Au revoir, Pascal Cagni

Die Meldung vom Weggang des europäischen Apple-VP Pascal Cagni hat selbst Führungskräfte von Apple in der Europazentrale überrascht. Nun fragen sich alle, wie die von Apple angedeutete Neuausrichtung des Vertriebs aussehen wird.

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Von
  • Christoph Dernbach

Die Meldung vom Weggang des europäischen Apple-VP Pascal Cagni hat selbst Führungskräfte von Apple in der Europazentrale überrascht. Nun fragen sich alle, wie die von Apple angedeutete Neuausrichtung des Vertriebs aussehen wird.

Zwölf Jahre lang war Cagni der Statthalter von Apple in Europa. Zunächst in seiner Heimatstadt Paris, später, nach dem Umzug der europäischen Zentrale, in London. Mit dem Essen in England konnte sich der Lebemensch Cagni zwar nie so richtig anfreunden. Aber immerhin gewann der FC Chelsea sein Herz. Doch nun ist die französische Regentschaft in One Hanover Street in London Geschichte. Und selbst die meisten Apple-Beschäftigten haben keine Ahnung, warum Cagni das Unternehmen eigentlich verlässt oder gar verlassen muss.

Zu den merkwürdigen Umständen des Abgangs von Cagni gehört, dass sich Apple noch immer nicht in der Lage sieht, den Vorgang zu bestätigen. Dabei pfeifen nicht nur in London alle Spatzen vom Dach, dass der Bericht der französischen Tageszeitung Le Figaro zutreffend ist.

Für die meisten Apple-Kunden ist Pascal Cagni ein unbeschriebenes Blatt. Selbst in der französischen Wikipedia gibt es keinen Eintrag, obwohl er Träger des französischen Nationalordens Ordre national du Mérite ist und es nicht so viele Franzosen gibt, die bei großen internationalen Konzernen wie Apple Karriere gemacht haben. Bevor Cagni im Jahr 2000 von Steve Jobs zu Apple geholt wurde, hat er bei NEC/Packard Bell als Manager gearbeitet. Der Kistenschieber hat zwar nie coole Rechner gebaut, doch das Unternehmen galt in dieser Zeit selbst bei Apple als Vorbild beim Vertrieb von Computern. Unter Cagnis Ägide erreichte Packard Bell in Europa einen Anteil am Consumer-Markt von 12 Prozent. Und das hatte sich bis nach Cupertino herumgesprochen.

"Pascal hat durch ein aggressives Forcieren des Wachstums einen eindrucksvollen Verkaufserfolg erzielt", erklärte damals der Apple-Vertriebschef Mitch Mandich. Und wenn man sich heute in den Fluren von Apple so umhört, war das tatsächlich die Stärke des Franzosen. Er war nicht unbedingt ein charismatischer Typ, aber immer voller Elan, ein Antreiber, der sein Team nach vorne geführt hat.

Apple kann mit der Arbeit von Cagni eigentlich zufrieden sein. Die von ihm verantwortete Region hat in den vergangenen zwölf Jahren nicht nur ihr atemberaubendes Tempo halt können, sondern sich unter dem Strich sogar besser entwickelt als der Gesamtkonzern. Die Region, für die er bei Apple verantwortlich war, erreichte im vergangenen Jahr einen Umsatz von fast 28 Milliarden Euro und damit rund ein Viertel des Apple-Umsatzes. Inzwischen spielt es auch keine Rolle mehr, dass Cagni vor einigen Jahren noch den neuen Vertriebskonzepten wie den Apple Stores sehr skeptisch gegenüber stand und stattdessen zunächst stärker auf traditionelle Vertriebskanäle gesetzt hatte.

Wir können nun gespannt sein, wen Tim Cook und seine Leute an die Spitze der Europa-Organisation setzen werden. In einer merkwürdigen Erklärung von Apple hieß es, Tim Cook habe sich mehr als zehn Jahre lang um den Vertrieb gekümmert. "Als Tim dann die Position des CEO übernahm, haben wir einen frischen Blick darauf geworfen, wie diese Lücke geschlossen werden kann. In diesem Zusammenhang werden wir einige graduelle Veränderungen innerhalb des Vertriebs vornehmen, um dem enormen Wachstum bei Apple gerecht zu werden." Dieses Geschwurbel erinnert eigentlich an dunkle Zeiten in der Kommunikationspolitik. Dabei hatten wir doch den Eindruck, dass sich Apple in der Ära Tim Cook mit offenen Bemerkungen zu Problemthemen wie China oder Greenpeace erfreulich öffnet.

Bei Personalthemen scheint es Apple aber schwerer zu fallen, offen zu kommunizieren. Hat sich Cagni diesen "graduellen Veränderungen" verweigert und musste deshalb gehen? Oder wollte sich Monsieur Cagni eine Pause gönnen, um das Leben in seinem kleinen Schloss bei Paris zu genießen? Sucht er eine neue Herausforderung mit mehr Einfluss?

Eines scheint sicher: Der nächste Europa-Chef von Apple wird kein Franzose mehr sein. Auf der Landkarte in Cupertino liegt östlich von New York nur noch Großbritannien. Daher haben Manager aus Frankreich, Deutschland, Österreich der Schweiz und anderen wichtigen lokalen Märkten im Poker um wichtige Posten an der Apple-Führungsspitze schlechte Karten. (se)