Neuer US-Gesetzesvorschlag will Recht auf Privatkopie stärken

Die US-Abgeordneten Rick Boucher und John Doolittle planen mit dem "Fair Use"-Act, Nutzern das Umgehen von Kopierschutztechniken in sechs konkreten Fällen zu erlauben und Schadensersatzforderungen zu begrenzen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 98 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Der US-Abgeordnete Rick Boucher von den Demokraten und sein republikanischer Kollege John Doolittle haben im US-Repräsentantenhaus einen neuen Anlauf gemacht, um das ihrer Ansicht nach aus dem Lot geratene Copyright wieder ausgeglichener zu gestalten. Ihr entsprechender Gesetzesvorschlag hört auf den Titel "Freedom And Innovation Revitalizing U.S. Entrepreneurship Act", abgekürzt mit dem eingängigen Begriff "Fair Use". Die Vorlage beschreibt Ausnahmen von dem im Copyright verankerten alleinigen Rechtsanspruch der Verwerter etwa für Kopien für den privaten, nicht-kommerziellen Gebrauch und ist damit vergleichbar mit den "Schrankenregeln" im europäischen Urheberrecht. Diese "Fair Use"-Doktrin ist nach Bouchers Ansicht in den USA aber mit dem fast zehn Jahre alten Digital Millennium Copyright Act (DMC) komplett unter die Räder gekommen. Es sei daher höchste Zeit, die Rechte der Allgemeinheit gegenüber denen der Copyright-Inhaber wieder zu stärken.

Mehrere Anläufe haben die beiden Verfechter von Verbraucherinteressen bereits hinter sich. Zuletzt scheiterte ihre Initiative für einen Digital Media Consumer's Rights Act (DMCRA) am Widerstand der Copyright-Lobby. Der Entwurf für den "Fair Use"-Act geht daher erst gar nicht so weit wie sein Vorgänger, der unter anderem das Knacken der vom DMCA rechtlich geschützten Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) für private Zwecke grundsätzlich erlauben wollte. Der Neuversuch will den Segen des Gesetzgebers für das Umgehen von Kopierschutztechniken dagegen nur noch in sechs konkreten Fällen erteilen, wie es auch ein "Copyright-Register" der Library of Congress bereits vorsieht.

Das Knacken von Kopierblockaden soll demnach nun auch per Gesetz unter anderem bei Computer-Programmen, deren Zugang durch veraltete oder falsch funktionierende Hardware-Dongles gesperrt wird, bei Software oder Videospielen in veralteten Formaten oder in veralteter Hardware und bei E-Books gestattet werden, die in Formaten vorliegen, durch die etwa eine Vorlesefunktion für Behinderte nicht möglich ist. Die geplanten Ausnahmen vom Umgehungsverbot beziehen sich ferner auf Firmware in Mobiltelefonen, die anders nicht in spezielle drahtlose Netzwerke eingebunden werden könnten, oder auf DRM-Systeme, die Sicherheitsprobleme auf PCs verursachen. Auch bei audiovisuellen Werken aus dem Fundus einer Bibliothek einer Bildungsinstitution soll die Umgehung von Kopiersperren nicht unter Strafe stehen, wenn aus ihnen Teile für Unterrichtszwecke neu zusammengestellt werden.

Darüber hinaus wollen Boucher und Doolittle die möglichen Schadensersatzforderungen gegen Privatpersonen und Firmen begrenzen, die einer Urheberrechtsverletzung oder dem Verleiten dazu für schuldig befunden wurden. Bislang können Verletzte im Bereich geistiger Eigentumsrechte in den USA den bis zu dreifachen Satz des tatsächlich entstandenen Verlusts verlangen. Ziel der Abgeordneten ist es dabei, mögliche langfristige negative Auswirkungen auch auf die Innovation selbst auszuschließen, wie sie etwa im Umfeld des Urteils des obersten US-Gerichtshofs gegen Grokster und StreamCast Networks befürchtet wurden. Letztlich soll die "Betamax-Entscheidung" des Supreme Court von 1984 endlich gesetzlich umgesetzt werden. Danach verstößt ein Produzent eines auch zum illegalen Kopieren einsetzbaren Geräts nicht gegen das Copyright, solange der Apparat hauptsächlich rechtmäßigen Vervielfältigungszwecken dient.

Momentan werde der "freie Fluss von Ideen und Informationen" durch den DMCA deutlich eingeschränkt, wirbt Doolittle für den Vorstoß. Der "Fair Use"-Act schaffe hier bessere Anreize für Innovationen. Ohne die vorgeschlagenen Änderungen würden weniger digitale Medien gekauft, wenn deren Nutzung im Heimbereich von den Produktherstellern und den Programmierern von DRM-Systemen eingeschränkt werde, ergänzt Boucher aus wirtschaftlicher Sicht.

Kritiker des DMCA bemängelten dagegen bereits an der Entscheidung des Copyright Office der Library of Congress, dass Verbraucher auch weiterhin nicht das uneingeschränkte Recht auf Nutzung ihres erworbenen Eigentums hätten. Sie dürften weiterhin nicht einen Kopierschutz umgehen, um beispielsweise verplombte CDs auf dem PC abzuspielen, Backups zu erstellen oder Werbung auf DVDs auszuschalten. Die Bürgerrechtsvereinigungen IP Justice und Electronic Frontier Foundation (EFF) etwa fordern in diesem Sinne seit Langem, dass alle Verbraucher ihre DVDs, CDs und E-Books auf jedem gewünschten Gerät und auf jede gewünschte Weise benutzen können müssen. Als Unterstützer haben die beiden Abgeordneten dagegen bereits etwa die Consumer Electronics Association, die American Library Association, die Home Recording Rights Coalition und die Computer & Communications Industry Association gewonnen. (Stefan Krempl) / (vbr)