Softwarepatente: Lobbykampf vor der 2. Lesung

Die EU-Parlamentarier sollen im Juli über rund 220 Änderungsanträge an der Patentrichtlinie abstimmen, doch die Meinungsbildung gestaltet sich schwierig in einer sich weiter zuspitzenden Lobbyschlacht.

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In Brüssel hat die Hochkampfzeit rund um die Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" begonnen. Bis zur 2. Lesung im EU-Parlament, die Anfang Juli stattfinden soll, reiht sich ein Lobbytermin an den nächsten. Die European Internet Foundation lädt für den 24. Mai zu einer "Frühstücksdiskussion" mit Softwarepatentbefürwortern. Die Gegner treffen sich auf der Konferenz des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) am 1. Juni und tags darauf bei einer Veranstaltung der Grünen mit Richard Stallman, dem Pionier der freien Softwarebewegung. Eine Anhörung im Rechtsausschuss des EU-Parlamentes ist für den 23. Mai angesetzt.

Die Qual der Wahl bei der entscheidenden Abstimmung ist groß: Gut 220 Anträge haben Abgeordnete eingebracht, mit denen sie sich für deutliche Änderungen am Vorschlag des EU-Rates aussprechen. Die meisten davon halten am Ergebnis der 1. Lesung statt, in der die Parlamentarier reinen Softwarepatenten eine klare Absage erteilt haben. Aber um ins Gewicht zu fallen, müssen Änderungsvorschläge eine absolute Mehrheit erhalten. Jede Enthaltung oder nicht abgegebene Stimme zählt für die Ratsversion. Das Ergebnis ist noch offen, da viele Abgeordnete erst im Sommer 2004 ins Parlament eingezogen sind und die 1. Lesung nicht mitgemacht haben. Dementsprechend hoch sind die Lobbybemühungen.

Im Lager der Befürworter der Ratslinie verschafft sich verstärkt der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) Gehör. Seit der Hannover Messe kämpft dessen Führungsriege für einen starken Patentschutz, wofür ihr die FAZ gerade viel Platz eingeräumt hat. "Konsequenzen bis hin zur Gefährdung von Menschenleben" und "Milliardenverluste" werden dort prognostiziert, falls die Parlamentarier an ihrer softwarepatentkritischen Haltung festhalten und statt geschützter proprietärer Entwicklungen Open Source weiter um sich greife.

Mit Gunther Kegel war am gestrigen Donnerstag ein ZVEI-Vorstandsmitglied auch bei einer Anhörung der CDU im Landtag von Baden-Württemberg zu Softwarepatenten vertreten. Dorothee Belz aus der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland plädierte dort ebenfalls für die Ratsversion der Richtlinie. "Alle im Plenum waren aber gegen Softwarepatente", erklärte Kurt Jaeger gegenüber heise online, der als Telekommunikationsexperte des DIHK auf dem Podium saß. Etwa 100 Mittelständler seien versammelt gewesen, die längst davon genervt seien, dass die Politik überhaupt noch an der Richtlinie feile. Für Jaeger ist klar: Nur eine Ablehnung des Gesetzgebungsvorschlags oder seine "signifikante Verbesserung" kommt für die Millionen europäischen kleineren und mittleren Unternehmen in Frage. Von denen halte nur "ein marginaler Bruchteil Patente", während ihre Gesamtheit von der Innovationsabnahme durch die sich abzeichnende Konzentration im Softwaremarkt und die Verteuerung der Herstellung bedroht wäre.

"Es ist darauf zu achten, dass mittelständische Unternehmen weiterhin erfolgreich arbeiten können", zog der EU-Abgeordnete Kurt Lauk (CDU) als Fazit aus der von ihm angestoßenen Veranstaltung. Wo genau die deutschen Christdemokraten ihr Kreuzchen machen werden im Juli, wissen diese aber größtenteils noch nicht. Wenn die Unternehmen wollten, dass gewisse Änderungen das Rennen machen, sollten sie die Abgeordneten direkt ansprechen, gab der EU-Parlamentarier Rainer Wieland in Stuttgart zu verstehen. E-Mails könne man rascher löschen, sagte er in Richtung einer internetbasierten Lobbykampagne von Campact, die Mitte der Woche bereits auf 2400 Teilnehmer verwies.

Die Initiative hessischer Unternehmen gegen Patentierbarkeit von Software versucht den 97 deutschen EU-Abgeordneten mit eigener Homepage derweil anhand der eigenen Betroffenheit die Auswirkungen der Ratslinie vor Augen zu führen. Im Rahmen des Tests "Patentes Web" fand sie heraus, dass 77 der Webpräsenzen der Parlamentarier wahrscheinlich mindestens zwei von zehn für den Check herangezogener Patente verwenden, die beim Europäischen Patentamt eingereicht wurden. Auch die Abgeordneten würden demnach an Lizenzkosten für die "trivialen Patente" kaum herumkommen.

Auch neu hinzugekommene Lobbyisten sorgen für Zuspitzungen. So hat die erst kürzlich gegründete Berliner Gesellschaft Emcita (European Media, Communication and Information Technology Association) gerade die Mitglieder des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW) angeschrieben und zur Palastrevolte aufgefordert. Als der BVDW noch dmmv hieß (Deutscher Multimediaverband), stärkte er dem EU-Parlament nach der 1. Lesung den Rücken. Seit "der Wahl von Gregory Blepp (The SCO Group) zum Vorsitzenden der BVDW-Fachgruppe Softwareindustrie", habe sich aber eine Kehrtwende hin zur Befürwortung der Ratsversion vollzogen, konstatiert die Emcita. Sollte sich diese Fassung durchsetzen, "können Sie in Zukunft regelmäßig mit Verletzungsverfahren von Patentinhabern rechnen".

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (anw)