Neue Demo gegen den Überwachungsstaat im Herbst

Bürgerrechtsgruppen rufen zu einer Kundgebung gegen den "Sicherheits- und Überwachungswahn" am 20. Oktober in Bielefeld vor der Verleihung der Big Brother Awards 2006 auf, um ein Zeichen für die Grundrechte zu setzen.

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Bürgerrechtsgruppen rufen für den 20. Oktober zu einer weiteren Kundgebung gegen den "Sicherheits- und Überwachungswahn" in Bielefeld auf. Sie wollen mit der Demonstration vor der Verleihung der Big Brother Awards 2006 ein Zeichen für den Erhalt der Grundrechte auch in Zeiten der verstärkten Terrorismusbekämpfung setzen. "Nach den fehlgeschlagenen "Kofferbombenanschlägen" in Deutschland stehen weiter verschärfte Sicherheits- und Überwachungsbefugnisse auf der politischen Agenda", warnen die Organisatoren. Dabei bewirkt die zunehmende elektronische Erfassung und Überwachung der gesamten Bevölkerung ihrer Ansicht nach keinen verbesserten Schutz vor Kriminalität. Sie koste aber Millionen von Euro und gefährde die Privatsphäre Unschuldiger.

"Staat und Unternehmen registrieren, überwachen und kontrollieren uns immer vollständiger", heißt es in dem Aufruf für die Protestaktion weiter. "Egal, was wir tun, mit wem wir sprechen oder telefonieren, wohin wir uns bewegen oder fahren, mit wem wir befreundet sind, wofür wir uns interessieren, in welchen Gruppen wir engagiert sind ­ der 'große Bruder' Staat und die 'kleinen Brüder' aus der Wirtschaft wissen es immer genauer." Doch wo Angst und Aktionismus regiertn, blieben gezielte und nachhaltige Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheit auf der Strecke. Vernachlässigt würde auch ein Angehen der wirklichen, alltäglichen Probleme der Menschen wie Arbeitslosigkeit oder Armut. Wer sich ständig überwacht und beobachtet fühle, könne sich ferner nicht mehr unbefangen und mutig für seine Rechte und eine gerechte Gesellschaft einsetzen. Es entstehe allmählich eine unkritische Konsumgesellschaft von Menschen, die "nichts zu verbergen" haben und dem Staat gegenüber ­ zur vermeintlichen Gewährleistung totaler Sicherheit ­ ihre Freiheitsrechte aufgeben.

Mitte Juni waren zum ersten Mal rund 250 besorgte Bürger in Berlin auf die Straße gegangen, um gegen die zunehmende Rundum-Überwachung zu protestieren. Anstoßgeber in beiden Fällen: die Initiative gegen die Vorratsdatenspeicherung. Sie setzt sich vor allem gegen die verdachtsunabhängige sechs- bis 24-monatige Überwachung der elektronischen Spuren der 450 Millionen EU-Bürger ein. Dazu hat Brüssel die Telekommunikationsanbieter in der EU im Rahmen einer umstrittenen Richtlinie verpflichtet. Unterstützer der Demonstration sind außerdem der Chaos Computer Club (CCC), das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF), die Datenschutzvereine FoeBuD und STOP1984, das Netzwerk Neue Medien, die Humanistische Union sowie der Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft (Fitug).

Die Demo-Veranstalter fordern neben einem Nein der Politik zur "Totalprotokollierung" der Telekommunikation einen Stopp der Videoüberwachung des öffentlichen Raums und einen Verzicht auf eine automatische Gesichtskontrolle in diesem Zusammenhang sowie den Stopp von Biometrie und RFID-Chips in Ausweisen und Pässen. Ferner wenden sie sich gegen eine Aufzeichnung des Flugreiseverkehrs und einen automatischen Kfz-Kennzeichenabgleich auf öffentlichen Straßen. Weiter plädieren sie dafür, aller seit 1968 beschlossenen Überwachungsgesetze auf ihre Effektivität und schädlichen Nebenwirkungen hin unabhängig überprüfen zu lassen. Neue Anläufe für Kontrollgesetze sollen sofort beendet werden. Treffpunkt für die Veranstaltung, die unter dem Motto "Freiheit statt Angst" steht, ist an der Westseite des Bielefelder Bahnhofs um 15 Uhr. (Stefan Krempl). (je)