IBM will Patentanträge online veröffentlichen

Big Blue übernimmt beim "Community Patent"-Prüfprogramm die Vorreiterrolle und gibt Einblicke in seine Ansprüche auf gewerbliche Schutzrechte, während der Lobbydruck zur Reform des US-Patentwesens zunimmt.

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IBM hat angekündigt, eigene Patentanträge künftig online zu veröffentlichen, um eine Begutachtung durch Nutzer und Konkurrenten zu ermöglichen. Big Blue will sich mit dem Schritt als Vorreiter beim Community-Patent-Prüfprogramm erweisen, mit dessen Hilfe das US-Patentamt gemeinsam mit der New York Law School Ansätze zur Qualitätssicherung aus dem Bereich wissenschaftlicher Publikationen auf die Überprüfung gewerblicher Schutzrechte übertragen will. Mit dem auch als Peer to Patent bezeichneten Programm soll die kollektive Intelligenz der Netzbürger und Online-Experten angezapft werden, um Hinweise auf bereits vorhandene und damit nicht mehr patentierbare Erfindungen zu erhalten ("Prior Art").

Der Computergigant hat seine Unterstützung für das Projekt, an dem sich auch Konzerne wie Microsoft, General Electric, Hewlett Packard, Oracle, Intel oder Red Hat beteiligen wollen, Anfang des Jahres gemeinsam mit weiteren Initiativen zur Qualitätssicherung bei der Patentvergabe angekündigt. Nun leitet IBM noch vor dem eigentlichen Start im kommenden Jahr konkrete Schritte ein. Dabei werden auch Angaben wie die klare Angabe der Unternehmenszugehörigkeit auch individueller Antragsteller gewerblicher Schutzrechte berücksichtigt, um die verdeckte Anmeldung von Patenten durch Firmen zu verhindern.

Entwickelt hat IBM die neuen Vorgaben gemeinsam mit 50 Experten im Rahmen des Global Innovation Outlook über eine Wiki-Seite. Herausgekommen ist ein 36-seitiger Bericht rund um den Aufbau eines neuen "Marktplatzes" (PDF-Datei) für geistiges Eigentum. Er empfiehlt auch, künftig insbesondere bei Anträgen auf Softwarepatente detailliert vorgesehene Implementierungen der Erfindung beim Patentamt mit einreichen zu müssen. Bei Schutzansprüchen auf Computerprogramme seien Codebeispiele mit zugehörigen Beschreibungen abzuliefern. Zudem setzt sich der Bericht dafür ein, dass für den Patentschutz in den USA wieder ein "technischer Beitrag" zum Stand der Entwicklung nachgewiesen werden muss. Nur mit einem solchen Ausschluss von Schutzrechten auf Geschäftsmethoden könnten die eigentlichen Ziele des Patentsystems zur Innovationsförderung erreicht werden.

Den US-Gesetzgeber rufen die Fachleute mit dem IBM-Bericht dazu auf, möglichst rasch den Patent Reform Act of 2006 zu verabschieden. Das Papier aus dem US-Senat orientiert sich teilweise an dem "Vorjahresmodell" aus dem Repräsentantenhaus, insbesondere bei Vorschlägen zur Harmonisierung des US-Patentwesens mit dem von Europa und Japan maßgeblich geprägten internationalen System. Auch wollen die federführenden Senatoren vor allem die Entschädigungskosten bei juristischen Patentstreitigkeiten deutlicher reduzieren und so den im US-Kongress viel beschworenen "Patent-Trollen" das Leben schwerer machen. Die im Repräsentantenhaus vorgeschlagene neunmonatige Beschwerdefrist gegen neue Patente soll etwa auf ein Jahr ausgedehnt werden.

Die Vorstöße zur Reform des Patentwesens liefen allerdings bislang ins Leere. Scharfe Proteste kamen vor allem von der Professional Inventors Alliance USA. Die Entwürfe arbeiten nach dessen Ansicht auf ein Patentsystem hinaus, in dem große Technologiefirmen "das Eigentum von Erfindern schier ungestraft verwenden können". Verbände der Biotechnologie- und Pharma-Industrie fürchten ferner angesichts der erweiterten Einspruchfristen gegen Patente um ihre hohen Investitionen für Entwicklungen. Vor den Kongressneuwahlen im November stehen die Gesetzesanträge daher nicht mehr auf der Washingtoner Agenda.

Nach Ansicht der Wirtschaft können die bisherigen gesetzgeberischen Pläne aber keine zufrieden stellende Lösung für die Flut der Anträge beim US-Patentamt finden. Allein 2005 ging bei der Behörde 406.302 neue Anträge ein, wozu noch unzählige unbearbeitete Einreichungen aus den Vorjahren kommen. Wie die Public Patent Foundation auf ihrem neuen Weblog Software Patent Watch vorrechnet, hat das US-Patentamt mit der Vergabe von 893 Softwarepatenten allein am 19. September in diesem Jahr bereits mehr Monopolansprüche auf Computerprogramme erteilt als beim vergangenen Höchststand in 2004. 2006 seien bereits über 30.000 Softwarepatente vergeben worden, insgesamt dürften es bis zum Jahresende über 40.0000 werden. Der Gründer der Free Software Foundation (FSF), Richard Stallman, hält aber auch die Gemeinschaftsanstrengungen zur Patentprüfung für Augenwischerei. Einen Ausweg aus der Misere sieht er nur in der Ausklammerung von Software von der Patentierbarkeit.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (anw)