SPD bläst zum Internet-Wahlkampf 2.0

Mit dem sozialen Netzwerk "meineSPD.net", einem Videodialog mit Parteichef Kurt Beck, einem Videowettbewerb sowie einem Online-Beirat wollen die Genossen im Internet punkten und mehr "Authentizität" bieten.

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Die SPD geht online in die Offensive. Mit dem sozialen Netzwerk meineSPD.net, einem Videodialog mit Parteichef Kurt Beck, einem Videowettbewerb zum Thema Arbeit sowie einem "Online-Beirat" wollen die Genossen im Internet punkten. "Wir waren die erste Partei im Internet", erklärte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil am heutigen Mittwoch bei der Vorstellung der Pläne in Berlin. "Jetzt wollen wir den Vorsprung nicht verlieren." Man starte daher mit dem Ausbau der Netzprojekte den "Internet-Wahlkampf 2.0". Dieser solle "mehr Interaktivität und weniger Schaufenstercharakter" aufweisen. "Authentizität" und direkte Kommunikation seien die Markenzeichen der neuen Online-Kampagne der SPD. Es gebe schließlich eine "große Sehnsucht nach ungekünsteltem Auftritt". Für passé erklärte Heil dagegen den Hang der politischen Kommunikation zu viel Inszenierung aus dem Ende des vergangenen Jahrhunderts.

Kern der Parteiprojekte im Internet ist das neue Mitgliedernetz. Als hauptsächliche Funktionen der virtuellen Gemeinschaft nannte Heil Möglichkeiten zum Anlegen von Werkstätten für die politische Arbeit, Foren zur Diskussion, Kontaktgruppen, Foto-Alben oder Weblogs. Auch Nicht-SPD-Mitglieder könnten sich nach einer Registrierung dort einklinken, Nutzerprofile von sich erstellen oder Beiträge schreiben. "Alles mit offenem Visier", gab Heil als Losung aus. Sozialdemokraten seien an roten Sternchen erkennbar. Ihnen sei es vorbehalten, neue Foren einzurichten sowie auf einen geschützten Bereich mit Materialien zur Parteiarbeit vor Ort oder zum Versand von Rundmails für Ortsverbände zuzugreifen.

Dass auch die Liberalen bereits ein soziales Netzwerk für ihre Mitglieder unter myFDP.de gestartet haben, focht den SPD-Generalsekretär nicht an. Zum einen könne man dort höchstens "mal ein Blog" neben seinem Profil haben. Zum anderen arbeite die SPD-Plattform auch mit einer anderen Geschwindigkeit. Der Unterschied sei so groß "wie zwischen einem Trabi und einem Porsche". Seit dem Startschuss während des jüngsten SPD-Parteitags am 28. Oktober hätten sich bereits 11.000 Nutzer für meineSPD.net angemeldet, was die Erwartungen weit übertroffen habe. Die Seite werde zudem auch für die Mitgliederwerbung genutzt, wobei die Hälfte der momentan in die SPD Eintretenden schon jetzt unter 35 Jahre alt sei.

Zweiter Schwerpunkt sei der Aufbau eines eigenen SPD-Kanals bei YouTube unter dem Titel "SPD Vision". Im Zentrum steht dort momentan ein taufrisches Angebot zum Videodialog mit Parteichef Kurt Beck. Anders als etwa bei den regelmäßigen Videopodcasts der Bundeskanzlerin, solle es hier aber bewusst nicht um Botschaften im Verkündungsstil gehen. Vielmehr seien zunächst die Netzbürger gefragt, sich mit eigenen Videobeiträgen und darin eingebauten Fragen an den voraussichtlichen Kanzlerkandidaten der SPD zu wenden. Ebenfalls per Video will Beck auf ausgesuchte Eingaben antworten, wobei ein zweiwöchiger Rhythmus angepeilt wird.

Die Live-Auftritte Becks würden deswegen nicht reduziert, versicherte Heil. Online-Kampagnen würden sicher allein auch nicht dazu führen, dass man Wahlen gewinne. Beispiele aus den USA würden aber zeigen, dass Deutschland im Bereich des Internetwahlkampfs noch "Entwicklungsland" sei. Jenseits des Atlantiks würden die Strategen vom klassischen Werbespot weggehen und sich stärker bemühen, "die Menschen einzubinden".

Ganz in diesem Sinne soll der Videokanal laut dem Parteigeneral auch kein Medium sein, um die von der SPD umworbene "solidarische Mehrheit" nur zu beschallen, "sondern zu motivieren und zu gewinnen". Ungefiltert und ungeschnitten sollten die Botschaften rüberkommen, auch wenn "ernst gemeinte Fragen" letztlich mehr Chancen auf "ernst gemeinte Antworten" hätten. Teils würden die Beiträge auch per Mail und nicht direkt von Beck erwidert. Rechtsextreme Propaganda werde zudem ganz ausgesondert. Natürlich könne sich zudem jeder Interessierte auch weiter per Brief, Fax oder E-Mail sowie über alternative Plattformen wie Abgeordnetenwatch an Beck oder andere SPD-Politiker wenden. Heil hofft aber, dass sich die Nutzer über die eigenständigen Parteiplattformen "auch andere Inhalte bei uns anschauen". Daher habe man etwa auch auf eine Zusammenarbeit mit der Initiative "direktzu" verzichtet, die ebenfalls Fragen von Bürgern an führende Politiker vermittelt.

Der SPD-Führung in allen Internetfragen beratend zur Seite treten soll der Online-Beirat. Er setzt sich momentan aus Vertretern der Bloggerszene wie Sascha Lobo oder Nico Lumma, Wissenschaft und Agenturen zusammen. Aus der Wirtschaft sind Mitarbeiter des Providers 1&1 sowie der Bertelsmann-Stiftung an Bord. Auch hier sprach Heil von einem "offenen Prozess". Er würde sich freuen, vor allem noch die ein oder andere Bloggerin aufnehmen zu können. Generell solle der Beirat Trends der politischen Kommunikation im Netz beleuchten sowie Potenziale für Dialog und demokratische Beteiligung im Internet aufzeigen.

Zu den Kosten der Online-Offensive wollte sich Heil nur verklausuliert äußern. Die SPD zahle etwa für eine Folge der Video-Antworten Becks ein Fünftel dessen, was der Videopodcast von Kanzlerin Angela Merkel koste. Das Bundespresseamt blättert für eine Ausgabe der wöchentlichen Ansprachen laut Medienberichten durchschnittlich knapp 10.800 Euro hin. Bei dem niedrigeren Preis gucke die SPD dafür nicht so genau bei der Kameraführung oder der Hintergrundgestaltung hin, erläuterte Heil die Einsparpotenziale. Die Technik für das soziale Netzwerk habe man zudem gemeinsam mit der SPÖ in Österreich entwickelt, die ihre Variante unter Campa.at am Laufen habe. Im Hinblick auf die Europawahlen werde man versuchen, sich mit weiteren Schwesterparteien zu verlinken. (Stefan Krempl) / (pmz)