Filesharing-Urteil des BGH stößt auf Unverständnis

Sind Tauschbörsennutzer durch das BGH-Urteil "zum Abschuss" freigegeben? Provider fürchten zudem Kollateralschäden und die Opposition fordert endlich eine Reform des Urheberrechts.

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit seinem Urteil zum Auskunftsanspruch von Rechteinhabern auch bei vergleichsweise geringfügigen Urheberrechtsverletzungen viel Kritik eingehandelt. Für die Sozialdemokraten steht der Beschluss im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers. Die Oppositionspartei sieht die Bundesregierung nun in der Pflicht, die angekündigte Novelle des Urheberrechts endlich anzugehen.

"Aus meiner Sicht hat der Gesetzgeber den Auskunftsanspruch bei der Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie im Jahr 2008 ausdrücklich und aus guten Gründen auf Verletzungen des Urheberrechts in gewerblichen Ausmaß begrenzt", erklärte Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, gegenüber heise online. Dabei habe der Rechtsausschuss des Parlaments in seiner Begründung auf einen "unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteil" abgestellt. Dieser Sicht sei der BGH aber nicht gefolgt.

Um weiterem Abmahnmissbrauch vorzubauen, müsse der Gesetzgeber nun eindeutig klarstellen, unter welchen Bedingungen Rechteinhaber Bestandsdaten zu verdächtigen IP-Adressen abfragen dürften, meint Klingbeil. Die Bundesregierung sei gefordert, die seit Jahren angekündigte grundsätzliche Reform des Urheberrechts in Angriff zu nehmen. Einen Entwurf von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat die Unionsfraktion Berichten zufolge bislang blockiert.

Für "Law"-Blogger Udo Vetter haben sich die Karlsruher Richter "eindeutig gegen das Gesetz" gestellt. Mit dem Beschluss seien "Mini-Filesharer zum Abschuss freigeben". Die Frage der Gewerblichkeit sei ohnehin "nur ein schwaches Korrektiv" gewesen, weil die Gerichte zumeist auf Interessen der Rechteinhaber abstellten. Richtig sei es dagegen zu fragen, ob der Tauschbörsennutzer gewerblich handele. Nun bleibe nur zu hoffen, "dass man am benachbarten Bundesverfassungsgericht bodenständiger denkt".

Vetters Kollege Thomas Stadler wirft dem BGH ebenfalls vor, "dem Gesetzgeber hier die Gefolgschaft verweigert" zu haben. Dies liege aber auch an "handwerklichen Mängeln" der gesetzlichen Regelung. Das Problem, dass der Anschlussinhaber allenfalls in jedem zweiten Fall der tatsächliche Verletzer sei, habe der Gerichtshof zudem nicht thematisiert. Andere Rechtsanwälte monieren, dass Zugangsanbietern zusätzlich immer öfter eine "Sicherungsanordnung" von Verbindungsdaten aufgetragen werde, damit ein Auskunftsanspruch nicht ins Leere laufe. Dafür gebe es aber keine Rechtsgrundlage.

eco-Vorstand Oliver Süme beklagte, dass mit dem Urteil das ohnehin schon durch die Rechtsprechung aufgeweichte Kriterium des "gewerblichen Ausmaßes" endgültig gekippt werde. Dies werde zu einer erheblichen Steigerung der Auskunftsersuchen an die Provider führen, die schon jetzt über 300.000 Mal im Monat Daten zu IP-Adressen auf Gerichtsbeschluss herausgeben müssten. Zudem sei das Ziel des Gesetzgebers, die Hürden für den Eingriff in das Fernmeldegeheimnis hoch zu legen, nicht mehr gewährleistet.

Der Bundesverband Musikindustrie begrüßte dagegen den erweiterten Auskunftsanspruch als "wichtiges Signal" in einer Zeit, in der vermehrt ein verringertes Schutzniveau gefordert werde. Mit dem Richtspruch zum Upload eines Songs aus Xavier Naidoos Album "Alles kann besser werden" habe der BGH "dem bislang inakzeptablen Zustand der Verkürzung von Rechten der Kreativen, ihrer Partner und damit unserer Mitglieder Einhalt geboten", heißt es bei dem Lobbyverband. Faktisch werde so eine Rechtsverfolgung etwa auch bei älterem Repertoire ermöglicht, nicht nur bei aktuellen "Top 100"-Titeln. (vbr)