Bundesrat sägt am Richtervorbehalt bei Auskunftsanspruch gegen Provider

Der Rechtsausschuss der Länderkammer fordert eine deutliche Verschärfung des Regierungsentwurfs zur zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte, um Urheberrechtsverletzer im Internet besser zu erfassen.

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Der Rechtsausschuss des Bundesrats fordert eine deutliche Verschärfung des heftig umstrittenen Regierungsentwurfs zur einfacheren zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte, um Urheberrechtsverletzer im Internet besser zu erfassen. Den Fachpolitikern ist vor allem der geplante Auskunftsanspruch gegen Netzprovider nicht weit genug gefasst, mit dem die Bundesregierung gemäß einer entsprechenden EU-Richtlinie das illegale Treiben in Tauschbörsen eindämmen will. Demnach sollen hierzulande allgemein auch indirekt an Rechtsverletzungen beteiligte Dritte verpflichtet werden, die Identität von Verdächtigen preiszugeben.

Der Rechtsausschuss stößt sich in seinen Empfehlungen (PDF-Datei) für die Plenarsitzung der Länderkammer am kommenden Freitag etwa daran, dass Geschädigte eine von einer IP-Adresse aus erfolgte Verletzung ihrer Rechte "in geschäftsmäßiger Weise" nachweisen sollen. Sonst würde der Hauptanwendungsfall – die Urheberrechtsverletzung im Internet –nicht erfasst. Dies widerspreche einer Passage der Brüsseler Vorgabe, wonach die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe "wirksam, verhältnismäßig und abschreckend" sein müssen.

Entsprechend einer alten Forderung der Musikindustrie hält es der Ausschuss auch für nicht erforderlich, dass Rechtehalter dem Entwurf zufolge zunächst eine richterliche Genehmigung für die Abfrage von Bestandsdaten wie Name und Anschrift eines Nutzers hinter einer IP-Adresse einholen müssen. Insgesamt treibt die Rechtspolitiker die Sorge um, "dass das Ziel der Richtlinie nicht erreicht und der in einer wissensbasierten Volkswirtschaft "auch für die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit" bedeutsame Schutz für die Rechteinhaber "nicht verbessert wird".

Bei dem geplanten Auskunftsanspruch gegenüber Dritten räumen die Fachpolitiker zwar ein, dass die Vorgabe "höchst unklar" sei. Es bleibe etwa offen, "ob ein bereits anhängiges Gerichtsverfahren gegen den Verletzer oder aber die ­ auch außergerichtliche ­ Verfolgung von Ansprüchen gemeint ist." Problematisch erscheine auch, dass der Gesetzentwurf keine Aussage dazu treffe, "inwieweit die vorgesehenen Rechte mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen auf nationaler und europäischer Ebene kompatibel sind." Das gelte insbesondere im Hinblick auf die Regelungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG), des Telemediengesetzes (TMG) sowie des zu erwartenden Gesetzes zur Umsetzung der Brüsseler Vorgaben über die verdachtsunabhängige Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten.

Der geplante Richtervorbehalt bei Internetfällen passt dem Rechtsausschuss zufolge aber "nicht zum deutschen Zivilprozessrecht, belastet die Gerichte in hohem Maße und bürdet dem Verletzten erhebliche Kosten auf". Die Begründung der Regierung für die zusätzliche verfahrensrechtliche Hürde, wonach die Provider von Prüfpflichten entlastet werden sollen, erscheint den Fachpolitikern nicht stichhaltig. Ein Auskunftsanspruch bestehe nämlich – mit Ausnahme des Falls der Klageerhebung – nur bei einer "offensichtlichen" Rechtsverletzung. Dieses Kriterium sei gegeben, wenn ein Verstoß gegen das Urheberrecht "eindeutig" sei. "Zweifel in tatsächlicher, aber auch rechtlicher Hinsicht" würden dagegen die Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung ausschließen.

Besondere Vorschriften zum Schutz des Fernmeldegeheimnisses hält der Rechtsausschuss ebenfalls nicht für nötig. Das Grundgesetz schreibe hier zum einen nur einen Gesetzes-, nicht aber einen Richtervorbehalt vor. Zum anderen bedürfe es für den Regelfall des Auskunftsersuchens, in dem es um die Verknüpfung einer bestimmte IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einem Nutzer gehe, dieses besonderen Schutzes nicht. Unstreitig falle die dabei erfolgende reine Herausgabe von Bestandsdaten nicht unter das Fernmeldegeheimnis und werde daher als problemlos angesehen. Die Verwendung dynamischer IP-Adressen ändere an dieser Tatsache wenig.

Ergänzend weist das Fachgremium des Bundesrates darauf hin, dass gerade bei Rechtsverletzungen im Internet mit einer besonders hohen Zahl von Auskunftsverfahren zu rechnen sei, welche die zuständigen Gerichte in besonders hohem Maße belasten würden. Bei den Staatsanwaltschaften lägen bereits Anzeigen mit einer fünfstelligen Zahl von IP-Adressen vor. Dennoch könnten die Länderexperten das Bestreben der Bundesregierung nicht gutheißen, mit einer Gebühr in Höhe von 200 Euro pro Antrag die Lahmlegung des Justizapparates zu verhindern. Dies könne nämlich "eine Rechtsverfolgung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnlos erscheinen lassen". Es sei daher eine "andere gesetzliche Vorschrift" im Sinne von Paragraph 88 TKG ins Umsetzungsgesetz einzuführen, welche "die Weitergabe der Bestandsdaten auch unter Verwendung der Verbindungsdaten erlaubt".

Der Rechtsausschuss will zudem die heftig umstrittene Anzeigenmaschinerie der Firma Logistep salonfähig machen. Dem Ausschuss zufolge soll geprüft werden, "ob und gegebenenfalls wie es den Inhabern von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten ermöglicht werden kann, in datenschutzrechtlich unbedenklicher Weise an die Verkehrsdaten (IP-Adressen) potenzieller Urheberrechtsverletzer" zum Geltendmachen von Auskunftansprüchen zu kommen. Ohne Kenntnis oder Mitwirkung des Betroffenen dürften personenbezogene Daten bislang laut Bundesdatenschutzgesetz nur unter bestimmten Voraussetzungen erhoben werden. Diese liegen nach Meinung der Datenschutzaufsichtsbehörden nicht vor, "wenn unter Einsatz der speziellen Software die IP-Adresse bei einem Betroffenen heimlich erhoben wird".

Änderungsbedarf bestehe letztlich bei der vorgeschlagenen Regelung zum Schadenersatz. Dem Rechteinhaber sollte im Rahmen der Neuformulierung der einschlägigen Bestimmungen gestattet werden, unter bestimmten Voraussetzungen die doppelte Lizenzgebühr als vermuteten Verletzergewinn zu verlangen. Bisher erhalte der Rechteinhaber der Praxis häufig lediglich die einfache Lizenzgebühr, sodass für den Verletzer ein Verstoß relativ risikolos ist. Der Rechteinhaber werde – wenn der Verstoß überhaupt auffällt und beweisbar ist – faktisch so gestellt, als wenn er mit dem Verletzer einen Lizenzvertrag abgeschlossen hätte. Dazu wäre aber freiwillig vielleicht gar nicht bereit gewesen.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)