Schäuble bespricht Terrorabwehr mit USA und Russland

Der Bundesinnenminister will den transatlantischen Informationsaustausch im Sicherheitsbereich weiter intensivieren, gemeinsame Ansätze zur Internetüberwachung voranbringen und den Flugdatentransfer neu regulieren.

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Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, gegen den es momentan Proteste von allen Seiten wegen seiner Pläne zur Ausweitung des Überwachungsnetzes hagelt, hat sich vor Ostern noch viel vorgenommen. Am heutigen Mittwoch trifft sich der amtierende Ratsvorsitzende der EU-Innenminister in Berlin mit dem US-Minister für Homeland Security, Michael Chertoff, Russlands Präsidentenberater Viktor Iwanow und dem russischen Innenminister Raschid Nurgalijew sowie EU-Justizkommissar Franco Frattini. Schwerpunkt der Beratungen sollen zuvorderst gemeinsame Interessen im Bereich der Terrorismusbekämpfung sein. Aber auch der Grenzschutz und der Kampf gegen die Drogenproblematik in Afghanistan als Beitrag zur Stabilisierung des Landes werden besprochen.

Nur einen Tag später, am Gründonnerstag, will der CDU-Politiker dann mit Frattini, Chertoff, dem stellvertretenden US-Justizminister Kenneth Wainstein sowie Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) tagen. Die Terrorabwehr steht auch hier ganz oben auf der Agenda, zudem die Besprechung des in Grundzügen schon vereinbarten "intensiveren Informationsaustauschs" in Sicherheitsfragen mit den USA.

Für Schäuble ist es bei der Behandlung "international bedeutender Sicherheitsfragen besonders wichtig, eng und vertrauensvoll mit den Vereinigten Staaten zu kooperieren". Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft wolle daher die "strategisch wichtigen transatlantischen Beziehungen" weiter stärken. Aber auch "schwierige Themen" seien anzusprechen und voranzubringen. Der Innenminister will etwa "eine erste Bilanz der bisherigen Arbeiten zur Festlegung gemeinsamer Grundprinzipien des Datenschutzes beim Informationsaustausch im Sicherheitsbereich ziehen". Hierzu lägen erste Ergebnisse der anlässlich der letzten EU-USA Gespräche im November eingerichteten "hochrangigen Kontaktgruppe zum Datenschutz vor". Gemeinsames Ziel sei es, "den transatlantischen Informationsaustausch im Sicherheitsbereich weiter zu verbessern und zu intensivieren."

Die deutsche Ratspräsidentschaft hat Mitte März einen neuen Vorschlag für einen EU-Rahmenbeschluss zum Datenschutz im Sicherheitsbereich unterbreitet, wonach etwa der besonders umkämpfte Austausch von Polizeidaten mit Drittstaaten wie den USA von den Regelungen unberührt bleiben soll. Die Bundesregierung will damit dem transatlantischen Partner weit entgegenkommen: Vertreter Washingtons hatten bereits frühzeitig ihr Missfallen über die zunächst von der EU-Kommission ins Spiel gebrachte und unter anderem von EU-Datenschützern sowie dem EU-Parlament unterstützten restriktive Drittstaatenregelung deutlich gemacht. Den USA geht es beispielsweise darum, die auf Basis der Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung gesammelten Telefon- und Internetdaten auch für ihre Behörden nutzen zu dürfen. Laut dem Kommissionsentwurf sollte der Transfer von Polizeidaten aber nur gestattet werden, wenn die Bezieher selbst einen "angemessenen Datenschutz" nach EU-Standards gewährleisten.

Ebenfalls Thema der Konsultationen am Donnerstag wird der Stand der Verhandlung eines neuen transatlantischen Abkommens zur umstrittenen Übermittlung von Flugpassagierdaten (Passenger Name Records, PNR) sein. Das kurzfristig zwischen der Brüssel und Washington im Rahmen der intergouvermentalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten ausgehandelte Interimsabkommen ist bis Ende Juli befristet und muss deshalb ersetzt werden. Der neue Vertrag soll laut Innenministerium "langfristig Rechtssicherheit schaffen, ein hohes Maß an Sicherheit gewährleisten und einen soliden Datenschutz bieten." Die laufenden Verhandlungen der EU mit den USA leitet die deutsche Ratspräsidentschaft in enger Kooperation mit der Kommission; Chertoff aber reklamierte bereits kurz vor seinem Besuch in Europa das "absolute Recht" der USA auf persönliche Daten von Europäern bei der Einreise.

Im Bereich der Terrorismusbekämpfung sollen insbesondere die Probleme der Radikalisierung und Rekrutierung von Anhängern terroristischer Strukturen im Blickpunkt stehen. Dabei will Schäuble in der Diskussion auch die zunehmende Bedeutung des Internets für diese Zwecke sowie mögliche Bekämpfungsansätze in den Vordergrund stellen. Hierzulande macht sich der CDU-Politiker dabei etwa neben dem Ausbau der anlassunabhängigen Netzüberwachung für die rasche Schaffung einer Rechtsgrundlage für die umstrittenen Online-Durchsuchungen stark.

Bei dem heutigen trilateralen Treffen unter Einbeziehung russischer Regierungsvertreter wollen sich Schäuble und seine Gesprächspartner unter anderem mit der Frage des Schutzes kritischer Infrastrukturen vor terroristischen Anschlägen sowie Möglichkeiten einer verstärkten Kooperation in diesem Bereich beschäftigen. Schäuble will auch die Ziele sowie bereits erreichten Ergebnisse der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zur Stärkung des gemeinsamen Grenzschutzregimes in Europa vorstellen. Wirksame und nachhaltige Grenzkontrollen seien ein zentrales Element im Kampf gegen illegale Migration, grenzüberschreitende Kriminalität sowie Waffen- und Drogenschmuggel.

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch die Übersicht über die bisherige und die aktuelle Berichterstattung im Online-Artikel zum Start der Anti-Terror-Datei:

(Stefan Krempl) / (jk)