Nachfolgeregelung für den "Schultrojaner" stößt auf Widerstand

Die niedersächsische Landesschulbehörde verlangt von Schulleitern eine Erklärung, dass auf Rechnern ihrer Einrichtungen keine digitalen Kopien analoger Lehrmaterialien gespeichert sind. Lehrerverbände protestieren scharf.

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Die Durchsetzung des Urheberrechtsschutzes von Lehrmaterialien sorgt weiter für Wirbel. Hieß es im vergangenen Jahr zunächst, dass Schulbuchverlage einen speziellen Trojaner zum Aufspüren von Plagiaten auf "Speichersystemen" im Bildungsbereich einsetzen wollten, löst nun eine Ersatzmaßnahme einzelner Bundesländer bei Lehrervereinigungen Proteste aus. So verlangt etwa die niedersächsische Landesschulbehörde von Schulleitern schon seit Februar eine Erklärung, dass auf Rechnern ihrer Einrichtungen keine rechtswidrig angefertigten digitalen Kopien analoger Lehrmaterialien gespeichert sind. Die Aufforderung verpuffte bislang aber weitgehend.

Wie die "Neue Osnabrücker Zeitung" (NOZ) berichtet, sollen die Schulen in diesen Tagen eine "Erinnerung mit detaillierten Informationen" zur Notwendigkeit der Bestätigung erhalten. Hintergrund ist erneut der Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung urheberrechtlicher Ansprüche, den Vertreter der Bundesländer und verschiedene Verwertungsgesellschaften im Namen der Schulbuchverlage im Dezember 2010 abgeschlossen hatten. Das analoge Kopieren von Lehrmaterial bleibt damit im Rahmen einer Pauschalabgabe erlaubt; digitale Vervielfältigungen sind dagegen verboten. Die Länder haben sich zudem verpflichtet, bestenfalls durch technische Maßnahmen sicherzustellen, dass die unerlaubte Verbreitung digitalisierter Unterrichtsressourcen möglichst unterbleibt.

Da der dafür ins Spiel gebrachte "Schultrojaner" bei Datenschützern und im Bundesjustizministerium auf erhebliche Bedenken stieß, will Niedersachsen mit den Erklärungen der Behördenleitungen den Verpflichtungen aus der Übereinkunft nachkommen. Doch Lehrervertreter halten auch diesen Weg nicht für gangbar. Schulleitungen seien gar nicht in der Lage, sich einen Überblick über die Festplatteninhalte behördlicher IT-Systeme zu verschaffen, kontert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Der Schwarze Peter dürfe nicht an diejenigen weitergereicht werden, die vom Kultusministerium im Stich gelassen würden. Die Lehrer seien auf die "Digitalisate" dringend angewiesen, da die traditionellen Schulbücher oft völlig überaltert seien und sonst moderne Medien wie Whiteboards oder virtuelle Klassenzimmer nicht genutzt werden könnten.

Ähnlich sieht die Sache der Philologenverband Baden-Württemberg. Er kritisiert das Digitalisierungsverbot in einer aktuellen Stellungnahme (PDF-Datei) als absurd. Derzeit dürfe zwar die analoge Kopie einer Abbildung aus einem Schulbuch auf einem Overhead-Projektor im Unterricht gezeigt, eine vergleichbare Folie aber nicht auf "zeitgemäße Weise durch Einscannen des Bildes und Verarbeitung auf dem Computer" erstellt werden.

Dringend nötig sei daher eine Vereinbarung auch über eine Pauschalvergütung für die digitale Erstellung von Unterrichtsmaterialien zwischen den Rechteinhabern und den Ländern, schreibt der Lehrerverband. Parallel müssten die Kultusministerien einen zentralen Online-Materialpool mit urheberrechtsfreien Lehrmedien bereitstellen. Dies würde nicht nur Rechtssicherheit für Lehrer mit sich bringen, sondern auch die Verhandlungsposition gegenüber den Verwertungsgesellschaften stärken. Den Einsatz einer Plagiatssoftware sowie die Androhung automatischer disziplinarischer Konsequenzen bei Verstößen gegen die Vorgaben des Gesamtvertrags lehnt der Verband dagegen entschieden ab.

Das niedersächsische Kultusministerium kann die Aufregung nicht verstehen. Alle Landesbediensteten hätten sich an die geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu halten, betont die Regierungseinrichtung gegenüber der NOZ. Schulleiter könnten auch von Lehrkräften die gewünschte Erklärung erbitten, wenn sie sich nicht imstande sähen, sie selbst abzugeben. Die niedersächsischen Medienzentren hätten zudem bereits Online-Medien im Wert von vier Millionen Euro für Unterrichtseinsätze erworben. Diese könnten von allen Schulen des Landes kostenlos genutzt werden.

Ob eventuell doch noch Schultrojaner auf PCs und Server von Bildungseinrichtungen aufgespielt werden, ließ das Ministerium offen. Es obliege allein den Rechteinhabern, eine solche Technik gegen unlizenzierte Kopien bereitzustellen, heißt es in Hannover. Die Software müsste vor einem Einsatz aber mehrere Bedingungen erfüllen. So dürften etwa keine personenbezogene Daten an die Rechteinhaber oder die Schulverwaltungen übermittelt werden. Die Schulträger müssten das Programm ferner freigeben. (mho)