Neuer Richtlinien-Entwurf für verwaiste Werke

Bücher, Filme und andere Werke, für die sich keine Rechteinhaber mehr finden lassen, sollen in nicht-kommerziellen Projekten verfügbar gemacht werden dürfen. Auf diese Linie einigten sich EU-Rat und EU-Parlament in einem neuen Entwurf.

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Verhandlungsführer des Rats und des Parlaments der EU haben sich am Mittwoch auf eine gemeinsame Linie zu den sogenannten verwaisten Werken verständigt. Demnach sollen Bücher, Filme, Fotos oder andere geistige Schöpfungen, für die kein Rechteinhaber mehr auffindbar ist, in nicht-kommerziellen Projekten verfügbar gemacht werden dürfen. Sollten im Nachhinein doch noch Ansprüche auf die Werke erhoben werden, sieht der Vorstoß eine angemessene Vergütung vor. So sollen Projekte zur Digitalisierung des kulturellen Erbes beflügelt und aufwendige Gerichtsverfahren wie im US-Streit um Google Books vermieden werden.

Laut dem Richtlinien-Entwurf soll ein Werk dann als verwaist gelten, wenn eine in gutem Glauben durchgeführte, "sorgfältige" Suche nach potenziell rechtmäßigen Verwertern ergebnislos blieb. Dafür würden im Text klare Kriterien vorgegeben, heißt es in einer Mitteilung des EU-Parlaments. Ein als verwaist erklärtes Werk solle diesen Status dann in allen Mitgliedsstaaten haben. Eingeschlossen werden sollten auch audiovisuelle oder gedruckte Materialien, die bislang nicht offiziell veröffentlicht, aber über Einrichtungen wie Bibliotheken bereits verfügbar gewesen seien.

Geeinigt haben sich beide Seiten auch auf eine Klausel, die öffentliche Institutionen vor unverhältnismäßigen Nachzahlungen schützen soll, falls sich doch noch ein Rechteinhaber meldet. Sie sieht vor, dass auf Basis des tatsächlich entstandenen Schadens für die Interessen des Autors entschädigt werden soll. Dabei wäre auch zu berücksichtigen, dass die Werke nicht gewerblich genutzt werden sollen. Vertreter des Ministerrats akzeptierten aber auch einen Vorschlag der Abgeordneten, wonach öffentliche Einrichtungen Umsätze mit verwaisten Werken erzielen dürften – etwa durch Andenkenverkauf in einem Museumsgeschäft. Die Einnahmen müssten dann aber für das Suchverfahren oder den Digitalisierungsprozess ausgegeben werden.

Die parlamentarische Verhandlungsführerin, die polnische Sozialdemokratin Lidia Geringer de Oedenberg, bezeichnete den Kompromiss als einen "ersten Schritt hin zur Harmonisierung der Copyright-Bestimmungen in der EU". Binnenmarktkommissar Michel Barnier begrüßte die Absprachen. Die vorgesehene Richtlinie für verwaiste Werke liefere den rechtlichen Rahmen für die europäischen Büchereien, Archive, Rundfunksender und anderen Organisationen, die ihre Sammlungen online anbieten wollen. Auch das virtuelle Bibliotheksprojekt Europeana werde davon profitieren. Der Entwurf, bei dem es sich um das erste Projekt aus dem Strategiepaket der Kommission zum Schutz der Rechte an immateriellen Gütern handelt, muss noch vom federführenden Rechtsausschuss im Parlament, vom Plenum sowie im Rat offiziell abgesegnet werden. (axk)