Rechtsprofessor wirft US-Copyright-Lobby Doppelmoral vor

Michael Geist von der University of Ottawa meint, die US-amerikanische Unterhaltungs- und Softwareindustrie wende gegenüber anderen Ländern realitätsfremde Maßstäbe an.

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Michael Geist, auf Internet-Recht spezialisierter Professor an der Universität zu Ottawa, hat sich den vergangene Woche von der US-Lobbyorganisation International Intellectual Property Alliance (IIPA) vorgelegten Bericht über das Copyright-Regime in 60 Ländern der Welt vorgeknöpft. Er kommt in einem Beitrag für BBC News unter anderem zu dem Urteil, dass die IIPA von anderen Ländern fordere, was selbst im US-eigenen Digital Millennium Copyright Act (DMCA) nicht verankert sei. Dabei werde deutlich, dass die Copyright-Lobby den Realitätsbezug verloren habe und vom Rest der Welt isoliert sei.

Beim DMCA handele es sich um die aggressivste Umsetzung der 1996 verabschiedeten Vorgaben der World Intellectual Property Organization, schreibt Geist. Vor diesem Hintergrund verwundere es nicht, dass Länder, die die WIPO Internet Treaties noch nicht umgesetzt oder nicht unterzeichnet beziehungsweise ratifiziert haben, von der IIPA heftig kritisiert würden. Doch selbst Länder wie Japan und Neuseeland, die dem DMCA ähnliche Bestimmungen planen, gerieten ins Fadenkreuz der US-Lobbyisten.

Die IIPA lege nach dem Motto "tu, was ich sage, nicht, was ich tue" zweierlei Maß an, wenn sie Israel dafür kritisiere, eine dem US-Modell ähnliche Bestimmung für "fair use" einzuführen. Auch die in Neuseeland geplante Copyright-Reform komme bei der IIPA schlecht weg, obwohl die US-Gesetze seit Jahrzehnten liberaler seien. Kanada, Brasilien und Südkorea würden für Copyright-Sonderbestimmungen für Bildungs- und kulturelle Zwecken gescholten. Auf der Liste der Angemahnten befinden sich demnach 23 der 30 bevölkerungsreichsten Länder der Erde. Die Ausnahmen seien Großbritannien, Deutschland, Äthiopien, Iran, Frankreich, Kongo und Myanmar.

In der IIPA versammeln sich Verbände der US-amerikanischen Unterhaltungs- und Softwareindustrie wie die Motion Picture Association of America oder die Business Software Alliance. Die "Special Recommendations" gehen an die US-Außenhandelsvertreterin (US Trade Representative) Susan Schwab für ihren "Special 301 Report" über die weltweite Urheberrechtsgesetzgebung und "Piraterie". In den jüngsten IIPA-Empfehlungen werden erneut China und Russland als besondere "Problemländer" hervorgehoben. (anw)