Beckstein macht weiter Druck bei heimlichen Online-Razzien

Die Anschlagsgefahr sei hierzulande ernst zu nehmen, betonte der bayerische Innenminister bei der Vorstellung einer Zwischenbilanz des Verfassungsschutzes und forderte eine rasche Grundlage für Online-Durchsuchungen.

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Der bayerische Innenminister Günther Beckstein hat erneut einen Ausbau der Überwachung im Internet gefordert. Die Anschlagsgefahr sei hierzulande ernsthaft und gegenwärtig, betonte der CSU-Politiker bei der Vorstellung einer Zwischenbilanz (PDF-Datei) des bayerischen Verfassungsschutzes zum ersten Halbjahr 2007. Das Internet sei dabei "längst das zentrale Informations-, Kommunikations- und Propagandamedium für islamistische Extremisten und Terroristen geworden", von denen Beckstein weiterhin die "größte Bedrohung" für die innere Sicherheit ausgehen sieht. "Wir brauchen deshalb zur Verhinderung schwerster Straftaten in terroristischer Absicht unter engen rechtsstaatlichen Grenzen die Online-Durchsuchung von Computern."

Von konkreten Attentatsplänen wusste der designierte neue bayerische Ministerpräsident nicht zu berichten. Die Zahl der Gewalttaten im Bereich der "politisch motivierten Ausländerkriminalität" sei zudem weiterhin auf "niedrigem Niveau", heißt es in dem 46-seitigen Bericht. Der Minister machte aber deutlich, dass es letztlich vor allem Zufällen zu verdanken gewesen sei, dass in Europa in diesem Jahr bislang keine Anschläge gelungen sind. Angesichts dieser Bedrohungssituation müsse der Staat "alle rechtsstaatlichen Mittel ausschöpfen", um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten.

"So werden wir künftig zum Schutz unserer freiheitlichen Gesellschaft nicht daran vorbei kommen, in besonderen Einzelfällen und bei Beachtung aller rechtsstaatlichen Anforderungen auch auf Daten privater Computer zuzugreifen", sagte Beckstein. Wichtige Erkenntnisse, etwa über personelle Verknüpfungen, über Absprachen und Treffen zur Vorbereitung von Anschlägen oder über potenzielle Anschlagsziele, seien andernfalls oft nicht zu erlangen. "Wir brauchen die Möglichkeit, die Computer von Terroristen 'abzuschöpfen'", machte der Minister klar. Ein Richtervorbehalt würde dabei "auch den Rechten unbescholtener Bürger Rechnung" tragen.

Die Diskussion um eine gesetzliche Grundlage für die Ausforschung von Festplatten privater PCs und Speicherplattformen im Netz "muss jetzt zielstrebig und schnell zu Ende gebracht werden, damit wir zu Entscheidungen kommen", erklärte der Minister weiter. Er appellierte "ausdrücklich an die Vernunft unseres Koalitionspartners SPD, sich hier nicht weiter aus rein ideologischen Gründen den notwendigen Gesetzesänderungen zu verschließen". Im Gespräch ist auf Bundesebene bislang die Schaffung einer Lizenz für heimliche Online-Durchsuchungen für das Bundeskriminalamt (BKA), nicht jedoch die von Beckstein ebenfalls geforderte Befugnis für Verfassungsschützer.

Zugleich schloss sich der konservative Politiker Überlegungen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum Umgang mit terroristischen "Gefährdern" an: "Wir müssen auch die Frage beantworten, wie wir mit islamistischen Extremisten umgehen sollen, die hier unseren Staat bekämpfen, aber nicht außer Landes gebracht werden können, weil sie Abschiebeschutz genießen." Schäuble hatte hier unter anderem Kommunikationsverbote per Handy oder E-Mail ins Spiel gebracht. Die bayerische FDP bezeichnete die Forderungen als "völlig fehl am Platz". Die Landtags-Grünen warfen dem Innenminister vor, "keine Lösungsansätze" für die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Terrorismus zu haben.

Im benachbarten Sachsen sorgen derweil weiter Meldungen über eine angeblich eigenmächtige Form der Online-Razzia durch den Chef des des Bundespolizeiamtes in Chemnitz, Deltlef Fritzsch, für Wirbel. Der Spitzenbeamte steht unter Verdacht, die E-Mail-Konten von Bundespolizisten auf der Suche nach einem erotischen Kettenbrief ausspioniert zu haben. Wie das Nachrichtenmagazin Focus berichtet, hat die Staatsanwaltschaft Zwickau gegen Fritzsch und vier seiner Mitarbeiter ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Wegen "Ausspähen von Daten" nach Paragraph 202a Strafgesetzbuch (StGB) drohen dem Behördenleiter bis zu drei Jahre Haft.

Nach Dienstschluss sollen Internet-Spezialisten der Behörde die Passwörter von mindestens 50 Beamten geknackt und deren E-Mails durchforstet haben. Betroffen waren vermutlich auch nicht-berufliche Nachrichten, da laut einer Dienstvereinbarung von April 2006 allen Bundespolizisten erlaubt ist, ihre E-Mail-Adressen auch privat zu nutzen. Selbst die einen besonderen Vertrauensschutz genießenden Daten von drei Personalräten sind laut Focus ausspioniert worden. In einem Mitarbeiterbrief räumte Fritzsch demnach die Schnüffelaktion inzwischen ein und entschuldigte sich.

Die heimliche Online-Durchsuchung von Computern stößt bei vielen Datenschützern und Juristen auf Skepsis. Sie melden grundsätzliche Bedenken an und warnen vor eventuell angestrebten Grundgesetzänderungen. Siehe dazu:

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)