensive Sammeln persönlicher Daten insbesondere beim Suchmaschinenprimus über dessen wachsende Familienmitglieder wie Google Groups, Gmail oder Blogger.com hinweg.

Politik und Wirtschaft hätten sich diesen Problemfeldern ebenso wie die Nutzer selbst zu stellen, schreibt der Verfasser. Daher hält er es für wichtig, "Alternativen zum momentanen Marktführer Google zu stärken". Dies könnte einerseits in der Nutzung bereits vorhandener, aber weniger bekannter Suchmaschinen oder Metasuchinstrumente liegen. Andererseits verweisen die Grünen auf Projekte zum Aufbau dezentraler Kataloge und Suchmaschinen wie das akademische Projekt Bielefeld Academic Search Engine (BASE) oder das wachsende Interesse an "freien Suchmaschinen" mit offen liegenden Algorithmen. Der Bundestag hatte sich Mitte 2004 bereits mit ganz ähnlichen Themen beschäftigt. (Stefan Krempl) / (hos)