Biometriekritiker auf staatlichem IT-Sicherheitskongress unerwünscht

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat den Dresdener Informatikprofessor Andreas Pfitzmann auf Grund "aktueller Entwicklungen" bei seiner Jahreskonferenz ausgeladen.

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Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat den Dresdener Informatikprofessor Andreas Pfitzmann auf Grund "aktueller Entwicklungen" bei seiner Jahreskonferenz ausgeladen. Der Datenschutzexperte sollte ursprünglich einen Vortrag halten zum Thema "Werden biometrische Sicherheitstechnologien die heutige IT-Sicherheitsdebatte vor neue Herausforderungen stellen?". In dem Manuskript für den abgesprochenen Beitrag, das Pfitzmann bereits Mitte Februar an die Bonner Behörde geschickt hatte, setzt sich der Informatiker kritisch mit den Möglichkeiten der Biometrie im Bereich der inneren Sicherheit allgemein sowie konkret mit den aktuellen umstrittenen Plänen der Bundesregierung zur Einführung biometrischer Merkmale in die Pässe und Personalausweise der Bundesbürger auseinander.

Das war der Behörde, die Bundesinnenminister Otto Schily untersteht, für den 9. Deutschen IT-Sicherheitskongress aber wohl doch zu heikel. Datiert vom 18. März erhielt Pfitzmann die Absage für seine Rede. In den letzten Monaten hab es "zahlreiche neue Entwicklungen und Themen" gegeben, "die unsere Teilnehmer im Kongress von uns präsentiert haben möchten", teilte BSI-Präsident Udo Helmbrecht dem Professor mit. Man sei deswegen wenige Wochen vor der Konferenz in der "misslichen Lage, das Programm nochmals ändern zu müssen".

Pfitzmann beklagt in einem Antwortbrief an Helmbrecht, Journalisten, Politiker und Wissenschaftler den "ungewöhnlichen Schritt" seitens des BSI. Den Brief nebst des nicht mehr untergebrachten Vortrags hat ein eifriger Blogger bereits im Internet veröffentlicht (ein Mirror der Dokumente findet sich zur Entlastung des unter der Zugriffslast ächzenden Servers unter www.aiki.de/files/pfitzmann.html). "Das Thema ist so aktuell und manche Argumente der Vortragsausarbeitung sind so brisant, dass einer der Entscheidungsträger meinte, Sie zu diesem für Sie selbst offenbar peinlichen Schritt veranlassen zu müssen", zieht der Experte den Umkehrschluss aus der offiziellen Absagebegründung.

Angesichts der "faktischen Machtverhältnisse" sei die Entscheidung zur Ausladung im Bundesinnenministerium (BMI) getroffen worden, vermutet Pfitzmann. Dieses habe schließlich in den letzten Monaten sowohl für die Biometrie in den Ausweisdokumenten, als auch für die von Pfitzmann in einer Schlussfolgerung seines Beitrags abgelehnte Vorratsdatenspeicherung engagiert. Und zwar "in einer Weise, dass hier offensichtlich jedes abwägende Augenmaß fehlt", empört sich der Professor, den das BMI noch vor vier Jahren mit der Ausarbeitung eines umfangreichen Gutachtens zur "Modernisierung des Datenschutzrechts" beauftragt hatte. Die Gegenargumente für die politische Position des BMI seien vermutlich als bedrohlich empfunden worden, könnten mit der Programmänderung aber nicht aus der Welt geschafft werden.

In dem Vortragsmanuskript zeigt sich Pfitzmann skeptisch über den Großversuch zur Einführung sicherer und anwendungsfreundlicher Biometriesysteme im Rahmen der technischen Aufrüstung der Ausweisdokumente. "Soweit ich zurückdenken kann", betont Pfitzmann, "sind solcherart sichere biometrische Systeme jeweils für in zwei Jahren angekündigt. Nach mehr als zwei Jahrzehnten beginnt mir der Glaube daran zu schwinden." Fragen des Datenschutzes im Sinne "informationeller Selbstbestimmung" seien darüber hinaus bei der "extrem fehler-intoleranten" Biometrie "noch schwerer befriedigend zu beantworten". So würden Forscher schon seit 15 Jahren berichten, dass "beispielsweise der tiefe Blick ins Auge auf die Netzhaut nicht nur hilft, Menschen zu unterscheiden, sondern auch am Montag bei Arbeitsantritt unbemerkt auszuwerten, wie tief sie am Wochenende ins Glas geschaut haben -- wenn nicht noch Persönlicheres." Insbesondere sorgt sich Pfitzmann aber über den sich abzeichnenden Einsatz des menschlichen Genoms als neues biometrisches Merkmal, da damit auch ererbte Eigenschaften vermessen werden könnten.

Pfitzmann kommt zu der Schlussfolgerung, dass biometrische Verfahren -- "sowohl was ihre kurz- und langfristige Sicherheit angeht, als auch im Hinblick auf ihre 'Nebenwirkungen' bezüglich dem Offenbaren medizinischer Daten" -- bei weitem nicht "so untersucht und stabil" seien, "dass mir ein massenhafter, flächendeckender Einsatz verantwortbar erscheint". Er warnt davor, dass sich die Menschen künftig möglicherweise "in der physischen Welt nicht mehr bewegen können, ohne mit jedem einzelnen Schritt personenbezogen auswertbare Spuren zu hinterlassen." (Stefan Krempl) / (jk)