Spendenflaute: New Yorker Privatsphären-Provider scheitert

Das Projekt eines Providers, der die Privatsphäre seiner Nutzer schützt, ist schon vor dem Start an Geldmangel gescheitert.

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Der US-Provider "Calyx Institute" sollte ganz speziell die Privatsphäre seiner Kunden schützen. Doch das Projekt ist schon vor dem Start an Geldmangel gescheitert. Eine Online-Spendenaktion auf Indiegogo.com ist am Freitagmorgen nach zwei Monaten erfolglos zu Ende gegangen. Statt mindestens einer Million Dollar (zirka 800.000 Euro) sind gerade 70.000 Dollar (55.000 Euro) zusammengekommen.

Der US-Amerikaner Nick Merrill wollte mit Calyx einen günstigen Internet Provider (ISP) gründen, der den gesamten Datenverkehr soweit möglich vom Endgerät bis zum aufgerufenen Server verschlüsselt. Somit hätte der ISP nicht mitlesen können, was übertragen wird, und damit Dritten auch keine Auskunft darüber geben können. E-Mails sollten nach Empfang so verschlüsselt werden, dass sie nur vom Endkunden gelesen werden können. So wäre zumindest am Server der Inhalt der Nachricht geschützt gewesen. Netzneutralität und Flatrate waren selbstverständlich, alle Systeme sollten Open Source sein. Riseup hatte angeboten, das Backend-System kostenfrei zu programmieren. Auch hatten Anwälte ihre unentgeltliche Unterstützung zugesagt.

Zur Anbindung der Endkunden sollte sich Calyx in ein Wimax-Netz einmieten, das 70 Regionen der USA erreicht. Darauf hätte dann ein VPN aufsetzen und alle Verbindungen verschlüsseln sollen. Beim Wimax-Betreiber wären zwar Bewegungsprofile angefallen, aber ohne die Namen der Endkunden.

Die Spendenkampagne zum Aufbringen des Startkapitals begann viel versprechend: Am ersten Tag kamen 43.000 Dollar herein. Dann aber versiegte der Strom. Auch ein letzter Aufruf vergangene Woche mit einem "zurückgeschraubten Ziel" von 100.000 Dollar brachte keine Trendwende. Mit 70.000 Dollar wurden alle Ziele weit verfehlt, wodurch Indiegogo statt 4 nun 9 Prozent an Spesen einbehalten wird.

Doch Merrill will nicht aufgeben, auch wenn unklar ist, wie es jetzt weitergehen kann. Er ist für seine Hartnäckigkeit bekannt: Schon einmal hat er einen ISP namens Calyx betrieben. In dieser Funktion erhielt er 2004 einen geheimen "National Security Letter" des FBI. Unter Berufung auf den US Patriot Act wurden damit Daten über einen Kunden angefordert. Über den Brief selbst sollte Merrill bis in alle Ewigkeit schweigen.

Normalerweise spielten Telecom-Betreiber, Bibliotheken und andere Informationsquellen bei solchen FBI-Anfragen brav mit. Manche ISP gaben sogar mehr Daten heraus als verlangt. Merrill aber engagierte über die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) einen Anwalt und bekämpfte den FBI-Befehl. Denn kein Richter hatte diese Anordnungen überprüft.

Das Gerichtsverfahren musste Merrill anonym über einen Anwalt führen. Selbst durfte er nicht vor Gericht auftreten, weil das den Schweigebefehl verletzt hätte. Im September 2004 erklärte ein Bezirksgericht Teile des US Patriot Act für verfassungswidrig, woraufhin der US-Kongress eine Novelle verabschiedete. Im November 2006 zog das FBI den Geheimbrief zurück, hielt die Schweigeorder aber aufrecht. Also prozessierte Merrill weiter.

Im Dezember 2008 verpflichtete das Berufungsgericht das FBI zu beweisen, dass eine Veröffentlichung eines National Security Letters die Nationale Sicherheit gefährde. Erst nach über sechs Jahren Verfahrensdauer, im Sommer 2010, wurde der Schweigebefehl von einem Bundesgericht teilweise aufgehoben. Was vom FBI erfragt wurde ist noch immer geheim; aber Merrill darf seither sagen, dass er so einen Brief bekommen hat. (anw)