Bundesregierung sieht sich mit Online-Durchsuchungen nicht allein

Laut einer Stellungnahme des Bundesinnenministeriums gibt es in Europa in den Ländern Rumänien, Zypern, Lettland und Spanien bereits Befugnisse für Sicherheitsbehörden zu den umstrittenen Online-Dursuchungen.

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Das Bundesinnenministerium sieht sich mit seiner Forderung nach heimlichen Online-Durchsuchungen in guter Gesellschaft. Explizite Regelungen für die verdeckte Ausforschung informationstechnischer Systeme durch Sicherheitsbehörden bestehen laut einer heise online vorliegenden Antwort des Innenressorts auf einen Fragenkatalog des Bundesjustizministeriums in Europa bereits in den Ländern Rumänien, Zypern, Lettland und Spanien. Über die genaue Ausgestaltung der entsprechenden Gesetze, die darin möglicherweise enthaltenen Datenschutzbestimmungen und die praktischen Anwendungsformen der hierzulande innerhalb der großen Koalition heftig umstrittenen Netzbespitzelungen machte das Haus von Wolfgang Schäuble (CDU) allerdings keine Angaben.

Dagegen verweist das Innenministerium darauf, dass der Bundesrat in der Schweiz im Juni den Entwurf für die Änderung des Bundesgesetzes über Maßnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit verabschiedet hat. Danach sollen Schweizer Sicherheitsbehörden künftig unter anderem zur Terrorabwehr Abhörgeräte und Kameras in Privaträumen installieren sowie Post, Telefon, E-Mail und PCs präventiv überwachen beziehungsweise durchsuchen dürfen. Auch Staaten wie Schweden seien derzeit mit der Schaffung einer expliziten Befugnisnorm für verdeckte Online-Razzien im Gesetzgebungsverfahren befasst. "Einige" andere Staaten wie Slowenien besitzen laut dem Papier keine konkret festgeschriebene Schnüffelerlaubnis, "gleichwohl wäre eine Online-Durchsuchung rechtlich zulässig".

Die Regierungsbehörde vergisst auch nicht zu erwähnen, dass das FBI laut Presseberichten in den USA eine Software für eine Art Online-Razzia eingesetzt habe. Es handelte sich um einen Fall, in dem ein Schüler Bombendrohungen über das Internet von fünf Google-Postfächern aus verschickt haben soll. Dabei loggte er sich über italienische Server ins Internet ein. Die US-Polizeibehörde hat gemäß einem öffentlich gewordenem Durchsuchungsbefehl dem Jugendlichen daraufhin über Googles E-Mail-Dienst oder die Kommunikationsangebote der Online-Gemeinschaft MySpace das Spionage-Werkzeug "CIPAV" (Computer Internet Protocol Address Verifier) so versandt, dass es sich auf dem Zielrechner installieren konnte. Die Spyware übermittelte daraufhin unter anderem alle Internetverbindungen und Websiteabrufe an das FBI, das den Schüler in Folge verhaftete. Anders als hierzulande geplant, übermittelt CIPAV aber keine Kommunikations- oder Datei-Inhalte.

Das Innenministerium hält dementsprechend fest: "Im Vergleich zur Online-Durchsuchung und verwandten Maßnahmen handelt es sich bei dem (öffentlich bekannten) Funktionsumfang und der Zielsetzung in diesem Fall eher um eine Art der Benutzer-/IP-Feststellung." Die Berichte seien aber nur begrenzt auf technische Details eingegangen. Die technischen Lösungen der einzelnen Länder mit mehr oder weniger klar geregelten Befugnissen für Netzbespitzelungen sind dem Bundeskriminalamt (BKA) zudem gemäß dem Schreiben an das bislang skeptische Justizministerium nicht bekannt. Die Wiesbadener Polizeibehörde beabsichtige aber, "zukünftig den Informationsaustausch hierüber zu intensivieren".

Einen ausführlichen Einblick in die neuen Ausführungen des Bundesinnenministeriums zu den Plänen für Online-Razzien bietet c't Hintergrund in dem Bericht

Die heimliche Online-Durchsuchung von Computern stößt bei vielen Datenschützern und Juristen auf Skepsis. Sie melden grundsätzliche Bedenken an und warnen vor eventuell angestrebten Grundgesetzänderungen. Siehe dazu:

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)