Regierung will Urheberrechtsschutz für Musiker und Komponisten verlängern

Das Bundesjustizministerium hat einen Referentenentwurf zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vorgelegt, mit dem die Schutzdauer für Tonaufnahmen von 50 auf 70 Jahre ausgeweitet werden sollen.

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Das Bundesjustizministerium hat einen Referentenentwurf zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vorgelegt, mit dem die Schutzdauer für Tonaufnahmen von 50 auf 70 Jahre ausgeweitet werden sollen. Laut dem im Blog der "digitalen Linken" veröffentlichten Papier (PDF-Datei) von Ende Juli sollen davon Urheber von Musikkompositionen mit Text wie Songschreiber, ausübende Künstler sowie Tonträgerhersteller profitieren. Die Schutzfrist um 20 Jahre zu verlängern eröffne ihnen die Chance, "sich an der wirtschaftlichen Entwicklung in dem geregelten Bereich weiterhin zu beteiligen". Dies stehe auch im Einklang mit dem Leitgedanken der Bundesregierung "zur nachhaltigen Entwicklung".

Das Justizressort will damit eine EU-Richtlinie umsetzen, die mit dem Segen des europäischen Ministerrates und des Parlaments seit Herbst 2009 gilt. Die Mitgliedstaaten müssen die Bestimmungen innerhalb von zwei Jahren in ihren nationalen Gesetzen berücksichtigen. Die EU-Kommission wollte die Schutzdauer ursprünglich auf 95 Jahre verlängern, was die Abgeordneten aber ablehnten.

Interpreten von Musikstücken sollen an den zusätzlichen Einnahmen, die der Tonträgerhersteller etwa durch Vervielfältigung, Vertrieb und der Veröffentlichung eines geschützten Werks etwa im Internet erzielt, zu 20 Prozent beteiligt werden. Verwertungsgesellschaften sollen die Vergütungen jährlich an die Interpreten auszahlen, die ihre Rechte gegen eine einmalige Zahlung an die Produktionsfirma übertragen oder abgetreten haben. Vorschüsse oder vertraglich festgelegte Abzüge dürfen im Anschluss an das 50. Jahr nach der "rechtmäßigen Veröffentlichung" oder öffentlichen Wiedergabe nicht gekürzt werden.

Zunächst außen vor bleiben Musik-DVDs; die Kommission will erst nach ersten Erfahrungsberichten prüfen, ob die Regeln auf diesen Bereich ausgedehnt werden. Einnahmen aus der Vermietung sonstiger Tonträger, der öffentlichen Sendung und Wiedergabe sowie aus Zahlungen für private Kopien werden ebenfalls nicht einbezogen. Hier werden Sänger und andere Bandmitglieder schon von den Verwertungsgesellschaften ausgezahlt.

Plattenfirmen können ihnen entstehende zusätzliche Ausgaben etwa fürs Marketing nicht von der Vergütung für die Interpreten abziehen. Sie sind zudem verpflichtet, ausübenden Künstlern auf Verlangen Auskunft über die Einnahmen und sonstige Informationen zu geben, die dazu nötig sind, den Vergütungsanspruch zu beziffern.

Prinzipiell sollen die neuen Vorschriften für Aufzeichnungen von Darbietungen und Tonträger gelten, deren bisherige Schutzdauer zum Umsetzungsstichtag im November 2013 noch nicht erloschen sind und solche, die danach entstehen. Hat ein Interpret vor diesem Datum bereits einen Übertragungsvertrag mit einer Plattenfirma abgeschlossen, sollen sich die neuen Schutzfristen auch darauf beziehen, "wenn keine eindeutigen vertraglichen Hinweise auf das Gegenteil vorliegen". Weitere von der Richtlinie ermöglichte vertragliche Anpassungen seien nicht nötig, da sie das deutsche Recht bereits abbilde.

Die Linken monieren an dieser Stelle, dass es schon auf EU-Ebene nicht um die ausübenden Künstler, sondern die übrigen Rechteinhaber und die Musikindustrie gegangen sei. Ein Interpret, der seine Rechte abgetreten habe, sei sie nun "automatisch für 20 weitere Jahre los". Das Verfahren könne problemlos auch so geregelt werden, dass die Ansprüche nach Ablauf der alten Schutzdauer automatisch an den Künstler zurückfallen. Schon während der Beratung der Richtlinie auf EU-Ebene hatte es Proteste gegen das Vorhaben gehagelt. Vor allem Bürgerrechtsorganisationen und Forscher rieten generell davon ab, den Urheberrechtsschutz zu verlängern. Sie befürchten, dass davon nur die Industrie, die Rechteinhaber sowie eine Handvoll ins Rentenalter kommender Popstars profitieren.

Die genauen Auswirkungen der nationalen Initiative kann sich das Justizministerium eigenen Angaben zufolge noch nicht ausmalen. Die Schutzdauer für Musikkompositionen mit Text werde sich "für eine nicht bezifferbare Anzahl" entsprechender Werke verlängern, ist in der Gesetzesbegründung nachzulesen. Soweit der Urheber seine Rechte auch weiterhin ausübt oder Ansprüche geltend macht, führe dies aber zu "keiner messbaren Verhaltens- oder Aufwandsänderung".

"Die Verwerter von Darbietungen ausübender Künstler und von Tonträgern werden während der verlängerten Schutzdauer entsprechende Lizenzvereinbarungen zu schließen haben", erklärt das Ministerium weiter. Dies entspreche den bereits geltenden urheberrechtlichen Vorgaben. Dem Tonträgerhersteller könne als Schuldner von Zahlungs- beziehungsweise Auskunftsansprüchen des ausübenden Künstlers gegebenenfalls ein zusätzlicher Zeit- und Kostenaufwand entstehen. Im Gegenzug profitiere er aber von einer längeren Verwertungsmöglichkeit der Aufzeichnungen. Insgesamt sei "mit quantifizierbaren Auswirkungen des Gesetzes auf das Preisniveau" nicht zu rechnen.

Der derzeit mit den übrigen Ressorts besprochene Entwurf, der noch vom Kabinett und vom Bundestag verabschiedet werden muss, tritt zu einem weiteren Entwurf für ein Urheberrechtsgesetz, mit dem das Justizministerium ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger schaffen will. Vom ursprünglichen Anlauf für eine umfassende Urheberrechtsreform in Form eines "dritten Korbs", der sich vor allem auch um die Belange von Wissenschaft und Forschung kümmern sollte, ist dagegen nach wie vor keine Spur in Sicht. (anw)